Kapitel 41

16 4 0
                                    

Der Schatten in seinem Rücken näherte sich so lautlos, dass Gorjak für einen Moment die Luft anhielt. Erst als Aric neben ihn trat, stieß er sie langsam wieder aus.

„Du bist manchmal verdammt unheimlich, weißt du das?", brummte er.

Aric erwiderte nichts. Gorjak sah seinen Freund prüfend an. Er erwartete nicht wirklich eine Antwort, das war nicht Arics Art, doch es gab das ein oder andere, worüber er gerne mit dem Hauptmann gesprochen hätte. Angefangen bei der Tatsache, dass er ein Kind mit dem Serafin hatte. Gorjak musste bei der Erinnerung an den kleinen vorlauten Wildfang, den er heute hatte kennenlernen dürfen, lächeln. Aurora sah Aric zum Verwechseln ähnlich, doch davon abgesehen hatte sie nichts mit ihrem stillen verbohrten Vater gemeinsam.

„Aurora ist ein wahres Goldstück. Selbst wenn ich wollte, könnte ich mich ihrem Charme nicht entziehen", begann er behutsam.

Arics Mundwinkel zuckten.

„Es ist mir ein Rätsel wie sie so geworden ist. Weder Saronn noch Anna sind besonders aufgeschlossene Menschen. Aurora ist klug genug, sich an Vorschriften zu halten – um ihrer eigenen Sicherheit willen – aber davon abgesehen...", er blickte nachdenklich in den Hof hinab, fuhr aber nicht fort.

Gorjak hörte die Worte und gleichzeitig wusste er auch was Aric nicht aussprach: Aurora war bei Saronn aufgewachsen. Anna und der alte Magier hatten sie erzogen, hatten ihr alles beigebracht, was sie wusste. Obwohl sie so jung war, verstand sie bereits viel von den Problemen, die ihre Familie belasteten und der Gefahr, die damit einherging. Und mit Aric hatte sie offenbar keinerlei Berührungspunkte. Bis jetzt...

Er seufzte tief und legte Aric eine Hand auf die Schulter.

„Sie ist erst acht. Ihr habt noch Zeit euch kennenzulernen", sagte er sanft. Arics Schultern spannten sich an, dann sackten sie wieder herab.

„Ich wünschte, es wäre so. Aber sie kann hier nicht bleiben. Und ich kann nicht von hier fort."

Der Schmerz in seiner Stimme war fast greifbar und Gorjak schluckte bewegt. Es war so selten, dass Aric seine Gefühle zeigte, dass es ihn jedes Mal fast in die Knie zwang.

„Wenn ich richtig verstanden habe, ist Saronn mit ziemlicher Sicherheit tot und Anna spurlos verschwunden. Im Moment kann sie also nirgendwo anders hin. Du bist ihre Familie, Aric. Du und Taos."

Die Erwähnung des Königs zauberte endlich eine Reaktion auf die Züge des jungen Hauptmanns.

„Das ist genau das Problem, Gorjak. Wir sind alle hier. Hier in diesem Schloss. Es gibt einen Grund, weshalb ich Aurora von meinem Leben ferngehalten habe. Sie...", er hielt inne, suchte nach Worten. Schließlich sah er Gorjak fest an. „Die drei Menschen, die Anna die Welt bedeuten, Gorjak. Alle hier. Wollte ich die Welt brennen sehen, würde ich genau jetzt mit diesem Schloss anfangen!", seufzte er.

Gorjak schauderte und er sah sich unwillkürlich um. Eines der vielen Dinge, die er in den letzten Jahren gelernt hatte, war, dass Magie weit reichte und selbst der Wind Ohren hatte. Doch Aric schüttelte nur den Kopf, seinen warnenden Blick ignorierend. Er fuhr dem dösenden Raben auf seiner Schulter über das schwarze Gefieder und murmelte:

„Solange Nort in der Nähe ist, hört uns niemand zu."

Noch so eine Sache über die Gorjak gerne mehr gewusst hätte: Dieser Vogel...

Ein Geräusch zog ihre Aufmerksamkeit in den Hof hinab, wo eine schmale Gestalt sich durch die Schatten bewegte und dann in der Küche verschwand.

„Sam", sagte Aric erklärend. Gorjak runzelte die Stirn.

Die Raben des KönigsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt