Kapitel 50

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Ferdale stöhnte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Ist es hier immer so schwül?", beschwerte er sich.

„Nur wenn kein Wind die Feuchtigkeit davonträgt", erwiderte der Siliere stoisch. Ferdale schnaubte, Effi kicherte.

„Warum liegt hier kein Schnee, so wie bei uns?", fragte sie neugierig. Koshy wandte sich zu ihr um.

„Diese Welt funktioniert anders. Dies ist die Ebene der Natur, sie folgt einer natürlichen Ordnung. Hier überwiegen die Elemente Erde und Wasser. Da beide noch erhalten sind, wurde die Balance hier nicht so sehr gestört, wie in der Welt der Menschen."

„Aber ihr habt hier schon Jahreszeiten, oder? Im Winter liegt hier Schnee?"

Der Junge wiegte den Kopf.

„Wir haben Jahreszeiten, aber sie verlaufen anders. Die Wenden von Sommer zu Winter in eurer Welt sind das Ergebnis des wechselhaften und stürmischen Wesens eurer Elemente. Feuer und Wind sind weniger beständig als Erde und Wasser. Deshalb ist eure Welt auch stärkeren Wandlungen unterworfen."

„Und das bedeutet?"

„Das bedeutet: Wir haben Schnee. In den Bergen. Nicht hier. Die Temperaturen ändern sich kaum. Es ist weniger ein Jahreszeitenwechsel, als vielmehr ein langsamer Zyklus. Jahre der Blüte folgen Jahren des Wachstums und dann Jahre des Schlafes. Es ist ein Kreislauf, dem auch unser Volk unterworfen ist. Deshalb altern wir sehr langsam. In den Jahren des Schlafes kommt die körperliche Entwicklung mehr oder weniger zum Stillstand. Nur in der Zeit des Wachstums wachsen und gedeihen wir."

Ferdale schnaubte ungläubig, doch Effi war fasziniert.

„Und in welchem Zyklus befindest du dich?", fragte sie weiter. Koshy lächelte.

„Ich habe sieben Jahre Ruhen hinter mir. Aktuell wachse ich wieder. Seit etwa zwei Jahren. Ich hoffe ich schaffe es noch, dass mir ein Bart wächst, bevor der Zyklus endet", grinste er.

„Wie alt bist du?"

„24", kam die prompte Antwort.

Ferdale schüttelte nur ungläubig den Kopf.

„Was passiert, wenn man in Zeiten der Ruhe geboren wird? Bleibt man dann jahrelang ein frisch geschlüpfter Säugling?"

Ferdale sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren, doch Koshy lächelte nachsichtig.

„In Zeiten der Ruhe werden keine Kinder geboren", erklärte er schlicht.

„Heißt das es gibt jahrelang keine Kinder?"

„Wie gesagt, unsere Welt funktioniert etwas anders als die eure. Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, das heißt es."

„Verrückt."

„Dasselbe könnte ich über deine Welt sagen. Ihr lebt und wachst so schnell, dass euer Verstand gar keine Zeit hat, sich richtig auszubilden. Das Ergebnis sind wechselhafte unruhige Gemüter, starke Emotionen, sowohl positiv wie negativ. Ihr feiert ausgelassener, aber ihr streitet auch heftiger. Eure extremen Gefühle und eure Schnelllebigkeit führen euch von einem Krieg in den nächsten. Ihr sterbt so schnell wie ihr euch fortpflanzt. Da kommt man ja kaum mehr hinterher."

Das brachte Effi endgültig zum Lachen.

„Das ist eine sehr treffende Beschreibung der Menschen, Koshy. Du hast eine außergewöhnliche Auffassungsgabe."

„Nur einen gut entwickelten Verstand und zwei Augen im Kopf", scherzte der Junge mit ihr.

Plötzlich blieb er stehen und hob die Hand.

Die Raben des KönigsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt