Mitten in der Nacht hatten sie sich davongeschlichen. Effi hatte noch immer Sukans Flüche im Ohr, der sie regelmäßig darauf aufmerksam machte, sie würden sich durch den Wald bewegen wie eine Horde Alanten. Effi wusste nicht, was das für Tiere waren, aber Koshy erklärte ihr mit einem Seitenblick, sie seien gut drei Meter groß und breit mit zottigem Fell, riesigen Stoßzähnen und einem so durchdringenden Schrei, dass einem die Ohren danach tagelang klingelten. Ferdale schnaubte neben ihr und Effi grinste.
Trotz ihres Getrampels schafften sie es unbemerktdurch die Siedlungen und als sie bei Sonnenaufgang eine Rast einlegten, nickteSukan zufrieden und meinte hier seien sie wohl fürs erste außer Gefahr entdecktzu werden.
Effi nahm es erleichtert zur Kenntnis. Sie war es leid von dem Toranherumkommandiert zu werden, während sie so sanft wie nur möglich einen Fuß vorden anderen setzte und dabei kaum wagte zu atmen, um nicht zu viel Lärm zumachen.
Koshy hatte seit seiner Erklärung zu den Alanten kein Wort mehr gesagt und auchnach ihrer Rast trottete er stundenlang nur stumm neben ihr her.„Koshy? Ist alles in Ordnung mit dir? Du bist so schweigsam", versuchte siesanft zu ihm durchzudringen. Der Junge schreckte auf und sah sie verlegen an.
„Willst du darüber reden?"
Er seufzte.
„Ich wusste es nicht", begann er dann nachdenklich. „Ich wusste nicht, dass eseine Erklärung für meine Geburt gab. Mein ganzes Leben lang habe ich geglaubtes wäre wirklich nur ein glücklicher Zufall, ein Hoffnungsschimmer, dass unserVolk nicht so verloren ist, wie wir dachten. Ich dachte..."
Er schüttelte den Kopf. Sein Toran sah ihn überrascht an. Offenbar war diesauch ihm neu.
„Bin ich nur ein Experiment meines Vaters?", fragte er leise. Effi legte ihmtröstend eine Hand auf die Schulter.
„So darfst du nicht denken, Koshy. Dein Vater hat dich geliebt. Ich bin mirsicher du warst für ihn genau das: Ein glücklicher Zufall und einHoffnungsschimmer. Ich glaube kaum, dass er in unsere Welt ging, um fruchtbarzu werden. Er ging, um den Serafin zu finden. Dass er dadurch dich bekam, warfür ihn sicher ebenso ein Wunder, wie für alle anderen. Und dass deine Geburtihn bestärkt hat, weiterzumachen, ist doch etwas Gutes. Du hast ihm Hoffnunggegeben. Du gibst deinem ganzen Volk Hoffnung."
Koshy sah sie dankbar an.
„Ich vermisse ihn sehr", gestand er dann.
„Wie ist er gestorben?", fragte Effi vorsichtig.
Koshy schwieg einen Moment und sie hatte schon Angst sie wäre zu weit gegangen.
„Er hat dem Serafin geholfen ins Nichts zu gelangen, um den dunklen König zubesiegen. Er kam nicht zurück."
Effi schauderte.
„Das tut mir sehr leid."
Der Junge schluckte.
„Das sollte es nicht. Er wusste, was er tat. Er wusste es lange bevor dieserTag kam. Er hat mir viel erzählt, aber das hat er mir verschwiegen. Als ermeinte, er würde ein Tor zum Nichts öffnen, hat mir das Angst gemacht, aber ichhabe ihm vertraut. Das habe ich immer. Und der Serafin hat mir vertraut.Deshalb ist sie ihm gefolgt."
Effi starrte ihn an. Koshys Vater hatte das Tor zum Nichts geöffnet?
„Ich habe ihr Vertrauen nicht verdient."
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte den Jungen trösten wollen,aber das? Sie musterte ihn von der Seite.
„Du hast mit ihr gegen das Nichts gekämpft. Du hast ihr geholfen es zubesiegen", versuchte sie ihn aufzubauen, doch Koshy warf die Hände in die Luft.
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Die Raben des Königs
FantasyAric hat seine Aufgabe als Hauptmann der königlichen Leibgarde angetreten. Seine Männer eine unverbrüchliche Einheit aus Loyalität und tödlicher Präzision. Doch das Leben am Hofe lässt sich nur schwer mit seinem Wesen vereinbaren. Auch Taos kämpft...