Capítulo 22

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Buena medicina
(Gute Medizin)

Am frühen Morgen wache ich auf, wo meine müden Augen zuerst die schöne edle Decke erblicken und dann das Telefon aufsuchen. Ich beuge mich mühselig quer über das Bett bis ich die Kommode erreiche. Als ich keine neuen Anrufe auf dem hellen Bildschirm sehe, werfe ich mich leicht enttäuscht zurück ins Bett.
Ich werde versuchen nicht zu erwarten, dass er mich von nun an regelmäßig anruft.

Als ich nach weiterem Warten und leeren Blicken in die Luft nichts neues von ihm höre, raffe ich mich schleppend aus dem Bett. Dabei bleibe ich an der Bettkante sitzen und streiche gedankenverloren über den seidig weichen Bettbezug. Samuel ist nicht da. Und das für wie lange?
Ich bin ständig alleine aber jetzt zu wissen, dass ich vielleicht für etwas längere Zeit alleine sein werde, lässt mich ziemlich grübeln..

Ich werfe mich erneut auf das Bett und betrachte die Decke. Wie schön sie verziert ist. Wie edel sie aussieht, wie weit entfernt sie von mir ist und dennoch ist jedes Detail zu erkennen.
Die breiten Kronleuchter. Das riesige Bett indem ich mich vier mal drin wälzen könnte und trotzdem nicht herausfallen würde. Ich habe mich zu schnell an dieses Bett gewöhnt. Zu sehr an dieses Zimmer und an dieses Leben, dass ich nicht einen einzigen Gedanken an meine Stiefschwester und papá verschwendet habe. Ist das etwas gutes? Oder sollte ich mir sorgen darum machen dass ich mich hier wohler fühle als ich es jemals bei den beiden konnte? Selbst an mamá denke ich nicht mehr so wie ich es früher getan habe. Sie ist sicher traurig dass ich nicht mehr zu ihr spreche. Oder vielleicht lächelt sie zu mir herunter...

Ich seufze.
Ich schüttle meine Gedanken aus dem Kopf und zwinge mich auf meine zwei Beine.
Bevor ich mich zum Frühstückstisch begebe, mache ich mich im Bad etwas frisch.
Unten angekommen bemerke ich, dass es noch viel zu früh für das Frühstück ist. Kurz vor sechs ist es erst, verrät mir die tickende Uhr auf der Kommode im Speisesaal.
Also überrede ich Martilda ihr beim Abwasch zu helfen, das bedeutet ihr dabei zuzuschauen wie sie abwäscht, da sie mir niemals erlauben wird meine Finger ‚schmutzig' zu machen.
Selbst wenn ich nur die ungelesenen Magazine auf dem Wohnzimmertisch neu anordnen will, werde ich davor noch aufgehalten.
Vielmehr als zuschauen ist mir nicht erlaubt, denn hier gibt es nichts was nicht schon von irgendeinem Personal erledigt wird. Wenn ich frage >>Kann ich vielleicht die Blumen draußen gießen?<<, sagt sie: >Das wurde schon erledigt!<. Wenn ich frage >>kann ich Staubwischen? Den Boden oder die Regale?<<, sagt sie: >Siehst du hier irgendwo Staub, Kind?<
>>Kann ich dir beim Kochen helfen?<<
>Das Essen ist schon fast fertig!<
>>Den Tisch decken?<<
>schon dabei!<
>>Wäsche waschen?<<
>schon erledigt<
>>Wäsche bügeln?<<
>Schon erledigt!<
>>Wäsche falten?<<
>schon erledigt!<
Und auch nachdem ich hundert andere Sachen vorgeschlagen habe, hat sich ihre Antwort nicht geändert. Alles ist erledigt oder wird von jemanden erledigt.

Ich gebe mich natürlich von ihrer Sturheit irgendwann geschlagen also werfe ich mich unzufrieden auf das Sofa. Kann man vom Nichtstun sterben?

Nach langem herumliegen frage ich mich, ob ich Samuel nicht doch anrufen könnte, oder eine Sms schreiben sollte.
Ich will.
Aber das traue ich mich schlussendlich nicht. Vielleicht stört oder strapazio ihn das. Wenn er mit mir reden will, dann wird er sich selbst bei mir melden. Außerdem ist es noch nicht lange her, dass wir das letzte mal gesprochen haben.

Ich lege mich seitlich hin und starre auf das Telefon.

,,Sie sollten das melden, Martilda!", sagt plötzlich jemand besorgt. Ich richte mich hellhörig vom Sofa auf und schaue hinter mich.

,,Nein nein, das geht schon! Keinen Grund zur Sorge!", antwortet Martilda gestresst und schüttelt beim Gehen ihren Kopf, während eine Bedienstete ihren Arm halten will.
Ich stehe auf. ,,Ist alles okay bei dir?", frage ich sie erschrocken. So blass kenne ich sie garnicht. Sie schaut mich an und nickt dann lächelnd, wobei sie ihre Schmerzen nicht vertuschen kann. Sie quält sich.
,,Alenia, keinen Grund zur Sorge. Entschuldige bitte für die Unruhe, du kannst dich wieder hinlegen, Kind. Es ist alles gut."

AleniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt