Alenia

Kapitel 10

,,Dein Vater kann seine Schulden nicht begleichen, princesa."

Ich sehe ihn unsicher an. Was soll ich jetzt tun? Ist dieser Satz nicht schon die indirekte Vorbereitung auf meinen Tod? Wieso sonst würde er mir das ins Gesicht sagen?

,,Was sollen wir jetzt mit dir machen?", fragt er ernst. Seine dunkle Stimme bereitet mir pure Gänsehaut.

,,Was kannst du mir bieten?", schaut er mir durchdringend in die Augen,
,,Antworte, wenn ich mit dir rede."

,,Ich weiß es nicht.", sage ich leise und schaue auf meine bereits zitternden Hände. Eine Träne entflieht mir.
Egal was ich tue, es wird im Endeffekt über mich bestimmt. Seit Mamá gestorben ist, habe ich nie meine eigenen Entscheidungen getroffen.
Ich will kämpfen, schreien, fliehen, aus mir herauskommen und mir nichts gefallen lassen... über mich selbst bestimmen, meine eigenen Entscheidungen treffen. Aber ich habe mir angeeignet, alles über mich ergehen zu lassen. Nachzugeben, nicht nein zu sagen.
So war ich früher nicht.
Aber die Kraft, die ich damals besaß, die wurde mir genommen.

,,Also kann ich dich einfach umbringen, ja?"

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Rückblende

,,Meine Kleine. Schau mich an.", lächelt sie mich an und streichelt mir sanft über meine Wange. ,,Du darfst niemals aufgeben, versprich es mir. Egal wie oft du fällst. Sei stark, hörst du Alenia?"
,,Aber Lucio hat mich geärgert. Er sagt, er wird mich das nächste mal hauen, Mamá.. Ich will nicht mehr zur Schule!'', flenne ich und umarme sie fest.

,,Du darfst dich nicht verstecken, Kind. Schau ihm in die Augen und versuch ihn zu verstehen. Manche Augen sind mit Hass, andere mit Trauer gefüllt. Menschen sagen manchmal Dinge, ohne nachzudenken, einfach so. Das hat dann meist weniger mit dir zutun, sondern mehr mit der Person selbst. Naja.. und manchmal wollen sie mit ihren Worten etwas bestimmtes erreichen, etwas herausfinden, etwas bewirken."

,,Das...ist dumm. Will mich Lucio also doch nicht hauen? Das versteh ich nicht! Wieso sind Menschen so kompliziert, Mamá?"

,,Ach.. Wir gehen zu Lucio und versuchen ihn zu verstehen, ok?
Und wenn du groß bist, wirst du es selbst beurteilen können. Aber Augen Lügen nicht.", nimmt sie mich aufmunternd an die Hand.

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,,Was bringt es Ihnen?", schaue ich langsam hoch in sein Gesicht.
,,Was es mir bringen soll?", fragt er mit einem spöttischen Unterton. ,,Was soll es mir bringen, dich am Leben zu lassen? Das hier zu enden, würde mich von noch mehr Stress erlösen. Du bist für mich nicht mehr nützlich."
Ich versuche seine Augen zu lesen. Aber sie sind leer. Kalt. Undurchschaubar. Er sagt, was er meint und er tut, was er will. Er macht sowas wahrscheinlich täglich, Menschen töten. Egal ob schuldig oder nicht.

,,Worauf warten Sie dann noch? Mein Herz hat sowieso schon längst aufgehört zu schlagen", blicke ich fast schon benommen auf meine Fingerspitzen.
Es tut mir leid, dass ich nicht so stark wie du bin, Mamá. Aber ich bin für diese Welt nicht geschaffen.
Ich habe doch niemanden mehr, also wieso soll ich weiter leben?

Aufeinmal klingelt ein Telefon.
Er legt sich den Hörer an sein Ohr. ,,Was.", sagt er stumm.

,,Ja. Ich komme."

Er steckt sein Handy in die Hosentasche und bleibt wenige Sekunden noch vor mir stehen, bevor er sich umdreht und raus geht.
Die Tür wird verschlossen und das Licht, das mir im Flur bisher jegliche Sicht geboten hat, wird ausgeschaltet. Selbst Ricardo, der sonst immer vor der Tür stehen blieb, ist gegangen.