Kapitel 47

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Perdóname
(Vergib mir)

,,Zum Beispiel?", fragt er für meinen Geschmack viel zu... beleidigt. Er ist sauer. Weil er gemerkt hat, dass ich ihm etwas vormache?
Ich überlege verlegen. Darüber habe ich nicht genau nachgedacht. Ich habe nicht miteingeplant, dass er das genau wissen will.
,,I-ich weiß nicht..", antworte ich langsam. Wenn ich sage, dass ich alles tun würde, wird er sauer. Er ist ja schon jetzt so komisch.
Inzwischen bin ich einen Schritt von ihm zurückgegangen. Nicht absichtlich, eher unbewusst.

,,Du willst als Gegenleistung das Training weitermachen", sagt er. ,,Dabei war das Training nie beendet."
Ich schaue ihn fragend an, doch verstehe nach kurzem überlegen, was er damit meint. ,,Was glaubst du will ich erreichen, wenn ich dir solche Dinge an den Kopf werfe. Wie zum Beispiel, dass ich dich verkaufen will"
,,Also war es eine Lüge", sage ich offensichtlich verletzt, obwohl mir das schon bewusst ist. Zumindest hatte ich es gehofft und mich an diesen Gedanken geklammert, denn hätte er mich wirklich verkaufen wollen, dann wüsste ich nicht mehr weiter.
Er hat es mir gesagt, weil er sehen wollte, was ich dann tue. Und ich tue etwas, undzwar werde ich flüchten. Dabei denkt er, dass ich wie immer hilflos herumheule und alles über mich ergehen lasse. Das soll er auch denken.
,,Wenn du in dieser Welt überleben willst, dann darfst du dich nicht von soetwas zerstören lassen, Alenia. Das Leben ist dafür gemacht, dass wir kämpfen und stark bleiben. Aufgeben ist keine Option.", fängt er letztendlich sanft an.
,,Ich mag es nicht dich zu verletzen. Ich will dir nur beibringen endlich für dich selbst du kämpfen. Und dafür nehme ich in kauf, dass du mich für meine Entscheidungen hasst. Und du musst sie nicht verstehen. Aber wenn es hart auf hart kommt will ich, das du im stande bist den schlimmsten Krieg zu überleben. Das ist mir wichtiger als alles andere."

Blödsinn. Völliger blödsinn.

,,Bring.. bring es mir anders bei. Nicht so..", spreche ich stirnrunzelnd. ,,Nicht so..", sage ich letzteres und will an ihm vorbei, um raus zu gehen.

Wieso schmerzt es mir so?
Wieso tut es so weh, wenn Samuel mich so behandelt? Was in Gottes Namen erwarte ich denn überhaupt? Was erwarte ich? Er wird sich nicht ändern. Das wird er nie.

,,Was hat es dir jetzt gebracht? Habe ich mich toll verhalten, so wie du es wolltest?", bleibe ich doch vor ihm stehen und hebe wütend meine Hände in die Luft. ,,Oder hast du vor mich noch weitere male anzulügen und zu verarschen?"
Er sieht mich nur an, sagt nichts. Was soll er auch sagen.
,,Na los! Sag mir, was hat es mir gebracht? Außer dass ich dir jetzt nicht mehr in die Augen sehen kann. Weil ich bei jedem Blick in dein Gesicht befürchte, dass du mich wieder nur anlügst. Mir ein Märchen erzählst oder mich 'testen' willst. Verstehst du das nicht?", werde ich allmählich lauter.
Und während ich geduldig auf eine Antwort warte, fängt sein Telefon an zu klingeln. Er geht nicht ran, sondern ignoriert es zunächst. Wir schauen uns beide einfach nur an, doch das lasse ich mir nicht länger gefallen.
,,Lass mich durch.", verlange ich. Es scheint ihn nicht zu interessieren. Er versteht ja gar nicht, wieso ich das nicht ok finde.
Er reagiert nicht, verweigert mir Platz zu machen.
,,Lass mich durch, Samuel!", brülle ich ihn jetzt an.
Als er wieder nicht reagiert, schaltet sich jegliche Vernunft in mir aus. Ich versuche ihn mit aller Kraft zur Seite zu schieben, sodass ich das Bad verlassen kann. Doch auch nachdem ich mein ganzes Gewicht auf ihn angewendet habe, bewegt er sich keinen Zentimeter.
Pure Wut, aber vielmehr auch Verzweiflung bahnt sich in mir an. Ich fange an mit meinen Fäusten gegen seine Brust zu schlagen, weil ich befürchte, dass der Schmerz, die Trauer und die Enttäuschung meine Wut bald einholt und sie in den Schatten stellt. Ich darf jetzt nicht wieder kostbare Tränen verlieren, weil ich nichts außer Zorn verspüren sollte.
Wenn ich weiter auf ihn einschlage, dann kommt hoffentlich der ganze Groll, den ich gerade für einen Moment fast verloren hatte, wieder hoch. Vielleicht. Würde Samuel mich nicht aufhalten.
Er fängt meine Fäuste auf und zieht sich an mich ran.
,,Alenia."
Ich sollte jetzt soetwas sagen wie: 'Lass mich los', oder 'Fass mich nicht an.'
Aber das kann ich nicht. Ich kann nichts tun, weil ich selbst nichtmal verstehe, wieso ich mich so verhalte. Stattdessen atme ich schwer aus und ein. Er verkauft mich doch verdammt nochmal nicht, also wieso benehme ich mich so?
Ich versuche mich zunächst von seinem Griff zu befreien, doch lasse schnell nach. Es nützt ohnehin nichts.
,,Alenia.", sagt er ruhig. Unsere Blicke treffen sich und er spricht weiter. ,,Lo lamento." (Es tut mir leid)
Seine Arme schlingen sich um mich. Er zieht mich nah an sich ran.. und umarmt mich..
Erst erstarre ich, nicht verstehend, wieso er das tut. Doch nach... nach einer Weile.. lasse ich es zu. Meine Hände lege ich zunächst schützend zwischen uns. Sein warmer Atem in meiner Halsbeuge.. seine schützenden Arme und die Ehrlichkeit, die sich dahinter verbirgt.. es beruhigt mich. Es beruhigt mich tatsächlich..
Die Umarmung ist fest, trotzdem lässt er mir die Chance, mich von ihm zu befreien, wenn ich hiervon genug haben würde.
So habe ich zumindest das Gefühl.
Aber habe ich genug?
Irgendwie wünschte ich, er würde mich nicht mehr loslassen. Ich wünschte, ich könnte diese aufrichtige Wärme stundenlang erfahren. Seinen Duft länger einatmen und seinen Atem intensiver spüren.. Und am liebsten würde ich ihn bitten, meinen Namen nochmal zu sagen. Mit dieser rauen Stimme, die jeden anderen einschüchtern lässt. Und das hat es mich damals auch. Aber jetzt?
Während er nur seinen Kopf auf meinen absetzt und er mich zum Glück noch nicht loslässt, streicht er kurz über meine Haare.
,,Das war das letzt mal, ab jetzt keine Spielchen mehr, de acuerdo?" (einverstanden?), spricht er irgendwann.
Als ich nichts sage, nimmt er mein Gesicht in die Hand und sieht mich ernst an. ,,Keine Spielchen mehr.", verspricht er mir. Misstrauisch versuche ich eine erneute Lüge in seinen Augen zu finden. Etwas in mir drin will mich davon abhalten, ihm nochmal zu glauben.
Doch so naiv wie ich nunmal bin, nicke ich.
Er nickt kaum merklich auf meine Zustimmung ein, wird dann aber wieder von seinem klingelnden Telefon unterbrochen. Während er ungewollt den Anruf annimt, erinnere ich mich daran, dass ich immernoch dieses Telefon in meinem BH stecken habe. Er hätte es während der Umarmung spüren können, aber zum Glück habe ich noch meine Hände gehoben.

AleniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt