Kapitel 16

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Piel
(Haut)

Ich stehe vom Bett auf.
Er beachtet mich wieder nicht und geht stattdessen direkt ins Bad.
Ich folge ihm langsam, schaue leicht in die offene Tür. Sein weißes Hemd hat kleine Blutflecken und ich zebreche mir nicht den Kopf darüber, von wem oder wieso sie drauf sind. Es geht mich nichts an und wahrscheinlich könnte ich die Wahrheit sowieso nicht verkraften.

Er geht an das Waschbecken, krämpelt sein Hemd an den Armen hoch und wäscht sich seine Hände.
Er schaut leicht in meine Richtung, was mich dazu auffordert endlich zu sprechen.
,,Kann ich kurz mit ihm reden?"

Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, was Samuel gesagt hat.
Dass Alonzo nicht nach Lucía, sondern nach ihrer Schwester, also mir gefragt hat. Was ist, wenn er mir etwas sagen will? Er weiß anscheinend, dass ich bei Samuel bin. Vielleicht ist meiner Schwester etwas passiert.. oder Papá, deswegen könnte er mich sprechen wollen.

Ich hatte vor, Samuel die ganze Wahrheit zu erzählen, weil er die ja ohne hin schon kennt, da bin ich mir sicher.
Aber das will ich erst tun, nachdem ich mit Alonzo gesprochen habe und ich weiß, wie es Papá und Lucía geht.
Vorher nicht.

,,Alonzo meine ich.. K- kann ich.. ihn sprechen?", stottere ich, als er sich zu mir umdreht und sein Kiefer anspannt.
Seine Augen sind irendwie dunkler geworden, als würde sich irgendwas in ihm aufbrauen.
Mein Herz fängt an zu rasen, als er langsame Schritte auf mich zu macht und mich dabei mit seinem Blick einfach nur atemlos.. und sprachlos macht. Ich entferne mich rückwärts von ihm. Ich weiß nicht, was er jetzt vor hat. Wieso tut er das immer?

Zu überlegen, ob im Raum irgendein Gegenstand ist, um mich im Zweifelsfall zu verteidigen, kommt mir nicht in den Sinn.
Ich hätte genug Zeit zu schreien oder zu schlagen, weil das alles wie in Zeitlupe geschieht.. Aber ich bin wie gelähmt.

Er kommt näher und ich gehe immer weiter nach hinten, bis ich mit dem Rücken an der Wand ankomme. Diese Situation hatte ich schonmal durchlebt..

Ich muss nach oben schauen, um seinem Blick standhalten zu können. Ich gebe nicht nach, weil ich weiß, was er gerade versucht. Er will mich einschüchtern.
Wir schauen uns beide in die Augen, als wäre es ein Duell. Nur bei mir riecht man wahrscheinlich die angst heraus. Bei ihm nicht.
Er steht mir viel zu nah. Ich spüre seinen Atem, die Wärme die er ausstrahlt. Und trotzdem wirkt er so kalt und distanziert.
Wenige Zentimeter sind jetzt zwischen uns und ich schaue verlegen zur Seite. Dabei versuche ich meine Atmung zu kontrollieren.

,,Schau mich an.", befielt er streng.

Mein Blick wandert langsam von seinem Hals, zu seinem Kinn.. zu seiner Nase.. bis zu seinen grauen Augen hoch.

Er legt seine Hände in seine Hosentasche und runzelt seine Stirn.
,,Wenn du mich noch einmal ansprichst, ohne dass ich es dir erlaube", fängt er an und beugt sich runter an mein Ohr, ,,Dann nehme ich dir alles weg, was du noch besitzt."
Er macht eine Pause, bevor er weiter spricht. ,,Alles", wiederholt er flüsternd, als wolle er etwas betonen. Dann richtet er sich wieder auf.

,,Es ist bemerkenswert, wie sehr du dich um Alonzo sorgst, anstatt nach deiner Familie zu fragen.", er nimmt eine Strähne und legt sie langsam hinter mein Ohr. ,,Aber das gleicht sich aus, denn auch die scheren sich einen Dreck um dich. Sie sind abgehauen und haben alles hinter sich gelassen, auch dich. Es ist ihnen egal, was mit dir passiert. Das war es schon die ganze Zeit."

Mein Herz bleibt stehen...
Und es zieht.

Ich schaue schnell wieder nach unten und verdecke meine glasigen Augen.

AleniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt