Mina schlief noch auf der anderen Seite des Bettes und ich war aufgestanden, hatte Kaffee gekocht und war mit meinem Becher nach draußen gegangen, um zu rauchen. Ich hatte durchgeschlafen, nachdem wir wieder ins Bett gegangen waren und war relativ schnell im Land der Träume angekommen. Noch immer lag mir das Gespräch mit Sophia quer, aber heute Morgen fühlte sich alles schon etwas klarer an, als noch gestern Abend. Es tat mir leid, dass alles so gekommen war, aber ich konnte an der Situation einfach nichts ändern. Ich fragte mich, wie es ihr ging, aber war mir sicher, dass Alex sich bemühen würde sie auf andere Gedanken zu bringen. Sophia war zäh. Jedenfalls so, wie ich sie kennengelernt hatte. In den letzten Wochen hatte ich ein anderes Bild von ihr bekommen. Sie war weicher geworden und ich konnte sie schwer einschätzen. Auch etwas, was mir fremd war. Ein weiteres Argument, dass dafür sprach, dass wir einfach nicht mehr sie alten waren.
„Guten Morgen." Murmelte Mina, als sie sich einen Kaffee eingoss und sich auf die Arbeitsplatte setzte und ich wieder durch die Terrassentür hereinkam. Die langen Haare hatte sie zu einem lockeren Dutt gebunden und einige Strähnen umrahmten ihr hübsches, verschlafenes Gesicht.
„Guten Morgen. Ausgeschlafen?"
Sie nickte.
„Gehen wir heute in die Stadt oder muss ich allein losziehen?"
Ich lächelte.
„Ich zeige dir die city. Wollen wir haben eine breakfast here?"
„Von mir aus können wir auch woanders frühstücken. Ich lad dich ein."
„Oh. Thank you me lady. I go take a shower und dann wir können los."
Wir hatten in einem kleinen Café auf der Esplanadi gefrühstückt und waren dann Richtung Ostsee runtergelaufen. Nach dem vollen Touristenprogramm stand mir nicht der Sinn und für Mina war es okay. Die Sonne schien und sie war einverstanden das Sightseeing auf einen anderen Tag zu verschieben. Ich hatte meine Jacke bis zum Kragen zugezogen, meine Sonnenbrille aufgesetzt und eine hellgraue Mütze aufgesetzt, während wir am Ufer entlanggingen. Mina trottete fröhlich neben mir her, hatte ihr Kamera mitgenommen und lief immer wieder vor, wenn sie ein Motiv entdeckte, dass ihr gefiel. Ich lächelte und vergrub die Hände tief in meinen Jackentaschen. Die Luft tat gut und die Herbstsonne erhellte mein Gemüt etwas. Ich mochte Mina wirklich. Sie war unkompliziert und kumpelhaft. Sie stellte keine Ansprüche und diskutierte nicht mit mir. Ihre Fröhlichkeit war fast ansteckend und ließ auch meine Laune steigen. Obwohl ich nicht viel von ihr wusste, hatte ich das Gefühl sie schon ewig zu kennen und konnte in ihrer Nähe einfach abschalten. Die Momente mit ihr schalteten meinen Kopf aus und sie schien die einzige zu sein, die das derzeit bewirken konnte. Ja, ich genoss den Sex mit ihr. Sie war leidenschaftlich, hemmungslos und zärtlich. Trotzdem hatte ich keinerlei romantische Gefühle für sie und ich es wirkte nicht so, als würde das bei ihr anders aussehen.
„Stell dich mal hier hin!" rief sie, verschwand mit ihrem Gesicht hinter der Kamera und deutete auf eine Stelle neben einem Baum.
„No pictures today, lady." meinte ich und grinste.
"Doch. Das Licht ist super. Los. Geh dahin."
„No. I look like shit."
"Tust du gar nicht und das weißt du auch ganz genau. Los."
„No. Ich habe holidays. No photoshoots."
Mina ließ die Kamera um ihren Hals baumeln, rollte die Augen und zog mich an der Hand weiter Richtung Baum.
„Hör auf rumzumurren. Du stellst dich jetzt dahin."
„Take a picture von die dugs!" maulte ich und ließ mich missmutig weiterziehen.
Mina lachte nur, ignorierte meine Proteste und schob mich dahin, wo sie meinte sie könnte mich in ein gutes Licht rücken. Sie ging ein paar Schritte weg und verschwand wieder hinter ihrem Objektiv.
„Nicht in die Kamera gucken. Guck hinter mich. Irgendwo hierhin. Sie fuchtelte mit einem Arm und ich gehorchte.
„Ja. Geht doch." Freute sie sich und drückte ein paar Mal den Auslöser.
Ich musste lachen und Mina freute sich noch mehr.
„Lachen kann er also auch. Hab ich ja heute noch gar nicht gesehen."
Sie nahm den Kamera wieder runter rund kontrollierte lächelnd die Bilder.
„Guck! Ich hab doch gesagt das sieht gut aus." Meinte sie, kam auf mich zu und hielt mir das Display vor die Nase.
„Wow. I look good."
Sie zog eine Augenbraue und und sah mich von unten an.
„Hab ich doch gesagt. Ich rücke auch eine Wasserleiche noch in ein schönes Licht. Und jetzt hör auf so nachdenklich zu gucken. Sie Sonne scheint und es ist so schön hier."
Sie legte eine Hand an meinen Rücken und küsste meine Wange.
„Los komm, wir gehen weiter. Ich will da vorn zu den Booten."
Ich lächelte und wollte gerade zum Gehen ansetzten, als ich von hinten grob angerempelt wurde. Grob genug um ins Straucheln zu kommen und fast hinzufallen. Erschrocken richtete ich mich wieder auf und noch bevor ich die Situation überhaupt erfassen konnte, hatte Alex mich auch schon am Kragen gepackt. Ich legte meine Hände um seine Handgelenke und starrte ihn an.
Er trug schwarze ¾ Lauftights, eine schwarze, enge Laufjacke, die offen war und unter der ein hellblaues Sportshirt hervorleuchtete. Seine Ohrstöpsel baumelten am Kragen seines Shirts und den wütenden blick konnte ich hinter der dunklen Wayfarer-Brille nur erahnen. Wieder schubste er mich und versuchte sich aus meinem Griff zu befreien, aber es gelang ihm nicht.
„Du verdammtes Arschloch!" brüllte er und versuchte wieder mich von sich wegzustoßen.
„Ist das dein verschissener Ernst? Gestern noch tischst du Sophia noch so eine Scheiße auf und jetzt rennst du hier mit der nächsten durch die Stadt. Sag mal hast du sie noch alle beisammen, Hapa?"
Ich wollte was entgegnen, war aber zu sehr damit beschäftigt ihn mir vom Leib zu halten. Wir drehten uns im Kreis und Alex drehte seine Hände aus meinem Griff. Wieder zielte er auf meinen Kragen und ich schob ihn an den Schultern von mir.
Ich blickte kurzbesorgt zu Mina rüber, die erschrocken und hilflos am Rand stand und die Szenerie beobachtete.
„Was denkst du eigentlich wer du bist. Ein verschissener Rockstar, der sich alles erlauben kann? Die eine hälst du dir warm und testest schon mal bei der nächsten an?"
So sehr ich meine Körpergröße manchmal verfluchte, war ich gerade froh fast einen Kopf länger zu sein. Alex war um einiges stärker als ich und nur mit Mühe konnte ich ihn abwehren und stieß ihn von mir.
„Alex! Stop it!" brüllte ich und er fing sich gerade noch ab.
Keuchend standen wir uns gegenüber und Alex stemmte seine Hände in die Rippen und beugte sich vornüber.
„Du bist so ein verdammter Wichser!"
Ich schnaufte und nahm meine Sonnenbrille ab.
„Are you fucking crazy?" fuhr ich ihn an.
„Ich? Wer von uns beiden hat wohl den Verstand verloren?"
Er baute sich wieder auf und breitete die Arme aus.
„Sophia sitzt zu Hause wie ein Häufchen Elend und weint sich die Augen aus dem Kopf, weil ihr Freund... Ex-Freund...was weiß ich was du bist...geistig umnachtet durch die Weltgeschichte fliegt und nicht weiß, was er will. Und du? Du rennst schon mit der nächsten durch die Gegend!" Er deutete wütend auf Mina, die immer noch erschrocken zu uns rübersah.
„Denkst du wirklich du kannst dir bei Sophia einfach mal eben das Hintertürchen offen lassen? Die weiß gar nicht wo ihr der Kopf steht und hat die ganze Nacht nicht geschlafen. ICH übrigens auch nicht. Weil ICH darf deine Scheiße wegräumen!"
Ich strich über meine Jacke und richtete meine Kapuze im Nacken.
„Es ist nicht so was du denkst in deine head." Murrte ich und sah ihn an.
„Nein? Ist es nicht? Du verdammter Vollidiot! Du weißt, dass sie dich liebt. Und jeder der dich nur ansatzweise kennt, weiß, dass du sie auch liebst. Was zum Teufel stimmt nicht mit dir? Hättest du sie nicht einfach abschießen können?"
Er schnaufte und zog seine Jacke gerade.
„Sie leidet und du rennst hier mit ner anderen durch's Dorf? Ich hab dich echt anders eingeschätzt." Meinte er ruhiger und stemmte die Hände in die Hüften.
„Ich hab dich schon von dahinten gesehen." Er deutete hinter sich. „Wie du mit deinen Storchenbeinen durch das Gras gestakst bist. Ich schenke dir zu Weihnachten ein Shirt „I skip leg day. Every day."" Er grinste herausfordernd und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich hörte Mina leise kichern und wir sahen beide zu ihr rüber. Sie hob abwehrend die Hände und drehte sich zur Seite.
„Samu, was zum Teufel ist los mit dir? Warum machst du das? Du kannst sie doch nicht einfach so in diesem Schwebezustand lassen. Wenn du das alles nicht mehr willst, dann hab wenigstens die Eier ihr die Wahrheit zu sagen und beende das."
„I can't." meinte ich leise.
„Das war du da abziehst ist unfair. Ich hoffe das weißt du. Also sei wenigstens ein Mann und zieh das durch."
„I can't." meinte ich etwas deutlicher und sah zu Boden.
„So einen Feigling hab ich wirklich noch nie gesehen. Meinst du nicht, dass sie nach all dem die Wahrheit verdient hat?"
„I can't, okay!?" fuhr ich ihn lautstark an und er wich ein Stück zurück.
Alex schob die Sonnenbrille in seine Haare und sah mich an.
„Ist es wegen mir? Wegen der Sache mit Sophia?"
„No."
„Warum dann? Warum benimmst du dich wie ein beschissenes Arschloch und verletzt sie so?"
„Ich habe ihr erklärt, okay? Ich bin nicht so sure mit meine feelings und ich habe respect enough for Sophia, that I don't use her for testing this. Ich weiß, that she doesn't deserve all this shit und ich weiß, dass du bist eine loyal friend for her, but I really don't wanna dicuss our realtionship with you."
"Ja, mach es dir nur weiter einfach. Du musst dich ja nicht darum kümmern. Ablenkung hast du ja bereits gefunden."
„Hat er nicht." Ertönte es ruhig neben uns.
Wir sahen verwundert zu Mina rüber.
„Mina, don't!" brummte ich, aber sie hob nur die Hand.
„Wenn mich jemand als Ablenkung betitelt oder mich für naiv hält, würde ich gern auch meinen Senf dazu geben. Immerhin will man mir hier gerade einreden, dass ich auch irgendwie in diese Sache involviert wäre. Das sehe ich anders."
Alex sah sie noch immer perplex an.
„Tut mir leid. Ich dachte erst du verstehst mich gar nicht."
„Spätestens, als ich über den Kommentar über seine Storchenbeine gelacht habe, hättest du das bemerken müssen."
„Thank you." Meldete ich mich sarkastisch zu Wort, sah sie schief an und schüttelte den Kopf.
„Du befindest dich in einer europäischen Großstadt. Die Möglichkeit, dass dich hier jemand versteht, stehen ziemlich gut."
„Ich wollte dich nicht beleidigen."
„Nein? Hast du aber."
Alex schnaufte und drehte sich einmal im Kreis.
„Samu, es ist mir scheißegal, was bei dir abgeht. Du weißt ich war immer da, wenn irgendetwas war, aber nach dieser Aktion kannst du nicht mehr auf mich zählen. Ich habe Sophia den Rat gegeben dich zu vergessen und ich wäre gestern Abend schon zu dir nach Hause gefahren und hätte dir die Eier abgerissen, wenn sie es mir nicht ausgeredet hätte. Das was du hier abziehst ist ganz großer Bullshit."
„Excuse me!" meinte ich. „Meine Aktion? Are you crazy? Hast du gedenkt daran, was du hast gemacht? That was right?" brüllte ich ihn, ging auf ihn zu und wollte ihn an der Jacke packen.
Schneller als ich reagieren konnte hatte Mina sich zwischen uns gestellt und drückte mir ihre Hände auf die Brust.
„Jetzt ist Schluss!" sagte sie laut. „Samu? Guck mich an."
Ich funkelte Alex wütend an und zog die Stirn in Falten. Er wich meinem Blick nicht aus und eigentlich hoffte ich nur, dass er nicht ausholen würde.
„Samu!" meckerte Mina.
Ich sah seufzend zu ihr runter, entspannte mich etwas und steckte meine Hände zurück in die Jackentasche. Mina drehte sich zu Alex und tippte ihm gegen die Brust.
„Du läufst jetzt die diese Richtung." Sie zeigte den Weg runter und drehte sich zu mir. „Und wir gehen da lang." Sie zeigte in die andere Richtung, hakte sich bei mir unter und zog mich mit sich.
„Wenn du kein Arsch bist, dann sagst du ihr die Wahrheit." Rief Alex uns hinterher. Ich drehte mich kurz um, sah noch wie er seine Ohrstöpsel wieder in die Ohren steckte, aber Mina zog mich energisch weiter.
Wir gingen eine Weile stumm nebeneinander her. Ich merkte, dass sich mein Puls wieder beruhigte und ich wurde langsamer. Etwas erleichtert fand ich meine Zigaretten in meiner Hosentasche und steckte mir eine an.
„Das war also Alex." Meinte Mina grinsend.
„Ja." Meinte ich leise und blies den Rauch in die Luft.
„Der Typ, mit dem Sophia nach eurer Trennung geschlafen hat?"
„Ja." Knurrte ich.
„Ich verstehe sie ein wenig."
„Was verstehst du? Das sie hatte Sex mit ihm?", fragte ich ein wenig empört.
„Ja. Er ist heiß."
Ich rollte die Augen, zog kritisch eine Augenbraue hoch und ließ mich von ihr weiter den Weg entlangziehen.
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Heimkehr
FanfikceSamu & Sophia Teil 3. Fortsetzung von "Von der Muse geküsst" und "Klimawandel". Inklusive der beiden OS in meinem Account zu finden. Nach Sophias Rückkehr nach Los Angeles scheint die Trennung von Samu endgültig. Wäre da nicht noch etwas, was sie in...