Kapitel 75

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Amon mochte Aric, wirklich. Und er schätzte die Art und Weise wie er seine Männer führte. Aber als Jack mit diesem Katzengrinsen schmutzig und stinkend mitten in der Nacht auf seiner Schwelle auftauchte, hätte er ihm am liebsten die Tür vor der Nase zugeschlagen.

„Dein Hauptmann hat die Stadt vor über einer Woche verlassen. Was zur Hölle willst du hier?"

„Euch auch einen guten Tag, Bürgermeister", grüßte ihn der Spion formvollendet. Amon verdrehte die Augen.

„Wohl eher gute Nacht. Du weckst meine Kinder, Mann. Kira ist erst vor zwei Stunden eingeschlafen. Sie hat Koliken und ihr Geschrei raubt mir den letzten Nerv. Wenn sie deinetwegen wieder aufwacht, lass ich dich höchstpersönlich von der Mauer werfen."
Jack verzog mitfühlend das Gesicht.

„Der Hauptmann schickt mich", flüsterte er respektvoll.

Amon seufzte. Natürlich tat er das. Mit einem Stoßgebet zu welchen Göttern auch immer ließ er den Raben ein und brachte ihn in die Küche. Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich.

„Also gut. Was will er?"

Jack musterte ihn abwägend, dann holte er tief Luft.

„Kannst du eine Gruppe von zwölf Personen unerkannt in die Burg schleusen? Besonders seine Majestät und der Hauptmann legen Wert darauf, dass nicht das leiseste Gerücht über ihren Aufenthalt in Umlauf gerät. Schließlich ist Aric eigentlich gerade auf dem Weg nach Ibna und Taos sitzt in Abeno auf seinem Thron. Und dann sind da noch die Frauen. Sie sind nicht gerade unauffällig und wenn bekannt wird, wer seine Majestät begleitet..."

„Stop!", unterbrach Amon ihn genervt. „Er ist schon wieder hier? Sein letzter Abschied kam einem Lebewohl gleich. Es hat sich so angehört, als würde er erstmal untertauchen. Zusammen mit seinem König!"

„Die Umstände haben sich geändert."

„Inwiefern?"

„Sie sind über den Serafin gestolpert."

Amon starrte ihn an. Unmöglich! Anna war hier? Hier?!

„Wo sind sie?", fragte er.

„Im Wald vor der Stadt. Der Hauptmann hat mich vorgeschickt die Lage zu sondieren."

„Nur dass ich das richtig verstehe: Er will den König, den Serafin, sich selbst und die gesamte Garde in die Burg schleusen? Hat er den Verstand verloren?"

„Er hat behauptet, Ihr könntet nahezu alles möglich machen", schmeichelte ihm Jack mit einem gewinnenden Lächeln.

Amon schnaubte. Typisch Aric. Es war wohl einer der Gründe, weshalb er den Mann so gernhatte. Nachdenklich ließ er sich auf einen Küchenstuhl fallen.

„Wieso in die Burg? Wieso alle? Und vor allem für wie lange?"
Jack verzog das Gesicht.

„Sie wollen zu Lucius. Der Serafin besteht darauf ihn zu sehen. Und der Hauptmann kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, will aber weder den König noch den Serafin aus den Augen lassen. Und der König geht nirgendwo hin ohne seine Garde. Ergo..."

„Ja, ja, verstanden. Was will der Serafin von Lucius?"

„Er hat etwas, das ihr gehört."

„Etwas?"

„Es wäre wirklich zu kompliziert das jetzt zu erklären", behauptete der Gardist.

„Das heißt sie wollen unbemerkt rein und wieder raus?"

„Das heißt es", bestätigte der Gardist mit einem Grinsen.

Amon holte tief Luft.

„Verflucht sollst du sein, Aric!", beschwerte er sich. Der Gardist zuckte nicht mit der Wimper. Amon musterte ihn abschätzend.

Die Raben des KönigsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt