Lifesaver

168 7 0
                                    


Ich stand in der Küche und kochte Kaffee, als Mina die Treppe runterkam und ihr Schlafshirt umständlich über ihre Schenkel zog. Direkt lief der Film von heute Nacht wieder in meinem Kopf ab. Die Aktion im Studio war mehr als heiß und eindeutig zu schnell vorbei gewesen. Mina war sehr offensiv gewesen und ich mochte das an ihr. Eigentlich wollte ich noch ein wenig arbeiten, hatte dann aber bemerkt, dass ich schlagartig todmüde wurde, war auch ins Bett gegangen und hatte geschlafen wie ein Stein.
„Hyvää huomenta." Meinte ich fröhlich, lehnte mich an den Küchentresen und tippte auf meinem Smartphone rum.
„Na, du hast ja gute Laune." Sagte sie verschlafen, band sich die Haare zu einem Dutt und tapste barfuß in die Küche.
„Möchsten du einen Kaffee?", fragte ich grinsten und legte das Handy auf die Arbeitsplatte.
„Ja bitte." Nuschelte sie und öffnete den obersten Schrank, um sich auf die Suche nach einem Becher zu machen. Der Ausblick, der sich mir bot war zu verlockend, um einfach nur zuzugucken. Ich stieß mich vom Schrank ab, schlich hinter sie, schob meine Hände unter ihr Shirt auf ihren nackten Bauch und legte meine Lippen an ihren Hals. Mina verharrte kurz in ihrer Bewegung, als ich sie dichter an mich zog und an ihrem Ohrläppchen saugte.
„Samu." Meinte sie mit einem genervten Unterton.
„What?" brummte ich in ihr Ohr, strich mit einer Hand ein Stück höher und biss ich ihren Hals. „It's hard to get my hands off, wenn du trägst so eine outfit."
"Ich will einfach nur einen Kaffee trinken."
Sie griff nach dem Becher, ignorierte meine Liebkosungen und schüttelte mich mehr oder weniger ab.
„What's wrong?", wollte ich wissen und hob fragend die Hände. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass wir Sex in der Küche gehabt hätten und abgewiesen hatte sie mich noch nie.
„Kann ich erstmal nen Kaffee haben?"
Mina stellte den Becher auf den Tresen und sah suchend zur Kaffeemaschine, unter der mein voller Becher stand.
„Sure." Meinte ich ruhig, nahm meinen Kaffee, stellte ihren Becher unter den Zulauf und drückte den Kopf.
Sie sah mich nicht mal an, zupfte nur an ihrem Shirt rum und sah der schwarzen Flüssigkeit zu. Als sie Maschine stoppte, griff sie nach dem Getränk und lehnte sich an den Tresen.
Ich verschränkte sie Arme vor der Brust und beobachtete sie.
„You can't even look at me. What happened?"
Mina seufzte und starrte auf ihren Kaffee.
„Ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll." meinte sie leise.
Meine Augenbrauen schnellten in die Höhe und ich presste die Lippen aufeinander.
„Ich kam mir gestern irgendwie blöd vor, als ich ins Bett gegangen bin und da allein lag."
Ich zog die Stirn kraus.
„Ich glaube wir sind ein wenig zu weit gegangen die letzten Wochen. All dieses Gekuschel und das gemeinsame Einschlafen. Ich habe mich daran gewöhnt und als ich allein im Bett lag hat irgendwas gefehlt."
„You could have come down."
"Darum geht's gar nicht. Normalerweise fragst du immer oder wir sind eh schon im Schlafzimmer. Gestern hat sich das komisch für mich angefühlt. Du meintest du willst noch arbeiten, bist dann 10 Minuten später doch ins Bett gegangen. War das eine Ausrede, weil du mir nicht sagen wolltest, dass du nicht möchtest, dass ich bei dir schlafe?"
Ich legte die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf.
„Ich komm mir so blöd vor das zu sagen. Ich habe da gar kein Anrecht drauf, aber nachdem wir uns so nahe gekommen sind, fange ich langsam an mich an diese Vertrautheit zu gewöhnen und das ist nicht gut. Ich kann das auf Dauer nicht trennen und ich will mich nicht verlieben und bevor das passiert, denke ich, es ist besser, wenn ich mir erstmal ein Hotel oder eine Ferienwohnung suche."
„I thought we were clear."
"Das sind wir auch. Aber wir haben da von Anfang an uns selbst nicht an die Regeln gehalten. Ich will nicht, dass das hier ein böses Ende nimmt. Ich mag dich und ich will nicht, dass wir irgendwann mal auf der Straße aneinander vorbeilaufen und weggucken."
Ich seufzte, stütze meine Hände neben mir auf dem Tresen ab und sah zu Boden.
„Okay. I really don't want you to leave, but I accept you decision." Brummte ich missmutig. "Maybe du bist right. Wir sind eine wenig too close. But I liked it."
Mina strich sich sichtlich nervös eine Strähne hinters Ohr.
„Wenn ich jetzt gehe, dann ist auch alles gut zwischen uns. Aber vielleicht hat Alex Recht gehabt, als er meinte ich sei ein Trostpflaster und das möchte ich nicht sein."
„You're not and you know that! This is totally different, als das was ich hatte mit Sophia. You're more als nur eine Trost...." Ich gestikulierte wild, weil das Wort schon wieder weg war. „Whatever." protestierte ich und zog eine Augenbraue hoch.
„Ich hab mich da ein wenig mitreißen lassen, weil ich gucken wollte, was so passiert. Aber wir teilen hier Tisch und Bett und du triffst dich ja auch mit Sophia. Das hier ist doch sowieso irgendwann zu Ende und dann soll es lieber ein schönes Ende haben."
Ich nickte, war aber eigentlich nicht einverstanden.
„Es ist nur, weil Alex hat gesagt das?"
„Nein. Aber heute Nacht habe ich mich einfach so gefühlt. Kommst du dir nicht auch ein wenig doof vor, wenn du dich tagsüber mit Sophia triffst und abends mit mir schläfst?"
Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht. Für mich waren das zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Mina und ich hatten eine gute Zeit und hatten Spaß miteinander. Das mit Sophia war etwas ganz anderes.
„Du kannst das vielleicht trennen und ich kann das auch. Bis zu einem gewissen Punkt und der ist jetzt erreicht."
„Schade," brummte ich, „I mean I really enjoyed spending time with you."
"Das heißt ja nicht, dass wir uns nicht mehr sehen. Ich werde noch ein paar Wochen hier sein und ich hab dich gern um mich. Aber dieses ganze...", sie zeigte zwischen uns hin und her, „das geht nicht mehr."
„That is something I really enjoyed, too."
Mina legte den Kopf schief und zog den Mund zu einem Strich.
„Ich auch. Aber ich fange an das etwas zu sehr zu genießen. Normalerweise würde ich sagen: „Super. Gucken wir mal, was passiert. Man kann ja nie wissen." Aber wir beide sind zum Scheitern verurteilt und das weißt du auch."
„No." Hielt ich gegen. „Nobody knows that."
"Samu! Ich glaube du merkst gar nicht, dass du dich veränderst. Und das ist ja auch gut. Aber ich werde mit Sicherheit nicht riskieren mich in einen Kerl zu verlieben, dessen Herz ganz woanders ist."
„Was meinst du?"
„Wir beide verlieben uns nicht und reiten in den Sonnenuntergang. Du gehörst ganz woanders hin und daran hängst du auch noch."
„I just don't want you to go. Sure we had sex and maybe wir sind eine wenig too close, but you kind of inspiring me. I didn't spend a lot of time with songwriting in die letzten Monate. But since we met, it works again."
"Du hast immer nur geschrieben, wenn du Sophia an dem Tag gesehen hast oder irgendetwas passiert ist, was mit ihr zu tun hat."
Ich sah sie überrascht an, zog die Stirn kraus und verschränkte die Arme wieder vor der Brust.
„Das hat rein gar nichts mit mir zu tun. Es hat Spaß gemacht da oben mit dir zu arbeiten und ich höre dir gerne zu, aber das ist nicht meine Welt. Das ist deine. Das ist nett mal ein paar Abende so zu verbringen, aber das ist etwas, was du mit jemand anderem teilen solltest und ich glaube das wünschst du dir auch. Vielleicht hast du das vergessen, weil du in diesem ganzen Gefühlsschlamassel steckst. Ich kann und werde diesen Platz nicht einnehmen und auch das willst du nicht."
„I told you, dass ich bin nicht so sure mit meine feelings for her."
"Und solange ich hier bin und all das mit dir teile, wirst du es auch nicht rausfinden. Ich lenke dich doch nur ab und das ist das, was dir gefällt."
Mina sah mich offen an und ich konnte ihrem Blick nicht standhalten und sah auf meine nackten Füße.
„Siehst du." Meinte sie.
Ich schnaufte und zuckte die Schultern. Warum hatten Boxershorts eigentlich keine Hosentaschen. Ich wusste nicht so richtig wohin mit meinen Händen und fühlte mich etwas ertappt.
„Ich hab dich auf andere Gedanken gebracht und eigentlich ist es schön zu sehen, dass du dich veränderst. Als wir uns in Barcelona getroffen haben, wirktest du total zerrissen und warst aufgewühlt. Mittlerweile triffst du dich mit Sophia zum Kaffeetrinken und ihr scheint euch zu verstehen."
„Wir haben geküsst." Meinte ich leise und sah auf.
Mina sah mich überrascht an.
„Hätte ich das gestern gewusst, dann wäre das heute Nacht mit Sicherheit nicht passiert."
„Wir haben geküsst schon, als I took her home from Tavastia-klubi."
„Warum hast du mir das nicht erzählt? Ich dachte wir reden über sowas."
„Ich habe nicht gesagt, weil I didn't know if this means something. I mean.... First she kissed me. I hought this might be an bad idea. Nicht so gut. But then it felt so good. So easy. So warm. So.... I don't know. Home?"
Mina nickte.
"Das ist wahrscheinlich das schönste Kompliment, das du ihr Machen könntest und du erzählst es mir. Genau das meine ich, wenn ich sage, dass ich dich nur ablenke. Das ist einfach. Das fühlt sich gut an, aber das ist nicht richtig. Konzentrier dich darauf, was du willst und was du fühlst. Besser gesagt, was du für sie fühlst. Ich bin nicht aus der Welt. Die nächsten Tag muss ich sowieso arbeiten. Ich werde im Netz mal nach einer Ferienwohnung suchen und wir treffen uns die Tage zum Essen oder so."
„Eishockey?", fragte ich.
Sie grinste.
„Ja. Total gerne."
„Eine Freund hat eine holiday flat in die city. I'll call him. Vielleicht du kannst wohnen da."
„Das wäre toll."

Am Nachmittag hatte ich Mina mit ihrem Koffer an der Wohnung abgesetzt. Übermorgen würde ich sie abholen und mir mit ihr ein Spiel ansehen. Darauf freute ich mich. Ich besuchte meine Mutter und aß mit meiner Familie zu Abend. Allein zu Hause zu sein fühlte sich auf einmal nicht mehr so schlecht an. Vielleicht hatte Mina Recht gehabt. Sie hatte das Talent gehabt mich von diesem ganzen Dilemma abzulenken und es hatte sich leichter angefühlt. Der Nachmittag mit Sophia ging mir nicht aus dem Kopf. Ja, ich hatte es genossen sie zu küssen und Zeit mit ihr zu verbringen. Diese Form von Nähe fehlte mir. Es war etwas anderes, als das, was Mina mir geben konnte. Es war mehr. Es war größer und es war wichtig für mich. Diese Vertrautheit empfand ich nur bei Sophia. Trotzdem konnte ich mir im Moment nicht vorstellen mit ihr zusammen zu sein. Wahrscheinlich würde sie immer wichtig für mich sein, auf welche Art auch immer. Ich hatte sie gern um mich, aber ich wusste auch, dass ich mich irgendwann entscheiden musste. Ich konnte sie nicht einfach aufs Abstellgleis schieben, bis ich wieder wusste, wer ich war und sie wieder zu der Frau wurde, in die ich mich mal verliebt hatte. Ich wollte nicht mehr, dass sie sich für mich verbog und verstellte. In der Nacht, in der ich sie nach Hause gebracht hatte und sie mir betrunken einige Gemeinheiten an den Kopf geworfen hatte, hatte ich gesehen, dass noch etwas von dieser Frau da war. Vielleicht konnte man das irgendwie aus hier herauskitzeln. Ich wünschte mir eigentlich nichts mehr, als das wir wieder die Menschen wurden, die wir vor unserer Trennung gewesen waren. Aber das ging nicht auf Knopfdruck. Dafür war zu viel passiert und dafür haderte ich selbst noch zu sehr mit meinen Gefühlen und vor allem mit meinem Vertrauen. Das Mina mir vor Augen geführt hatte, dass ich mir die Nächste im Studio immer dann um die Ohren schlug, wenn ich Sophia gesehen hatte, hatte mich ein wenig aus der Bahn geworfen. Es stimmte. Dabei hatte ich gedacht, dass diese Inspiration von Mina kam. Sie war aber nicht diejenige gewesen, die mich ins Studio trieb. Sie war immer erst später dazugekommen. Mit meinen Gedanken und dem Song hatte ich immer schon vorher dort gesessen, weil ich nicht schlafen konnte. Weil ich Sophia gesehen hatte oder auf Alex getroffen war, der unweigerlich Sophia in meine Gedanken schob. Ich hatte das Studio eigentlich immer gemieden, seit Sophia ausgezogen war. Hier hingen zu viele Erinnerungen im Raum. Nicht, weil wir hier viel Zeit verbracht hatten. Der Raum machte mich eher traurig. Der Gedanke, was wir hier in diesem Raum hätten erschaffen können. Es deprimierte mich, dass das alles war, was von Sophia hier geblieben war. Die Vorstellung, was wir hätten haben können. Nachdem Mina mir gesagt hatte, dass sie nicht verstand, warum Sophia und ich nie zusammen gearbeitet hatten, war mir klargeworden, dass das der Grund war, warum ich mich nie gern dort aufgehalten hatte. Der Gedanke daran, was Mina und ich dort getan hatten brachte mich zum Grinsen, jedoch erweckte es auch irgendwie ein schlechtes Gewissen. Sollten Sophia und ich wirklich wieder zueinander finden, musste ich ihr sagen, dass Alex mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte und wir ein wenig mehr als nur Freunde waren. Das würde sie sicher in den falschen Hals kriegen. Andererseits konnte ich genauso tun und lassen, was ich wollte. Jedoch würde sie sich daran stören zu erfahren, dass ich ein Problem damit hatte jemanden an mich ranzulassen und ausgerechnet eine andere Frau hier kurzzeitig eingezogen war, mit der ich Tisch und Bett geteilt hatte. Das konnte ich sogar irgendwie verstehen. Aber es war wie es war. Mina hatte mir gutgetan und vielleicht war es richtig, dass sie nun gegangen war.

Mein Smartphone meldete sich und ich öffnete die Mail von Mikko. Er schickte mir einen Termin. Damit hatte ich ja gar nicht gerechnet. Wir sollten auf einer internen Firmenfeier von Universal hier in Helsinki spielen. 3 Songs. Auch andere nationale Künstler würden dort auftreten und Mikko fragte, ob er den Termin bestätigen könnte. Wenn die ganze Band nicht zusammenkam, könnte ich auch allein oder mit Riku kommen. Ich sah in meinen Kalender. Gähnende Leere, abgesehen von ein paar Konzerten, die ich besuchen wollte, einer Geburtstagsparty, einem Arzttermin und diversen IFK-Spielen hatte ich keinerlei Verpflichtungen. Das Konzert sollte in 1 Woche sein und ich sagte zu und legte mein Handy wieder weg.
Ich streckte mich auf dem Bett aus und zappte durch die TV-Kanäle. Ja, hier allein zu sein war wieder okay. Aber vielleicht hatte Sophia Lust auf einen weiteren Kaffee.

HeimkehrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt