Ferdale war immer noch wütend, als er sich durch einen Schacht vor der Markthalle auf die Straße hievte. Selbst nachdem er den Magier über die Lage aufgeklärt hatte, ihm von der Seele des Serafin erzählt hatte und davon, wer genau seine Begleiter waren, war der Mann stur geblieben. Er hatte behauptet, es sei umso verheerender, wenn seine Magie aufgespürt würde, während er versuchte die Tochter des Serafin und die Seelenträgerin zu beschützen. Denn dann würde er den Feind direkt zu ihnen führen. Ferdale verstand seine Argumentation, er verstand sie wirklich. Trotzdem war warten und die Sache aussitzen für ihn keine Alternative.
Konzentriert sah er sich um, dann winkte er knapp und Lane folgte ihm mit einem Sprung auf die Straße. Sorgfältig verschloss er den Schacht hinter sich. Effi hatten sie zurück im Bunker gelassen, denn obwohl Ferdale ihr Schwert gern an seiner Seite gehabt hätte, war die Gardistin von Lanes Erzählungen so schockiert gewesen, dass er sie nicht guten Gewissens hatte mitnehmen können. Sie brauchte Zeit, um die Situation zu verdauen. Stattdessen begleitete ihn Lane. Seine Erfahrung und seine Kenntnis der Stadt beruhigten ihn etwas. Sie hatten auf den Einbruch der Nacht gewartet, um zumindest den Schutz der Dunkelheit nutzen zu können. Ferdale konnte nur hoffen, dass ihnen das Glück zur Seite stehen würde. Sie konnten es wahrlich brauchen. An die Alternative wagte er kaum zu denken.
Gorjak rollte die Schultern und wandte den Blick nicht von der Tür. Es war Stunden her, dass Effi und Ferdale losgezogen waren. Immer wieder hatte er sich gesagt, dass er sich in Geduld üben musste, dass sie Zeit brauchen würden. Die Umstände waren alles andere als einfach. Sie mussten vorsichtig sein. Das würde Zeit kosten. Also hatte er Sam beruhigt, der wie ein eingesperrter Tiger in der Schmiede auf und ab geschlurft war, hatte sich mit Sukan und Koshy beraten, deren Sinne ihm aber auch nicht mehr sagen konnten. Die Erde schwieg, behauptete der Toran und Koshy nickte nur. Er sah blass aus. Schon seit sie durchs Prisma gekommen waren. Irgendetwas beschäftigte den Jungen. Doch Gorjak hatte noch nicht gewagt zu fragen. Jedes Gespräch war ein Risiko. Also schwiegen sie und starrten auf die Tür und warteten.
Sam war dazu übergegangen, sein Schwert zu polieren, den Blick dabei aufmerksam auf Aurora gerichtet, die sich neben ihm auf dem Boden zusammengerollt hatte und schlief, der Rabe döste in ihren Armen. Auch die Silieren ruhten. Sie würden Sam und ihn nach der Hälfte der Nacht ablösen. Gorjaks Blick glitt zu Sotie, die den Kopf in seinen Schoß gebettet hatte. Doch ihre Augen waren offen und glänzten unruhig in der Dunkelheit. Sie war angespannt und Gorjak fragte sich, was sie wohl wusste. Worauf sie wartete. War es schon soweit? Sanft strich er ihr eine Strähne aus der Stirn. Sie blinzelte und ihre Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. Gorjak suchte ihre Hand und drückte sie fest. Dann fuhr er plötzlich auf. Was war das? Sein Blick glitt zu Sam. Der Junge war aufgesprungen. Also hatte er es auch gehört. Sotie setzte sich auf, während Gorjak zur Tür schritt. Sam hatte in der Zwischenzeit die beiden Silieren geweckt und Sotie trat zu Aurora und schüttelte sie sanft. Sam packte sein Schwert fester und näherte sich dem Fenster neben der Tür. Gorjak nickte ihm zu und der Junge spähte durch den Schlitz im Laden. Er spürte, wie der Toran hinter ihm durch die Schmiede schlich, wie Sotie Aurora zu Koshy an die Wand zog, so leise, dass er ihre Schritte nicht hören konnte. Sam sah auf und schüttelte den Kopf. Er konnte nichts sehen.
Wieder hörten sie ein Geräusch. Ein leises Scharren, dann ein Fluch. Gorjak runzelte überrascht die Stirn.
„Gorjak, mach die Tür auf!", zischte Ferdale und auf Sams Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Doch Gorjak hielt ihn zurück. Er hob das Schwert und zog leise den Riegel vor. Dann öffnete er einen Spalt.
Die Straße vor ihm war leer. Gorjak kniff die Augen zusammen und starrte in die Schatten. Da! Gegenüber bewegte sich etwas. Er packte seine Waffe fester. Doch dann trat Ferdale ins Mondlicht, huschte auf ihn zu und schob ihn direkt wieder in die Schmiede zurück. Er legte einen Finger auf die Lippen und schob die Tür hinter sich zu. Gorjak musterte ihn aufmerksam, während Ferdale Sam von seinem Platz am Fenster wegschob und selbst durch die Schlitze starrte. Minuten vergingen. Keiner sagte etwas. Dann schien Ferdale sich etwas zu entspannen.
DU LIEST GERADE
Die Raben des Königs
FantasyAric hat seine Aufgabe als Hauptmann der königlichen Leibgarde angetreten. Seine Männer eine unverbrüchliche Einheit aus Loyalität und tödlicher Präzision. Doch das Leben am Hofe lässt sich nur schwer mit seinem Wesen vereinbaren. Auch Taos kämpft...