Road tripping

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Ich lag auf dem Bett und starrte die Decke an, die nur durch die Nachttischlampe angestrahlt wurde. Was zum Teufel war da passiert? Ich wusste eigentlich gar nicht, was ich in Sophias Zimmer gewollt hatte. Ich hatte einfach nur dieses Bild nicht aus dem Kopf bekommen, wie sie vor mir gestanden und mich so bittend angesehen hatte. Ich war hingegangen, weil ich noch einen Blick auf sie werfen wollte und war mir nicht sicher gewesen, ob ich mir überhaupt irgendwelche Entschuldigungstiraden anhören wollte. Allerdings würde ich lügen, wenn ich sagen würde, dass es mich nicht berührt hatte, als sie gesagt hatte, dass sie mich vermissen würde. Mit ihrem Auftauchen und diesen Eingeständnissen hatte sie mich vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt. Meine patzigen Antworten bei unserem ersten Gespräch taten mir zwar eigentlich nicht leid, aber ich hatte es ihr schwer gemacht. Als ich wieder bei ihr im Zimmer gestanden hatte, war ich wie benebelt gewesen. Dieses Zimmer, ihr Geruch, der überall im Raum hing und diese ganzen Erinnerungen an die Zeit dort, hatten mich vollkommen durcheinander gebracht. Sophias Anblick war irgendwie... ich fand keine Worte dafür. Es fühlte sich an, als wäre ich durch ein Wurmloch gelaufen und in der Vergangenheit gelandet. Sie hatte immer noch traurig gewirkt und war wahnsinnig nervös gewesen. So kannte ich sie nicht. Es machte sie verletzlich. Sophia war nie nervös. Ich konnte mich nicht daran erinnern sie jemals wirklich unsicher erlebt zu haben. Das war etwas, was sie herausragend überspielen konnte und sie in ein vollkommen, mir unbekanntes Licht stellte. Während ich an dem Wein nippte, den sie mir angeboten hatte, schwelgte sie, laut denkend, in Erinnerungen und das kurze Kleid hatte sein Übriges getan. Es war gewesen, als hätte man mir alle Sicherungen auf einmal abgeschaltet. Die Tatsache, dass sie sich mir gefühlmäßig vorher so geöffnet hatte und meine Anwesenheit sie so nervös machte, hatte mir so ein großes Machtgefühl über die Frau gegeben, die dafür gesorgt hatte, dass ich mich die ganzen letzten Woche gefühlt hatte, als würde ich mit einer Körpergröße von 1,50m, mit Arme hoch, durch die Welt laufen. Keine Frau der Welt, und sei sie noch so schön, hätte mir mit irgendwelchen eindeutigen Avancen, dieses Gefühl von Selbstbestätigung und Macht geben können, wie die Nervosität Sophias. Es hatte sich an wie ein Rausch angefühlt. Als hätteman mir intravenös Koffein zugeführt und von einer auf die nächste Minute war ich auf meine eigentliche Körpergröße gewachsen und hatte mich seit langem wieder gut gefühlt. Zu gut. Ich hatte gesehen, wie ihre Hände zitterten, als sie nach den Schallplatten in dem kleinen Regal griff und da war mir die letzte Sicherung durchgebrannt. Ich glaube sie hatte mich aufhalten wollen, als ich nach ihr gegriffen hatte. Wahrscheinlich hatte sie sagen wollen, dass das eine dumme Idee war. Aber ich hatte nichts hören wollen. Ich wollte sie. Ich hatte mehr von diesem Gefühl der Macht über sie gewollt und das hatte ich mir einfach genommen. Sie hatte sich darauf eingelassen und sich fallen lassen, was mich nur noch in meinem Tun bestätigt hatte. Die einzigen Momente an denen ich kurz ausgebremst worden war, war, als sie versucht hatte mich zu küssen. Ich konnte das nicht und ich wollte es nicht. Das hätte sich angefühlt, als würde ich mir selbst ins Gesicht lügen. Hierbei war es nicht um Liebe gegangen. Ich war wütend und berauscht von dem Gefühl gewesen, was mir meine Überlegenheit vermittelt hatte und das hatte sich besser angefühlt, als jeder Kuss. Ich hatte sie einfach weggeschoben und mich auf andere Körperregionen konzentriert. Je weiter ich ging und je mehr sie sich fallen ließ, desto besser hatte ich mich gefühlt und am Ende hatte ich den Bogen überspannt. Das wusste ich und als ich fertig gewesen war, war es mir auf einen Schlag beschissener gegangen als vorher. Das war mir bewusst geworden, als Sophia mich gebeten hatte sie anzusehen. Sie hatte gewusst, dass etwas nicht mit mir stimmte. Sie kannte mich. Mit all meinen Fehlern. Sie kannte jeden Winkel meines Gehirns. Jeden Millimeter meines Körpers. Und jeden verdammten Nerv. In dem Moment, wo ich sie angesehen hatte, hatte ich mich wie das letzte verdammte Arschloch auf Gottes Erdboden gefühlt. 1,50m groß mit Arme hoch. Ich hatte sie benutzt. Für meine eigenen egoistischen Zwecke. Etwas, was ich ihr an diesem Abend zum Vorwurf gemacht hatte, als es um das Gespräch mit meiner Mutter gegangen war. Ich hatte ihre Verletzlichkeit und ihre Angst für meine Zwecke genutzt, um mich besser zu fühlen, weil es einfach keine Frau der Welt geschafft hätte mir dieses Gefühl zu vermiteln. So überlegen. So stark. Ich konnte mir diesen Kontrollverlust an mir selbst nicht erklären. Sicher war ich schon mal beim Sex abgedriftet, hatte vielleicht mal härter zugepackt. Aber niemals gegen den Willen des anderen. Wenn man mir zu verstehen gab, dass ich zu grob war, gab ich sofort nach. Diesmal war es anders. Als Sophia vorsichtig ihren Kopf nach vorn geschoben hatte, hatte ich noch festzugepackt und keine Rücksicht genommen. Das sah mir nicht ähnlich. So war ich nicht. Als ich begriffen hatte, was ich da getan und Sophia mich aus traurigen Augen angesehen hatte, war alles auf mich eingeprasselt. Eigentlich wollte ich sofort abhauen, aber wusste nicht so richtig wohin mit mir. Ich war auf dem Bett sitzen geblieben. Hatte ich eigentlich erwartet, dass eine Schimpftirade auf mich niederregnete und Sophia vollkommen ausflippte, wozu sie diesmal wirklich Grund genug hatte, war sie zu mir gekommen und hatte mich in den Arm genommen. Weil sie es wusste. Sie wusste, dass ich nicht so war und sie wollte wissen, was mit mir los war. Anstatt mir an die Kehle zu springen, hatte sie sich an mich geschiegt und ihr Kinn auf meine Schulter gelehnt. Ich hatte meine Hand auf ihren Arm gelegt und den Kopf hängen lassen. Warum jetzt? Warum war sie auf einmal so verständnisvoll und so zugänglich, wie im letzten halben Jahr nicht. Warum jetzt? Jetzt, wo ich das alles gar nicht wollte. Keine Nähe, keine Gefühle, keine Emotionen. Wo ich angefangen hatte darüber nachzudenken ein für alle Mal mit ihr abzuschließen. Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst. In dem Moment schien mir die Flucht am leichtesten. Weg. Einfach nur Weg. Ich hatte ihren Griff gelöst und die Bitte mit ihr zu Reden ignoriert. Ich wollte nicht reden. Es gab nichts zu reden. Ich hatte mich angezogen und das letzte Bild, was ich von ihr hatte änderte sich heute ein zweites Mal. Sophia saß auf dem Bett, hatte sich in die Decke gewickelt und starrte mich schockiert, aber resignierend an. Sie war traurig, dass konnte ich nicht übersehen und das letzte Bild, dass sich in meine Netzhaut gebrannt hatte, war noch um einiges schlimmer, als das von vor knapp einer Stunde gewesen.

Jetzt lag ich hier und fühlte mich beschissen. Mein Shirt war noch immer auf links gedreht und ich fühlte mich zu schwach um aus meinen Jeans zu steigen. Immer noch starrte ich an die Decke und hätte mich selbst ohrfeigen können. Ich wollte keinerlei Hoffnungen in Sophia wecken. Ich wollte auch keine Hoffnungen in mir wecken. Ich hatte noch nicht mal darüber nachgedacht, ob es da irgendeine Art von Hoffnung gab. Jetzt sowieso nicht mehr. Nach der Aktion, wollte ich ihr nie wieder ins Gesicht sehen müssen. Sie würde sich sicher nicht wieder melden, zurück nach LA fliegen und das war's. Ich konnte mit meinem Gewissen allein bleiben, aber das hatte ich mir selbst eingebrockt.

Ich stand vom Bett auf, ging zum Fenster, öffnete es und zündete mir eine Zigarette an. Ich lehnte meine Unterarme auf den Rahmen und ließ den Kopf zwischen den Schultern hängen. Ich war so ein verdammter Idiot. Vielleicht hatte Sophia Recht gehabt. Wir hätten einen sauberen Schlussstrich ziehen können. Uns aussprechen und in Ruhe, jeder für sich, seinen Weg gehen können. Jetzt war das Ende noch viel beschissener, als es vor dieser Aktion gewesen war. Hätte sie nicht einfach zu Hause bleiben können? Musste sie hier auftauchen und plötzlich so anders sein? Musste sie ausgerechnet jetzt auf die Idee kommen die Sache klären zu wollen? Musste sie mir jetzt sagen, dass ich ihr fehlte. Jetzt? Heute? Wo ich gedacht hatte, dass es bergauf ging. Ich hatte einen Schritt nach vorn gemacht und war heute Nacht direkt 3 nach hinten gefallen. Ich hielt meine Nase in die warme Sommernacht, sah auf die Dächer Berlins hinunter und blies den Rauch in die Luft. Es brachte nichts, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen. Wahrscheinlich würde ich sie nie wiedersehen. Das hier war kein zufälliges Treffen gewesen. Sie war hergekommen und sie würde es nicht wieder tun. Ich würde meine Gedanken sortieren und vielleicht irgendwann zu dem Entschluss kommen, dass ich entweder mit meinem Gewissen leben konnte oder mich entschuldigen sollte. Ob sie darauf reagieren würde, stand in den Sternen. Ich konnte froh sein, wenn Alex hier nicht morgen auf der Matte stand und mir so dermaßen in den Arsch trat, dass ich bis Helsinki zurückfliegen würde. Ich erinnerte mich daran, wie er mir damals in LA gedroht hatte, dass er wüsste wo mein Auto parken würde, wenn ich Sophia auch nur ein Haar krümmte.

Ich verstand mein Handeln selbst nicht. Was erwartete ich überhaupt? Ich wusste, dass ich keine Frau wollte, die es mir leicht machte. Ich schien andere Erwartungen zu haben. Etwas, das über das Übliche hinausging. Etwas das sich unterschied. Gefühle aller Intuition zum Trotz. Liebe war schwer zu definieren. Der eine fühlte sich gut aufgehoben, wenn seine Frau ihm abends die Hausschuhe brachte, der andere wollte seine Freundin ständig um sich haben und ich? Ich fand Gefallen daran jemanden nicht zu verändern. Nicht zu zähmen. Ich wollte niemanden an die Kette legen. Ich wollte einfach mitlaufen. Ohne Bremsen mit 150 Sachen auf einer Straße fahren, deren Ende ich nicht kannte. Vielleicht war das der Unterschied. Ich mochte das Gefühl der Ungewissheit bis zu einem gewissen Punkt. Sich nie ganz sicher sein zu können hielt mich bei Laune. Natürlich wollte ich eine Freundin, die da war, wenn ich sie brauchte und auf die ich mich verlassen konnte, aber ich hatte auch nichts gegen ein wenig Beißen und Kratzen. Ständige Harmonie war mir zuwider. Ich liebte den Sprung ins kalte Wasser. Nicht zu wissen, was als nächstes passieren würde. In welchem Land ich aufwachte oder mit wem. Vielleicht hatte es mich deswegen zu Sophia getrieben und ich hatte auf eine heiße Nummer mit S... -wie hieß sie verdammt nochmal?- verzichtet. Ich hatte mir nicht sicher sein können, was geschah, wenn ich durch ihre Tür trat. Alles war offen. Und das Gefühl es geschafft zu haben, war zuerst großartig gewesen. Sophia war die Frau gewesen, die dieses ganze Abendteuer für mich verkörpert hatte. Der tägliche Sprung ins kalte Wasser. Keine Gewohnheit. Keine Gewissheit. Sie hatte es geschafft mich immer wieder aufs Neue herauszufordern. Ich brauchte kein Heimchen am Herd. Ich brauchte keine Stabilität, außer wenn es darauf ankam. Ich war sicher nicht leicht zufrieden zu stellen und war diesbezüglich bekannt für meine Intoleranz. Ich wusste was ich wollte. Ich fand mich nicht mit irgendetwas ab, bis ich gefunden hatte, was ich suchte. Das war in meinem Privatleben genauso wie im Job. Niemals würde ich zu einem Produzenten sagen: „Mir fällt nichts besseres mehr ein. Lass den Song einfach so." Ich hatte gedacht ich hatte genau soetwas, so jemanden, gefunden. Aber Sophia fuhr nicht mit 150, sondern mit 200 Sachen diese unbekannte Straße entlang und zog immer wieder an der Handbremse, wenn es anfing Spaß zu machen. Das hatte mich auf Dauer den letzten Nerv gekostet. Mir gefiel ja dieser Nervenkitzel, aber sie hatte es einfach übertrieben. War das der Preis, den ich dafür zu zahlen hatte eine solche Beziehung zu führen? Auf einmal fügte sich dieses Bild zusammen. Wir waren beide das Problem. Unsere Charaktere waren uns im Weg und daran würde sich nichts ändern. Ganz egal, wie sehr ich mich zu ihr hingezogen fühlte. Vielleicht war genau sie so eine Frau, vor der mich meine Mutter immer gewarnt hatte.

Ich drückte meine Zigarette im Aschenbecher aus, schloss das Fenster, kletterte aus meinen Jeans, warf mein Shirt auf den Boden, löschte das Licht und verzog mich unter die Decke. Das nächste Konzert war erst in einer Woche. Morgen wollten wir zurück nach Helsinki fliegen und ich war froh mich erstmal wieder verkriechen zu können. Während ich langsam wegdämmerte hatte ich Sophias Parfüm in der Nase, das überall an mir klebte.

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Als die Maschine in Helsinki landete, fühlte ich mich immer noch total gerädert. Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, hatte Kopfschmerzen und ich wollte einfach nur noch in mein Bett. Insgeheim hatte ich es bereut keinen früheren Flug gebucht zu haben. Aber ich hatte mich in der Hoffnung in meinem Zimmer verschanzt, dass ich keinem der Jungs über den Weg lief und nicht mit ihnen im selben Flieger saß. Ich hatte Glück gehabt. Die Jungs mussten bereits mittags geflogen sein und ein bitteres Aufeinandertreffen nach dieser Nacht blieb mir erspart. Ich hätte nicht gewusst, wie ich Samu gegenüber hätte reagieren sollen.
Ich rollte meinen Koffer zum Mietwagen und fuhr nach Hause. Hier roch es noch immer nach Farbe und dem Holz der neuen Möbel. Der Geruch war mir aber 100mal lieber als der penetrante Geruch von Samu, der die ganze Nacht über in der Luft, in den Laken und an mir gehaftet hatte. Der Geruch, den ich eigentlich so liebte und es auch immer noch tat. Der Geruch, der mal Zuhause für mich bedeutet hatte, hatte an mir geklebt wie ein scharlachroter Buchstabe. Gekennzeichnet. Gebrandmarkt. Benutzt. So fühlte ich mich. Er hatte mich behandelt wie sein Eigentum. Als könnte er tun was er wollte. Ich wusste, dass er kein schlechter Mensch war und dass er es wahrscheinlich zutiefst bereute. Nicht nur, dass er mit mir geschlafen hatte, sondern wie er mich behandelt hatte. Der Mann, der gestern Nacht in meinem Hotelzimmer aufgetaucht und dann einfach wieder verschwunden war, war nicht Samu Haber. Das hatte ich allerdings zu spät bemerkt. Ich hätte es früher merken sollen. Schon da, als er mich nicht geküsst hatte. Aber ich hatte mich so in dieser Hoffnung verrannt, dass wir uns vielleicht wirklich wieder näher kamen. Das er genauso fühlte wie ich. Das ich ihm fehlte. Das er ein „uns" auch noch wollte. Das er mir vielleicht nicht verzeihen konnte, aber es versuchen würde. Ich hätte es merken müssen, aber ich hatte es einfach ausgeblendet, weil ich einfach nach diesem kleinen winzigen Strohhalm gegriffen hatte, den er mir hingehalten hatte. Das kleine bisschen, was man nimmt, wenn man Hoffnung hat. Die waren jetzt endgültig zerschmettert.

Ich zog mein bodenlages, buntes Sommerkleid aus, legte die Sonnenbrille auf das weiße Sideboard im Schlafzimmer, griff nach einem langen, zu großem T-Shirt aus der oberen Schublade, zog es über und ging ins Bett. Ich wollte nichts sehen und nichts hören. Alex und Sarah hatte ich geschrieben, dass ich auf dem Heimweg sei, der Abend anders als geplant verlaufen sei, ich aber erstmal meine Ruhe haben wollte. Ich wollte einfach nur noch schlafen und meinen Kopf endlich ausschalten. Es war erst 7 Uhr, aber ich fand keinen Anlass noch länger aufzubleiben. Immer wieder bahnten sich die Bilder der letzten Nacht den Weg in meinen Kopf. Immer wieder hatte ich seinen Duft in der Nase und immer wieder sah ich, wie er vor dem Bett stand und auf mich hinabsah. Aus leeren Augen. Kein Wort hatte er gesagt. Nichts. Es ging ihm nicht gut. Das wusste ich jetzt. Samu hatte eine Grenze überschritten und meine Verletzlichkeit ausgenutzt. Das war der Grund, warum ich mit meinen Gefühlen immer vorsichtig war und nicht so schnell darüber sprach. Es machte mich angreifbar und ich war mehr als ein Mal damit auf die Nase gefallen. Das er genau in diese Kerbe haute, war viel schlimmer als diese Aktion mit meinen Haaren. Das er mal grober wurde, war nichts Neues, aber normalerweise reagierte er darauf, wenn ich ihm signalisierte, dass er mich zu hart anfasste. Diesmal hatte er das nicht getan. Aber viel schlimmer war es, dass er meine Verletzlichkeit ausgenutzt hatte, um zu bekommen, was er wollte. Was wollte er überhaupt? Sex? Den konnte er überall bekommen. Von wem er wollte. Warum hatte er seine Chance bei Malibu-Barbie nicht genutzt. Warum ich? Ich konnte mir das nicht erklären. Die Möglichkeit einen Korb bei mir zu riskieren, wäre weitaus größer gewesen. War es genau das? Wieder ein Machtkampf? Ich war das so leid. Ich wusste nicht, ob ich wütend war. Ich war einfach nur müde und noch immer war diese Nacht nicht greifbar für mich. Das der Mann, dem ich mich geöffnet hatte und den ich liebte meine Gefühle so gegen mich verwendete, war für mich einfach gar nicht vorstellbar. Jeder, aber nicht Samu. Nicht nachdem, was wir hatten. Nicht nach dem, was er alles über mich wusste. Nicht nach dem, was wir geteilt hatten. Er war der letzte Mensch auf Erden, von dem ich das erwartet hatte.

Immer wieder spielte ich im Kopf durch, wie ich Alex das erklären konnte, ohne, dass er im nächsten Flieger saß und Samu durch die Tür prügeln würde. Was sollte ich ihm sagen? Alex würde mich steinigen, wenn er wüsste, dass ich mich überhaupt darauf eingelassen hatte. „Vielleicht solltest du öfter dein Höschen anbehalten. Das gibt nur Ärger." Hallten seine Worte in meinem Kopf. Ich konnte Alex nicht erzählen, was passiert war. Ich musste eine entschärfte Version erfinden. Egal was passierte, bis Herbst musste ich nun sowieso hier bleiben. Auch ohne Samu. Das Studio war fertig, die Eröffnung stand bevor und die Pläne waren voll. Er würde ausflippen würde er die Wahrheit kennen und erst mir den Kopf abreißen und dann Samu. Alex würde alles aus dem Kontext reißen und am Ende würde nur übrigbleiben, dass Samu sich nicht gerade wie der perfekte Gentleman verhalten hatte.
Ich war längst an einem Punkt angekommen, wo ich eine gewisse Form von Leid als unausweichlichen Teil meiner Leidenschaft akzeptiert hatte. Ich hatte mich damit abgefunden gehabt alles auf's Spiel zu setzen. Aber hätte man mich jetzt gefragt, was ich mir von dem Einsatz meiner Gefühle versprochen hatte, ich hätte keine Antwort gehabt. Zumindest wusste ich, was ich nicht wollte. Ich wollte keinem Mann hinterherlaufen, der mich nicht wollte. Keinen Kerl, der mich so ansah, wie Samu es getan hatte. Nie wieder wollte ich so angesehen werden.
Ich griff nach den Schmerztabletten auf dem Nachtschrank, in der Hoffnung, dass die dritte heute die Kopfschmerzen endlich vertrieb und spülte sie mit einem Wasser, aus der Flasche neben dem Bett runter. Ich schaltete das Licht aus und zog mir die Decke über die Ohren. Endlich schlafen.

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