Kapitel 3

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Paciencia
(Geduld)

Ich öffne hektisch die Tür und betrete die Wohnung.

,,Was für eine verfickte Scheiße! Scheiß Ding!", brüllt Papá, während er verschwitzt auf den bereits demolierten Stuhl eintritt. Ich hasse es, wenn er schreit.
Mein Herz pumpt automatisch und ich fange an etwas unregelmäßig zu atmen.

Die ganze Wohung ist durcheinander. Die Möbel liegen quer auf dem Boden verteilt.

,,Aber Papá, was ist denn los?", versuche ich mit ihm zu reden. Er hat wohl wieder getrunken, aber diesmal mehr als sonst.

,,Geh auf dein Zimmer! Verpiss dich, los!", schreit er mich wie aus dem nichts an. ,,Los!'' Ich schrecke auf und bewege mich kommentarlos Richtung Zimmer, weil ich angst habe, dass er seine Wut wieder an mir auslässt. Ich bekomme fürchterliche angst, wenn ich an die Nächte zurück denke. Mein Körper fängt leicht an zu zittert.

Doch anstatt in mein Zimmer zu gehen, sehe ich nach Lucía. Sie muss sich sehr erschreckt haben.

,,Lucía, ist alles ok bei dir?", frage ich und gehe auf sie zu. Sie sitzt eingerollt auf ihrem Bett.

Ich schließe die Tür, setze mich zu ihr und lege meine Hand auf ihren Rücken. Sie wirkt abwesend.
Lucía mag es genauso wenig wie ich, wenn Papá sich nicht unter Kontrolle hat.

Er sollte auch eigentlich noch gar nicht Zuhause sein. Er wollte später als sonst kommen. Hatte Papá vielleicht Ärger auf der Arbeit?

,,Es wird alles wieder gut.", versuche ich sie und auch mich dabei zu beruhigen.

,,Nein, wird es nicht.", sagt sie leise.

,,Mehr als Hoffnung haben wir nicht. Also lass diese Hoffnung nicht fallen.", lächle ich sanft.

Sie lacht spöttisch. ,,Hoffnung? Ein Scheiß' Dreck. Papá hat Schulden wegen dir. Wir sind unglücklich wegen dir. Verstehst du es nicht?!", wird sie lauter.
Das musste ich mir schon oft genug anhören. Mein halbes Leben lang, seit Mamá starb. Und wenn sie es mir nicht direkt ins Gesicht sagen, dann lassen sie es mich durch Gesten spüren. Sie ignorieren mich zum Beispiel, als wäre ich eine Fremde.

,,Ich bin wohl gerade nicht erwünscht.", lächle ich aufmunternd und versuche den Schmerz runterzuschlucken.
Mamá war eine starke Frau. Sie wäre enttäuscht von mir, würde ich so einfach aufgeben.

"Du bist eine Kämpferin, Alenia!"
Bin ich das, Mamá?

,,Ja, du bist nicht erwünscht. Und das warst du noch nie. Stirb einfach, so wie deine Mutter.", sagt Lucía, als ich gerade ihr Zimmer verlasse und in mein eigenes gehe. Den Willen zu sterben habe ich oft genug. Ich frage mich dann, ob ich danach endlich sorgenfrei sein kann. Mit Mamá im Himmel wie früher lachen kann.

Mit Herzklopfen will ich schnell zu meinem Zimmer gehen, als mich Papá aufhält. ,,Hast du nicht gehört, was ich vorhin gesagt habe? Muss man dir alles tausend mal sagen? Bist du so dumm?", brüllt er, während er auf mich zukommt.

,,E-es tut mir leid. Ich.. ich wollte nur nach Lucía sch-". Er unterbricht mich mit einer kraftvollen Backpfeife. Mir wird etwas schwarz vor Augen und ich schaue mit glasigen Augen auf den Boden. Ich halte mit meiner Hand meine schmerzende Wange, versuche so gut es geht meine Tränen zurück zu halten.
,,Es tut mir leid, Papá..", sage ich mit zittriger Stimme.

Er kommt näher und packt mich aggressiv am Hals.

,,Geh auf dein verficktes Zimmer, wie dumm muss man sein das nicht zu verstehen?! Bis morgen Abend will ich dich nicht sehen, es kommen wichtige Geschäftsmänner! Und wenn du mir das versaust, wirst du dir noch wünschen nie geboren zu sein, das kann ich dir versprechen! Du machst ja wie gewöhnlich alles kaputt, was du nur ansiehst!", droht er mir. Dann lässt er los. Ich hole hektisch Luft und laufe schnell in mein Zimmer.

Außer mich in mein Bett legen, bietet mir mein Zimmer nicht viel.
Ich starre in die Decke und bete zu Gott. Auch wenn meine Gebete noch nie erhört wurden.
Was habe ich falsch gemacht? Womit habe ich das alles verdient?
Wieso hassen mich alle?
Mamá sagte doch immer, wer Gutes tut, der kriegt auch Gutes zurück. Tue ich denn nichts Gutes? Habe ich denn keinen Funken Glück verdient?

Eine kleine Träne entflieht mir, die ich dann sofort wegwische.
Ich atme tief durch.
So schnell darf ich mich nicht kleinkriegen lassen, ich muss stark bleiben.
Ich setze mich auf und greife unter mein Bett. Dort hole ich eine kleine Kiste heraus, inder ich mein ganzes erspartes Geld bewahre.
Dazu lege ich die hälfte des Geldes, dass mir heute mein Chef gegeben hat. Die andere hälfte gebe ich immer Papá.

Ich plane irgendwann mein eigenes Leben anzufangen, deswegen brauche ich noch etwas mehr Gedult.
Dieses Papier in dieser Kiste gibt mir die winzige Hoffnung, die ich noch besitze.

Ich lege die Kiste wieder unter mein Bett und werfe mich zurück ins Kissen.

Papá meckert immernoch vor sich hin, doch er hat sich im Vergleich zu vorhin beruhigt.
Ich muss bis morgen Abend in meinem Zimmer bleiben. Das kann heiter werden. Wer soll denn das Essen machen?
Aber zum Glück ist morgen mein freier Tag und ich muss nicht arbeiten. Ich hätte es sonst nicht übers Herz gebracht, den alten Herrn alleine arbeiten zu lassen.
Seine gemeinen Kommentare bringen mich immer zum lächeln.

Ich bin sehr dankbar und froh, dass er mich bei sich arbeiten lässt.
Die anderen Ladenbesitzer wollen kein junges Mädchen einstellen oder haben schon genug Angestellte.

Ich war sehr gut in der Schule und trotzdem muss ich im Supermarkt arbeiten, weil uns das Geld für eine Universität fehlt.

Aber das soll mich nicht hindern, mich weiterzubilden. Ich habe Bücher für verschiedene Themen, die ich täglich lese und versuche gründlich zu lernen. Auch jetzt suche ich mir ein Buch heraus und lese es.

Heute ist es Englisch. Englische Gedichte.

》,,Believing all the bad. The water turning red. Not knowing how to hold. Me falling down the road. The cars drive past, they're driving fast. No car stands still, no person ever will."《

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-poeticgirl01

AleniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt