Friendship

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Als ich aufwachte hatte ich das Gefühl von einem Zug überrollt worden zu sein. Mein Gehirn hämmerte an meine Schädeldecke und das Bett drehte sich im Kreis. Stöhnend drehte ich mich auf die Seite und weigerte mich die Augen zu öffnen. Ein vertrauter Duft lag in den Laken und meine Hand tastete nach dem warmen Körper, der dicht neben mir lag. Ich rückte etwas näher und legte meinen Kopf an die Schulter, die mich magnetisch anzog. Würde das Karussell jetzt anhalten und die Kopfschmerzen aufhören, wäre das ein perfekter Aufwachmoment. Es war warm. Es war gemütlich und ruhig. Vorsichtig blinzelte ich in das Halbdunkel des Raumes und hob verwirrt den Kopf, als ich Alex neben mir erkannte. Ich sah mich um. Das war sein Schlafzimmer. Vorsichtig drehte ich mich auf den Rücken und fixierte die Decke, in der Hoffnung es würde endlich aufhören sich zu drehen.
Ich versuchte den Abend zu rekonstruieren. Jack Daniels, Tequila, Plattensammlung, Alex' Trennungsgeschichte, Jack Daniels, Jack Daniels, Tequila, The Doors, Tequila, Billard, Aerosmith, Jack Daniels, Billardtisch, Alex....OH Gott!!!!
Hektisch richtete ich mich ein Stück auf und musste nicht unter die Decke sehen, um zu kontrollieren, ob ich noch Klamotten trug. Ich zog die Decke hoch und klemmte sie unter meine Arme. Vorsichtig sah ich zur Seite. Scheiße!
Alex lag auf dem Rücken und schlief. Sein Arm lag hinter meinem Rücken, die andere Hand auf seinem Bauch. Die Decke ging ihm nur bis zum Bauchnabel und auch hier musste ich nicht nachsehen, ob er noch Shorts trug. Ich wusste ganz genau, dass unsere Klamotten im Wohnzimmer lagen. Neben dem Billardtisch.
„Fuck." Schimpfte ich leise. Vorsichtig rutschte ich wieder am Kopfteil runter und legte mich auf die Seite. Ich erinnerte mich an den Kuss. Alex hatte ihn nur zögerlich erwidert, hatte mich zur Vernunft bringen wollen und mich dann gewarnt. Aber er war auch nicht geflüchtet. Ich hatte förmlich darum gebettelt, dass er aufgab, hatte ihn ständig berührt und letztendlich hatte er aufgegeben. Ich konnte es ihm nicht mal übel nehmen, hatte ich mich ja förmlich angeboten und seine schwache Situation ausgenutzt.
„Wenn wir das tun, gibt es kein Zurück mehr." Hörte ich seine Stimme in meinem brummenden Schädel.
Danach hatte er mich geküsst. Leidenschaftlich. Und ich hatte es genossen. Ich hatte gewonnen. Er gab auf. Das hatte sich angefühlt wie ein Höhenflug. Mein Ego hatte Hunger. Großen Hunger und es verschlang alles, was in seine Nähe kam. Auch Alex. Das Ego, dem Helsinki die Luft abgezapft hatte.
Ich hatte ihn dichter gezogen, als er mich küsste und die Küsse hatten verdammt gut geschmeckt. Nach mehr. Nach viel mehr. Ich hatte mir das Shirt über den Kopf gezogen und Alex hat nicht lange gefackelt. Seine Hände waren überall. Er hatte mich auf den Tisch gedrückt und seine Lippen hatten jeden Zentimeter meiner Haut abgesucht. Hätte man vielleicht erwartet, dass sowas irgendwie krampfig ablief, wenn man schon so lange befreundet war und sich so gut kannte, wurde ich eines Besseren belehrt. Alex war leidenschaftlich, hemmungslos und fordernd. Schamlos hatte er mir schmutzige Sachen ins Ohr geflüstert und es hatte mich wahnsinnig angemacht. Ich hatte meine Schuhe weggekickt und ihm das Shirt ausgezogen. Wie er es schaffte neben der Arbeit so verbissen zu trainieren war mir schleierhaft. Etwas verschämt sah ich auf das gut definierte Sixpack unter seinen Tattoos, dass neben mir lag und sich gleichmäßig hob und senkte, während er schlief. Sein Körper hatte mich rasend gemacht und ungeduldig hatte ich an seinem Gürtel gezerrt, während er mir die engen Jeans von den Beinen gepellt hatte. Immer wieder tauchten die vielen Bilder vor meinen Augen auf, die auf seinen gesamten Oberkörper und seine Unterschenkel gemalt waren. Engel, Bowlingkugeln, Würfel, ein Löwe, ein Adler, Sterne, Schriftzüge. „Los Angeles" stand in verschnörkelten Buchstaben auf seiner Brust. Drumherum waren viele einzelne Elemente gestochen, die aber irgendwie ein Ganzes waren. „Love", „Trust", „Family", „Chris", sein Bruder. Immer wieder tauchten einzelne Wörter in dem Gemälde auf, das sich auch über seinen gesamten Rücken zog. Alex war ein wandelndes Kunstwerk aus Muskeln und Farbe. Er trug ein Nippelpiercing, das wusste ich. Hunderte Male hatte ich ihn in Badeshorts gesehen, aber als ich meine Hand in seine Hose schob, hatte ich kurz überlegt, ob mich noch andere metallische Überraschungen erwarten würden. Dem war nicht so gewesen.
„Das ist das Dümmste, was ich jemals getan habe." Hatte er geflüstert. „Aber es ist mir gerade scheißegal."
Ich hatte gelacht, aber sofort hatte er jeden Ton in einem weiteren leidenschaftlichen Kuss erstickt und meinen BH geöffnet. Seine Hände hatten sich grob um meine Brüste geschlossen und er hatte meinen Hals geküsst. Er war nicht gerade zimperlich mit mir gewesen und das war okay. Ich hatte ihn an den Haaren gezogen, um ihn dahin zu schieben, wo ich es wollte, hatte über seinen Rücken gekratzt und meine Hände in seine Shorts geschoben und mich in seinen Hintern gekrallt. Alex hatte mich ein Stück zurückgeschoben und sich hingehockt, meine Schuhe aufgesammelt und sie mit einem schmutzigen Grinsen wieder über meine Füße gestreift. Das nächste woran ich mich erinnerte, war, dass wir Sex auf dem Billardtisch hatten. Laut, animalisch, schmutzig und so dumm. Irgendwann hatte er unter meinen Po gegriffen und mich ins Schlafzimmer geschleppt. Dort hatte er das Tempo rausgenommen, war zärtlicher geworden, ruhiger, hatte mich angesehen, mich gestreichelt. Ich wollte keine Liebe, keine emotionale Nähe, ich wollte Sex. Mehr nicht. Ich hatte ein Bein um seine Hüfte geschlungen und ihn auf den Rücken gedreht, bis er irgendwann stöhnend unter mir gekommen war, sich in meine Hüften gekrallt und mich mitgerissen hatte.
Eine Weile hatten wir wir stumm nebeneinander gelegen. Alex war kein abgestumpfter Klotz. Er wusste, dass das hier wahrscheinlich sowas wie ein Mitleidsfick war und niemals stattgefunden hätte, wäre es uns nicht beiden schlecht gegangen. Eine weitere Sache, in der wir uns ähnlich waren. Wir hatten unsere Egos aufpoliert. Auf die dümmste erdenkliche Art und Weise.
„Das war verdammt dämlich." Hatte er noch gemurmelt, als er meinen Rücken gestreichelt und eingeschlafen war. Ich war kurz darauf auch in einen komatösen Schlaf gefallen und nun saß ich hier und wusste nicht, was ich tun sollte.
Ich hätte das nicht tun dürfen. Niemals. Ich war das Risiko eingegangen hier auch alles zu zerstören, nur um mich besser zu fühlen. Das tat ich jetzt nicht. Es machte die Sache nur noch schlimmer. Was geschah, wenn er aufwachte?
Ich kletterte vorsichtig aus dem Bett, sammelte meine Heels ein, die auf dem Boden lagen und ging ins Wohnzimmer. Im Haus brannte überall Licht, der Plattenspieler schnarrte vor sich hin. Überall lagen unsere Klamotten, unsere Gläser standen rum und der Boden vor dem Regal war mit Platten übersät. Ich sammelte meine Kleidung ein und zog mich an. Immer noch drehte sich alles und ich griff nach einem Glas und schenkte Wasser ein, das ich in einem Zug austrank. Ich war gerade dabei meine Jeans zuzuknöpfen, als Alex stöhnend in Boxershorts aus dem Schlafzimmer kam und sich an der Wand abstützte.
„Wo willst du hin?" ,grummelte er und stützte sich an der Wand ab.
„Nach Hause. Duschen, umziehen. Bleib liegen. Ich fahr ins Studio."
„Brauchst du nicht. Ich hab den Mix gestern schon abgeschickt."
Ich zog mir mein Shirt über und stieg in meine Schuhe.
„Krieg ich ne Antwort?"
„Auf was?"
„Wo du hinwillst. Keiner von uns muss heute ins Studio."
„Nach Hause. Sagte ich doch."
„Meinst du das ist ein guter Plan, wenn du jetzt einfach abhaust? Sollten wir vielleicht mal reden?"
„Worüber?"
„Jetzt stell dich nicht dumm, Sophia."
Er ging an mir vorbei, nahm sich auch ein Glas Wasser und lehnte sich an den Küchentresen.
„Was gibt's da noch zu reden. Das hätte nicht passieren dürfen."
Er schnaufte und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich will mich hier nicht von Schuld freisprechen und bin mit Sicherheit kein Heiliger, aber die Nummer ist auch nicht auf meinem Mist gewachsen."
„Es tut mir leid okay? Ich bin nicht ganz bei mir. Ich muss da erstmal drüber nachdenken. Ich meld mich morgen."
Ich griff nach meiner Handtasche und ging Richtung Tür. Gerade hatte ich die Haustür ein Stück geöffnet, als Alex Arm über meine Schulter schoss und sie wieder zuknallte.
„Du gehst jetzt nicht."
„Alex bitte."
„Hör auf mit dem Scheiß. Wir haben hier ein paar Dinge zu regeln und du fährst jetzt mit Sicherheit kein Auto, meine Liebe." Fuhr er mich an. „ Deinen Zickenkram kannst du mit irgendwelchen Mädels abziehen. Das zieht bei mir nicht. Das weißt du. Wir reden jetzt. Setz dich mit deinem süßen Arsch an den Esstisch. Ich mache Früstück"
Ich schnaufte und ließ den Kopf hängen. Er machte keine Anstalten die Hand von der Tür zu nehmen und ich drehte mich genervt zu ihm um.
„Kaffee?", fragte er und wartete, bis ich vor ihm zurück in den Wohnbereich ging.
Ich ließ mich aufs Sofa fallen und schloss die Augen.
Mein Kopf hämmerte noch immer und war mir so gar nicht danach jetzt Probleme zu wälzen. Als hätte er es gewusst, streckte Alex mir eine Kopfschmerztablette und ein Glas Wasser entgegen.
„Hier. Trink! Was willst du Frühstücken?"
„Ich kann noch nicht essen."
„Oh doch. Das kannst du."
Mit den Worten verschwand er wieder hinter dem Küchentresen und plünderte den Kühlschrank.

„Frühstück ist fertig." Hörte ich ihn nach einer Weile brummen und ich erhob mich stöhnend vom Sofa. Meinem Kopf ging es zwar besser, aber mir selbst nicht. Ich tapste barfuß zum Esstisch rüber, setzte mich im Schneidersitz auf einen der großen Lederstühle und stütze meinen Kopf auf meine Hände. Vor mir stand ein großer Teller mit Obst, Rührei und Pancakes. Alex stellte 2 volle Kaffeebacher auf den Tisch und nahm mir gegenüber Platz.
Ich sah ihn ernst an und er lehnte sich im Stuhl zurück und nahm einen Schluck Kaffee.
„Dir geht's nicht wirklich besser oder?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Gestern Abend hab ich echt gedacht es würde bergauf gehen, aber dass dem nicht so ist, haben wir wohl beide gemerkt."
Ich stocherte in der Ananas rum und sah auf meinen Teller.
„Das war ganz große Scheiße, die wir da gemacht haben."
Ich seufzte.
„Ich weiß."
„Aber das ändert jetzt absolut nichts. Das wird nicht wieder passieren und egal wie beschissen es dir geht oder wie angeknackst ich auch zur Zeit selbst bin... wir haben einen Job und eine Freundschaft und die haben wir gestern aufs Spiel gesetzt. Ich hab keinen Bock auf Stress im Studio oder zwischen uns. Ich kann mir nicht mal erklären, was da in uns gefahren ist."
Er fuhr sich durch die Haare und ließ den Kopf in den Nacken fallen.
„Es ist nicht deine Schuld gewesen."
„Natürlich ist das auch meine Schuld, ich hab irgendwann zwischen deinen Fummeleien vergessen mit dem Kopf zu denken. Das war Mist, aber das lässt sich jetzt nicht rückgängig machen."
„Ich hab da eine Schwelle überschritten."
„Ja, das hast du."
Wieder starrte ich auf die Ananas.
„Ich weiß auch nicht." Stammelte ich leise. „Ich glaub ich wollte einfach nur etwas fühlen. Alles ist dumpf. Ich fühle gar nichts, außer, dass er mir noch beschissener geht als die Tage zuvor. Mir ist einfach alles scheißegal."
„Das hier sollte dir nicht egal sein." meinte er und deutete mit dem Finger zwischen uns hin und her.
„Das weiß ich. Was soll ich denn machen? Ich kann ja keinen Knopf drücken und alles ist wieder gut. Ich brauche Zeit. Irgendwann wird es aufhören. Hat es ja schon mal."
„Ich bin mir da gar nicht mehr so sicher, dass das jemals wirklich aufgehört hat. Du hast es vielleicht vergessen, weil du Abstand hattest, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich dich jemals wieder so gesehen habe, wie damals mit Samu. Das die Nummer mit Lucas nicht lange gutgehen würde, wusste ich damals schon. Das war irgendwie anders. Ein Trostpflaster vielleicht? Keine Ahnung. Ist ja auch egal, aber so wie jetzt hast du dich damals nicht aufgeführt."
Alex schob sich ein Stück Pancake in den Mund, lehnte sich ein wenig über den Tisch und sah mich ernst an.
„Wird dir mal im Klaren darüber, was du eigentlich willst. Du willst nicht aus LA weg, dann gehst du doch. Du willst nicht in Helsinki sein, aber hier auch nicht. Du machst mir nicht den Eindruck, als wärst du wieder nach Hause gekommen. Du sitzt zwar hier an meinem Tisch, aber dein Kopf ist nicht hier. Nicht mal auf diesem Kontinent."
„Ich kann nicht zurück nach Finnland."
„Warum nicht? Weil Samu da ist? Gehört ihm das Land? Ist er der verschissene König von Helsinki?"
„Die haben keine Monarchie."
„Von mir aus der Bundeskanzler. Ist mir Banane. Fakt ist, dass du hier gerade nicht hingehörst. Du hast da noch ein paar offene Rechnungen und solange die nicht beglichen sind, kann ich mit dir hier nichts anfangen. Du kannst nicht nur rumheulen und warten, bis es besser wird. Ich verrate dir nämlich was: Solange du das nicht aus der Welt geschafft hast, wird es das nicht. Du willst Antworten? Hol sie dir. Du bist ja sonst auch nicht so nachgiebig, wenn du etwas willst. Das wusste ich zwar schon vor gestern Abend, aber jetzt ist mir das noch etwas klarer als vorher."
„Wie stellst du dir das vor? Ich fliege zurück und klopfe an seine Haustür?"
„Wenn ich mich richtig besinne, hast du da drüben ein paar Verpflichtungen."
„Die dann wären?"
„Das Studio?"
„Da haben wir doch schon drüber gesprochen. Ich lasse die Sachen herbringen und den Laden verkaufe ich wieder."
„Und das ich mich darauf eingestellt habe, dass wir ab dem Sommer parallel arbeiten tut nichts zur Sache?"
„Du hast gesagt es ist zeitlich kein Problem und wir können den Plan trotzdem einhalten."
„Ich verrate dir noch etwas." Er beugte sich wieder über den Tisch und sah mich durchdringend an. „Samu weiß das nicht."
Wieder schob er sich ein Stück Pancake in den Mund und spülte mit Kaffee nach.
„Du hast die beste Ausrede der Welt dort zu sein. Du sagst du denkst er will dich da nicht haben und es gäbe keinen Grund für dich zu bleiben. Den gibt es: Deinen verfluchten Job."
„Alex, ich kann nicht mehr zurück."
„Sophia, was willst du? Hierbleiben und schmollen oder einen sauberen Strich unter die Beziehung führen?"
Ich seufzte und ließ mich an die Lehne fallen. Ich biss mir auf die Lippe und kämpfte mit den Tränen.
„Weder noch." Schluchzte ich.
„Ich weiß." Meinte er und trank noch einen Schluck Kaffee. „Du willst nicht nur Antworten. Du willst was ganz anderes. So um die 1,90, blond, ganz gut gebaut, ein wenig verplant und sehr redselig."
Ich wischte mir eine Träne von der Wange und nickte.
„Ich dachte wir würden uns im Kreis drehen und nicht guttun. Das wir immer wieder aneinander geraten würden. Wahrscheinlich ist es auch so. Keine Ahnung. Immer wieder erklärte mir jemand, dass wir Gift füreinander sind und irgendwann fing ich an das zu glauben. Als dieser Streit das eskalierte und Samu mir sagte ich solle gehen, war die Flucht hierher mein einziger Ausweg."
Alex sah mich aufmerksam an und stopfte sich ein Stück Ananas in den Mund.
„Als ich am letzten Tag ins Haus kam und er schon weg war, stand da eine Kiste für mich. Samu hat sie im Heimstudio für mich hinterlassen."
Er zog sie Augenbrauen hoch und lehnte sich wieder zurück.
„Was war drin?"
„Ich weiß es nicht. Ich hab sie nicht aufgemacht."
Alex ließ die Gabel auf den Teller fallen und schüttelte schnaufend den Kopf.
„Oh Sophia, das ist genauso bescheuert wie damals, als du ihm das Flugticket zurückgeschickt hast."
„Ich weiß. Ich dachte, dass der Inhalt dieser Box unsere Probleme nicht lösen würde. Das hätte sie wahrscheinlich auch nicht, aber ich denke jetzt, dass...." Ich schluchzte und wischte mir noch eine Träne weg.
„Das er dich aufhalten wollte."
Ich nickte.
„Ja und ich hab's ignoriert."
„Du bist so bescheuert, Mädchen. Du kennst ihn doch. Er hat das schon mal gemacht und trittst ihm wieder in die Eier."
„Ich dachte, dass das, was passiert ist immer zwischen uns stehen würde und wir immer wieder am selben Punkt ankommen würde. Egal was darin war. Es hätte nicht geändert. Ich war verletzt, dass er mich rauswarf und ich musste ja irgendwo hin."
„Und dann fliegst du ausgerechnet hierher? Nach LA? Du schenkst seiner Nachricht keinerlei Beachtung und fliegst dann an den Ort, von dem er eh die Meinung hatte, dass du nichts anderes willst, als wieder zurückzukehren und bekräftigst ihm am Ende nur noch in seinem Zweifel? Oh Scheiße, ey. Also bis zu dem Punkt, bis zu dem ich die Story bis jetzt kannte, hätte ich noch gesagt ihr habt es beide verbockt, aber den Todesstoß, hast du euch versetzt."
Verzweifelt schluchzte ich auf und ließ den Kopf hängen. Alex seufzte und stand vom Stuhl auf, kam zu mir rüber, hockte sich neben mich und nahm meine Hände.
„Komm, hör auch zu heulen. Du weißt, dass ich das nicht leiden kann."
Ich beugte mich zu ihm runter und schlang die Arme um seinen Hals.
„Es tut mir so leid. Ich hab alles kaputtgemacht und jetzt mache ich hier weiter."
„Ist schon okay. Ich glaube du hattest keinen Sex mit dir selbst. Ich bin auch ein Idiot. Ich hätte es besser wissen müssen. Hätte ich auch, wenn ich nicht ab und zu mit meinem Schwanz denken würde und gerade selbst nicht so ganz auf der Höhe bin. Einigen wir uns einfach darauf, dass wir beide Arschlöcher sind."
Ich musste lachen und löste mich von ihm. Alex wischte mir eine Träne aus dem Gesicht.
„Iss auf und leg dich hin! Ich räum noch auf und hau mich auch nochmal aufs Ohr."
Ich gehorchte, nahm die Decke von der Armlehne des Sofas, zog sie über mich und ließ mich in die Polster fallen. Alex wühlte eine Weile rum und kurz nachdem ich eingeschlafen war, wachte ich wieder auf, als er vor dem Sofa stand und brummte: „Rück mal n Stück."
Ich robbte weiter an die Rückenlehne und machte ihm Platz. Er kuschelte sich an mich und legte seinen Arm um meinen Bauch.
„Ist alles okay bei uns?" murmelte ich.
„Sonst wäre ich sicher nicht hier."
Kurz darauf schliefen wir beide ein.

Als ich Stunden später wieder aufwachte, kam Alex gerade aus dem Büro und hielt mir einen Zettel entgegen.
„Was ist das?"
„Sieh selbst."
Ich setzte mich auf und faltete das Papier auf.
Los Angeles – London – Helsinki. Buchungsbestätigung.
„One way." Meinte er.
„Alex, ich kann das nicht."
„Das ist noch nicht alles."
Er hielt mir einen weiteren Zettel hin.
„Alex was wird das?"
„Lies!"
Ich überflog die ersten Zeilen und stutze.
„Ein Auflösungsvertrag?"
„Ich überweise dir deine Anteile des Studios. Die Rechte an den Songs behälst du, aber der Rest gehört mir. Ich habe es gekauft und aufgebaut. Du warst nie wirklich rechtmäßiger Teilhaber. Ich dachte die Sache würden wir mal klären, wenn das Studio in Helsinki angelaufen ist. 50:50 zu gleichen Teilen. Aus beiden Läden. Aber da das ja nun nicht passieren wird... Du hast dein Studio. Das, das anlaufen wird, wissen wir beide. Deine Verträge mit den Plattenfirmen sichern dich ab. Die Auslöse sind 50% der Einnahmen der letzten 12 Monate. Ein Freundschaftspreis. Eigentlich wären es nur 35, wie sonst auch."
„Du schreibst mich einfach raus?"
„Wir haben einen Vertrag über das zweite Studio gemacht und ich möchte, dass dieser Vertrag eingehalten wird. Es gibt 2 Möglichkeiten. Du fliegst nach Helsinki und klärst deinen Kram. Wenn du mit leeren Händen nach Hause kommst und dort nicht bleiben kannst, bleibt alles beim Alten und ich beteilige dich mit 50 % hier in LA. Oder du fliegst nach Helsinki und machst deinen Job, wie wir es vertraglich vereinbart haben und wir werden offizielle, gleichberechtigte Partner über beide Studios."
Ich starrte auf das Papier und dann wieder auf ihn.
„Du hast die Wahl, entweder du fliegst nach Helsinki oder nach Helsinki."
„Ist das dein Ernst."
„Mein bitterer Ernst."
„Du berufst dich auf einen beschissenen Vertrag und lockst mich mit Geld?"
„Nein. Die Kohle ist mir egal. Ich denke dir auch. Aber es ist mir nicht egal, dass du einfach aufgibst und mich hier vollheulst."
„Ich kann es nicht."
„Doch kannst du. Du willst nur nicht, weil du Angst hast dich dem zu stellen. Wenn du nicht fliegst, ist das ja auch egal. Dann unterschreib den Vertrag, ich zahle dich aus und du suchst dir ein anderes Studio hier in der Stadt oder sonstwo."
„Kündigst du mir gerade die Freundschaft?"
„Nein. Daran wird sich niemals etwas ändern. Ich liebe dich, dass weißt du. Aber ich kündige deine prozentuelle Beteiligung, wenn du dich nicht an den Vertrag hälst. Es steht dir natürlich frei dich ins Studio einzukaufen. Aber über einen Preis müssten wir dann neu verhandeln und er wird dir nicht gefallen. Wenn du wiederkommst, weil es nicht klappt und du aus persönlichen Gründen nicht in Helsinki bleiben kannst, stehen dir 50 % zu und das Studio gehört zur Hälfte dir. So steht es da. So einen Vertrag bekommst du nie wieder und das ist mehr als nur eine Freundschaftsklausel."
Ich war fassungslos.
„Willst du mich zwingen?"
„Nein, ich lasse dir die Wahl."
Er stand auf, kam zu mir rüber, setzte sich neben mich und legte den Arm um meine Schulter.
„Ich gucke nicht dabei zu, wie sich 2 Menschen, die ich sehr mag gegenseitig so demontieren. Es gibt Leute, die glauben nicht an dich und Samu? Ihr beide anscheinend inbegriffen. Ich halte dagegen und es ist mir einen 6stelligen Betrag auf dem Zettel in deiner Hand wert. Fühl dich geehrt, dass ist der höchste Einsatz, den ich je gespielt hab. Beim Pokern komme ich nie über 3 Stellen."
„Du machst ja keinen Verlust."
„Wenn es nicht klappt und ich dich beteiligen muss schon." Grinste er. „Aber ich verliere recht selten. Außerdem hätte ich dich dieses Jahr sowieso beteiligt. Win:Win. Schlaf ne Nacht drüber, der Flug geht erst übermorgen."
Er küsste meine Wange und stand vom Sofa auf.
„Ach ja, falls du nicht fliegst, ziehe ich 1200 Dollar für das Flugticket von deiner Auszahlung ab."

Ich wusste, dass es nichts brachte mit ihm zu verhandeln. Alex war sehr ernst mit solchen Dingen und verhandelte knallhart. So kannte ich ihn sonst nur, wenn Verhandlungen mit Plattenfirmen anstanden. Er wusste, dass selbst wenn er mich rausschmiss, ich meine Verträge im trockenen hatte und nicht auf der Straße saß. Da ich nie offizieller Partner war und freiberuflich, waren die Verträge, die ich selbst geschlossen hatte an mich gebunden und nicht ans Studio. Außerdem wusste er, dass ich mit niemand anderem arbeiten wollte und mich sowieso zurückkaufen würde und cih wettete, dass der Rückkauf nicht über der Summe lag, die er mir ausgezahlt hätte. Ich wusste, die Geste zu schätzen. Er wollte, dass ich etwas dafür tat, dass es mir besser ging. Und wenn Alex seine Bücher wälzte, dann war es ihm wichtig. Sowas überlies er stets mir, weil er es hasste.

Ich zog meine Schuhe an und wühlte mich aus der Decke.
„Ich fahr jetzt."
„Wir sehen uns morgen um 10." Meinte er trocken.
Alex folgte mir zur Tür und ich drehte mich im Rahmen zu ihm um.
„Es tut mir wirklich Leid wegen gestern."
„Kannst du bitte aufhören dich dafür zu entschuldigen mit mir Sex gehabt zu haben? Das ist nicht gut für mein Ego. Ein „Dankeschön" tut es auch."
Ich lächelte und umarmte ihn. Alex drückte mich an sich und vergrub sein Gesicht an meinem Hals.
"Womit hab ich es eigentlich verdient, dass ich an jedem Teil der Erde rausgeschmissen werde?"
"Vielleicht solltest du dein Höschen einfach öfters mal anbehalten. Das gibt nur Ärger."
Ich sah ihn kritisch an.
"Zu früh um Witze darüber zu machen?"
"Ja."
„Jetzt hau ab und pack deine Koffer."
„Danke." Flüsterte ich.

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