53 | overwhelming guilt

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NAVEEN

Seit mehr als drei Tagen fühlte ich mich krank.

Seit mehr als drei Tagen verließ ich mein Apartment nicht.

Seit mehr als drei Tagen war mein Bett mein bester Freund.

Ich konnte es immer noch nicht fassen. Alles, was Mittwoch Abends passiert war, war wie ein Fiebertraum, verdammt surreal und verwirrend.

Wenn ich daran zurückdachte, drehte sich mein Magen um 180 Grad, doch wenn ich an Julias Gesicht dachte, an ihre weichen Lippen, ihre funkelnden grünen Augen und an ihre tiefen Grübchen, dann ...

... dann was?

Fuck, ich wusste es nicht, okay? Das war mir alles zu viel. Warum musste ich sie überhaupt vor dem Gebäude ansprechen? Ich hätte mich einfach an ihr vorbei schleichen sollen! Der ganze Tag war schon anstrengend genug. Aber nein, ich entschied mich bewusst dazu, ihr zu helfen. Aus so manch einer Situation in der Vergangenheit, wusste ich, wie schmerzhaft Panikattacken sein konnten. Julias Angst war kein schöner Anblick.

Es verfolgte mich bis in meine Alpträume.

Heute am Sonntag Morgen – oder war es schon Mittag? Scheiß drauf. Ich konnte es nicht genau sagen, da die Vorhänge an den Fenstern in meinem Zimmer zugezogen waren. Nur ein winziger Lichtstrahl schaffte es rein.

Wie dem auch sei, heute am Sonntag, änderte sich meine Lustlosigkeit nicht. Ich war zu erschöpft und in meinem Kopf meldeten sich tausend Gedanken pro Minute.

Ich brauchte eine Auszeit. Eine Auszeit von allem. Ruhe würde mir gut tun ...

Plötzlich wurde meine Zimmertür aufgerissen.

Ich erschreckte mich und wegen des blendenden Lichts aus dem Flur verkroch ich mich noch mehr in meine Bettwäsche.

»Naveen, steh auf!«, befahl jemand wütend.

Ich war zu müde, um zu antworten.

Turnschuhsohlen quietschten über den Holzboden. Sie kamen näher. Mein unerwünschter Besucher riss unsanft die Vorhänge an den Fenstern auf. Anschließend stampfte er zu mir ans Bett. »Hey!« Ich nahm wahr, wie ich am Arm gerüttelt wurde.

Keine Reaktion von mir.

Ein zweites Mal wurde ich durchgerüttelt, jetzt viel aggressiver. Ich roch das Aftershave, das Zach tagtäglich benutzte, obwohl er sich im Gesicht nur ein Mal im Monat rasieren konnte, weil so wenig wuchs. Er war also mein Peiniger. »Nav!«, schrie er. Ich sah ihn nicht, hörte ihn aber schnauben. Daraufhin gab er mir einen Klaps gegen den Hinterkopf und zerrte mich an meinem Ohr aus meinem Rückzugsort.

»Au, au, au, au!«, jammerte ich schmerzerfüllt.

Zach zog so lange an meinem Ohr, bis ich aufrecht vor ihm saß. Das erinnerte mich an die hundert Male, als seine Mom das mit uns beiden tat, nachdem wir Scheiße gebaut hatten und sie es nur mitbekam, weil es in der Nachbarschaft rum ging.

»Du Idiot!«, herrschte er mich an, während er los ließ. Er stand neben meinem Bett und stemmte streng die Hände auf seine Hüften. Auch das erinnerte mich an seine Mom.

Ich rieb mein Ohr. »Was soll das, Mann?« Dann räusperte ich mich, da ich seit Tagen nicht mehr gesprochen hatte und mein Hals staubtrocken war.

»Was das soll? Ich hab mir Sorgen gemacht!«

Mein nackter Oberkörper sackte wieder nach hinten. »Ich hätte dir niemals meinen Zweitschlüssel geben sollen«, nuschelte ich säuerlich durch die Kissen.

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt