28 | crying girl

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JULIA

»Wir werden ihm jetzt mal einen Besuch abstatten«, sagte Samuel plötzlich.

Jetzt hatte er wieder meine volle Aufmerksamkeit. »Wem?«

»Lee.« Samuel wartete erst gar nicht auf meine Antwort, sondern hörte nur auf sich selbst. Er umfasste meine Schultern mit seinen Händen und schob mich mühelos mit meinen Fersen über den staubigen Boden und das Gras.

Mein Körper versteifte sich. »Was?! Wo ist er?«

»Hinten irgendwo bei Kieth. Er meinte es ernst, als er sagte, dass sogar Lee eine bessere Option zum rumhängen wäre, auch wenn er ihn nicht mag.«

Ich runzelte die Stirn. »Kieth mag Lee nicht?«

»Keith mag so ziemlich niemanden. Weder Lee, weil er ihm zu sehr Streber ist, noch Cam, weil der einfach zu sehr ... Arschloch ist.«

Cam? Cam... Cameron!

Über mir erleuchtete eine Glühbirne. »Kennt ihr, äh ... Cam ... schon lange?«

»Kein Plan, er war irgendwann auf einmal da und ist dann nicht mehr abgehauen. Du solltest Maggie fragen.«

Das war meine Chance, mehr über ihn herauszufinden. »Zwischen euch liegt doch ein Altersunterschied...«

»Sie sind beide dumm genug, ständig auf Partys rumzuhängen, wo auch Highschool Schüler und Studenten feiern, weil es bei denen halt am meisten Alkohol gibt.«

»Okay. Und...«

»Genug über die beiden geredet. Wie gesagt, quatsch am besten mit Maggie über sie. Keine Ahnung, vielleicht weiß Grace ja auch was. Lee hat jetzt aber dort hinten Priorität, nicht?«

»Moment, Moment!« Panik überkam mich, je näher wir Kieth und Lee kamen.

Samuel hielt mir seinen Drink vor die Nase. »Hier, damit du dich entspannst.«

Meine Nase rümpfte ich daraufhin, nahm das Getränk dann trotzdem entgegen und trank einen Schluck. Allerdings blieb es auch nur bei dem einen, denn es war Whiskey. Mit Bier und Wein konnte ich zwischendurch umgehen, aber purer Whiskey war ein Albtraum für mich.

Ehe ich mich über die brennende Flüssigkeit beschweren konnte, standen wir bereits bei Lee und Kieth.

Lees Augen weiteten sich freudig. »Julia! Wie schön, dass wir uns hier sehen. Wie lange bist du schon hier?«

Ich zerdrückte den Becher so fest, dass das Plastik knirschte. »Oh, erst ein paar Minuten oder so.«

»Ist das Whiskey?«, wollte Kieth plötzlich wissen und deutete zu meinem Becher. Anhand seiner Körpersprache, wusste ich bereits, worauf er hinauswollte.

Ich lockerte meinen Griff und hielt ihm den Becher entgegen.

In einem Zug war der Becher leer und Kieths Gesicht unverändert.

Samuel sah seinem Bruder in die Augen und nickte in eine andere Richtung. Kieth verstand sofort und machte ein »Ahh, verstehe«-Gesicht.

Über meine Schulter flüsterte Samuel: »Treibt es nicht zu wild, ihr seid immerhin in der Öffentlichkeit.« Hätte ich ihm ins Gesicht geblickt, hätte ich bestimmt sein dämliches Zwinkern mitbekommen. »Bis dann, Leute!«, verabschiedeten sich die Zwillinge. 

Die entfernte Musik aus den Lautsprechern wirkte viel zu intensiv, dafür, dass sie irgendwo da ganz hinten ertönte. Nun ja, lag wohl an der peinliche Stille.

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt