Kapitel 4

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Traición
(Verrat)

Seit mehreren Stunden bin ich wach.
Ich konnte schlecht schlafen.

Papá war bis jetzt noch nicht in meinem Zimmer und er hätte schon längst hereinkommen sollen.
Meinte er das wirklich ernst, dass ich bis heute Abend in meinem Zimmer bleiben soll? Ich fühle mich wie ein Kleinkind, das Hausarrest bekommt.
Aber lieber gehorche ich, anstatt das Papá mich wieder verletzt oder mir mein Geld wegnimmt. Das ist nämlich schonmal passiert, als er jemandem Geld geschuldet hat und dieser dann verärgert vor der Tür stand.

Ich stehe auf und greife nach meinem alten Tastenhandy. Mit der Kamera versuche ich meine Platzwunde auf meiner Lippe zu begutachten. Mein ganzes Gesicht schmerzt.
In der Kamera sehe ich, dass meine Wange angeschwollen ist und kleine Blutergüsse an meinem Hals enstanden sind. Meine Haut ist leider sehr empfindlich.

Ich schaue auf die Uhr.

11:54h

Plötzlich höre ich unsere Haustür klingeln. Die Gäste, von denen mein Vater gestern sprach, sind jetzt bestimmt da. Ich höre wie Papá an die Tür geht.
Mehrere Leute betreten unsere kleine Wohnung. Ich bleibe auf meinem Bett sitzen und warte geduldig. So lange wird das nicht dauern..
Anbei überlege ich, was ich heute Abend zu Essen machen könnte. Weil ich heute nicht einkaufen war, haben wir wahrscheinlich nicht genügend Lebensmittel..
,,Es tut mir so leid, ich werde alles zurückzahlen!", höre ich meinen Papá. Seine Stimme klingt nicht wie sonst.
Dann höre ich gerümpel. Mein Herz rast und ich stehe auf, um an der Tür zu lauschen.
,,Was mach ich jetzt mit jemanden, der seine Schulden nicht zurückzahlen kann?", höre ich einen anderen Mann sagen. Er hört sich sehr finster an.
Wieder höre ich laute Geräusche, als würde man Papa versuchen festzuhalten. Dann hört es sich so an, als würde man ihn schlagen.

,,Bitte, es tut mir doch so leid! Ich werde es Ihnen sofort zurückzahlen, bitte geben Sie mir nur noch etwas mehr Zeit!", fleht mein Papá wohl diesen Mann an, nachdem er tief Luft holt.

,,Boss. Er meinte doch er hat eine Tochter.", sagt nun ein anderer Mann.
,,Gut. Durchsucht die Zimmer."

,,Nein! Nein señor! Nicht meine Tochter, sie ist mein ein und alles! Ich bitte Sie!", schreit Papá.
Und mit seinem Schrei, setzt mein Herz aus. Das passiert doch nicht gerade wirklich. Wie in Trance gehe ich rückwärts von der Tür weg. Dabei stoße ich gegen ein paar Kisten, die dann runter fallen. Ich erschrecke mich und halte reflexartig meine Hände auf den Mund. Ich bete zu Gott, dass mich niemand gehört hat. Ich traue mich nicht, mich zu bewegen.
Tränen fließen langsam meine Wange herunter. Ich höre keine Geräusche mehr. Als wäre ich plötzlich die einzige im Haus.

,,Da ist jemand.", sagt ein Mann vor meiner Zimmertür, bevor er diese ruckartig öffnet. Ich kann mich nirgendwo verstecken oder weglaufen. Ich bin geliefert. Ich atme hektisch, als der Mann mein Handgelenk greift und mich rauszerrt. ,,Lassen Sie mich los!", versuche ich so laut wie möglich von mir zu geben.
Der Mann wird grober und zieht mich zu unserem Wohnzimmer, wo auch papá ist. Er wird von zwei Männern auf seine Knie gezwungen.
,,Nicht meine Tochter!", weint er und starrt auf den Boden. Er hat bis jetzt noch nicht zu mir hoch geschaut, doch ich sehe wie Blut entlang seinem Kopf auf den Boden tropft.

Vor Papá sitzt ein Mann auf einen unserer Stühle. Um ihn herum stehen sechs Männer. Alle tragen schwarze Anzüge.

Der Mann hinter mir hat mich fest im Griff.
,,Ist das deine hübsche Tochter? Lucía, nicht wahr?", sagt jetzt der Mann, der auf dem Stuhl sitzt. Er sieht sehr angsteinflößend aus.

Papá sieht zur mir und schaut mir bevor er etwas sagt lange in die Augen. ,,Ja. Das ist Lucía.", antwortet er und schaut wieder auf den Boden. Als würde er erleichtert sein, dass ich hier gerade stehe und nicht seine leibliche Tochter. Meine Welt zerbricht bei seiner Antwort. Bin ich ihm denn garnichts Wert? Ist es ihm denn egal, was dieser Mann nun mit mir machen wird? Ich wurde schon so oft verletzt, aber heute ist mein Herz nun wirklich in zwei Teile gerissen.

,,Boss, hier ist noch ein Mädchen", sagt ein Mann, der Lucía gerade aus ihrem Zimmer zerrt. Sie weint und schreit schrecklich, als sie zu uns gezerrt wird.

,,Wer ist denn das?", sagt der sitzende Mann und lehnt sich zurück. Er spricht mit meinem Vater, der jetzt sichtlich Panik bekommt. Er hatte gehofft, dass Lucía nicht entdeckt wird.

,,Die Tochter meiner Frau, die vor 9 Jahren gestorben ist. Alenia.", lügt Papá dreist. Er hat riesige angst vor diesem Mann, welcher sein Boss zu scheinen ist, was ich auch verstehen kann. Aber besitzt er denn kein bisschen Würde?

,,Alenia. Ein schöner Name. Ist das dein Name?", sagt er und schaut Lucía tief in die Augen. Sie weint immernoch sehr.
Sie schaut zu ihm hoch und zögert.
,,Ja, ich..ich bin Alenia.", lügt auch sie.
,,Bitte lassen Sie mich gehen, er ist doch nur mein Stiefvater!", sagt sie jetzt.

,,Wieso hast du denn nie etwas über deine Stieftochter erzählt?"

,,Weil ich sie nicht als meine Tochter sehe, Señor.", antwortet Papá.

,,Naja. Deine Stieftochter interessiert mich nicht besonders.", sagt er dann.

Das ist mein Ende. Die Personen, die ich als meine Familie bezeichnet habe, fallen mir so kalt in den Rücken. Sie lügen und verraten mich und ich habe keine Kraft, um etwas zu unternehmen. Es wird mir niemand glauben. Es wird mich niemand retten.

,,Darf ich denn deine Tochter mitnehmen, Mein Freund?", lehnt sich der Mann auf dem Stuhl vor.

Ich schaue zu Papá und hoffe, dass er mich nicht einfach so fallen lässt. Ich hoffe, dass er uns nicht für seine Schulden büßen lässt.
Dieser Mann vor uns ist unglaublich gefährlich, das merkt jeder Blinde. Er strahlt pure Dominanz aus und seine Stimme ist tief und einschüchternd.

Papá nickt langsam. ,,Gut. Lucía, morgen Mittag wird ein schwarzes Auto auf dich warten. Du steigst dort ein.", schaut er mir kalt in die Augen.

Meine Arme fühlen sich bereits taub an. Der Mann hinter mir ist sehr aggressiv, obwohl ich mich nicht wehre. Lucía weint und schreit immernoch laut, doch sie haben ihr bereits den Mund zugehalten.

,,Antworte gefälligst, wenn man mit dir redet!", sagt der sitzende Mann nun etwas lauter.

Ich reiße mich zusammen und nicke.
,,Ich hab verstanden. Nur tun Sie Papá und.. und Alenia nichts..", sage ich und deute auf meine Stiefschwester, die mich kurz davor noch verraten hat.

,,Jeder Fluchtversuch ist aussichtslos. Zur Aufsicht sind überall Männer positioniert. Eine falsche Entscheidung kann zum direkten Tot führen. Lucía Salvatore wird ab morgen in Gewahrsam genommen, bis Fresco Salvatore seine kompletten Schulden beglichen hat.", sagt ein anderer Mann und starrt star geradeaus.

,,Das wars für heute. Mein Freund, du kannst von Glück reden, dass du noch Töchter hast. Du würdest sonst nicht mehr leben.", sagt er als er bei Papá vorbeiläuft.

,,Vielen Dank, Señor. Ich werde meine Schulden schnell begleichen!", sagt mein Vater.

,,Ich kriege hier drin Platzangst.", sagt der letzteres und verschwindet nach draußen. Seine Männer lassen uns los und folgen ihm raus.
Papá und Lucía sacken auf den Boden ein. Ich bin mit Tränen in den Augen noch wie erstarrt. Ich wurde soeben verkauft. Verkauft von dem Mann, den ich Papa nenne. 

Bis Papá seine Schulden begleicht?

Seit ich ihn kenne, hat er Schulden, die er noch nie begleichen konnte...

Lieber Gott. Habe ich denn kein Glück in meinem Leben verdient? Wieso werde ich immer bestraft? Wieso?
Was habe ich getan?

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-poeticgirl01

AleniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt