Tacheles

148 5 0
                                    


Nachdem ich ausgeschlafen und den Vormittag mit Sport verbracht hatte, tauchte ich am nächsten Nachmittag pünktlich am Studio auf, um Alex einzusammeln. Der stand gerade in der Küche und trank einen Schluck Wasser.
„Hey! Wir können gleich los. Ich pack nur eben noch meinen Kram weg."
Er schlug mit mir ein und klopfte mir auf die Schulter. Ich schielte auf die Lampe über der Tür, die nicht eingeschaltet war.
„Are you recording?"
Nein, du kannst ruhig reingehen."
„Ist die Joonas guy auch da?"
„Nein, der hatte heute frei." Lachte er.
Ich zuckte die Schultern, klopfte an die Tür, öffnete sie ein Stück und schob meinen Kopf in den Aufnahmeraum.
Sophias Sessel drehte sich um und sie lächelte.
„Hey!"
„May I come in?"
"Klar."
Mit ein paar langen Schritten war ich bei ihr, beugte mich zu ihr runter, lehnte meine Hände auf die Armlehnen ihres Stuhls und sie schloss die Hände um mein Gesicht, als wir uns innig küssten.
„Ich dachte schon du sammelst Alex nur ein und rauscht wieder ab."
„I would never do that."
Ich ließ mich in den zweiten Sessel fallen und drehte mich kurz langsam im Kreis, um das Studio nochmal genau unter die Lupe zu nehmen.
„I still like this place."
"Du hast einen Schlüssel. Benutz ihn." Zwinkerte sie.
„There is nothing to work for me, at the moment. I mean there are some ideas, aber alles noch new und not ready. Aber wir reden nicht über work now. Alex is going to meet the guys."
"Ich glaub er und Sami werden sich mögen."
„They will all love him."
"Das will ich doch hoffen. Mich muss man lieben." Meinte Alex und steckte den Kopf um die Ecke. „Ich bin fertig."
„Cool. Let's go."
Ich erhob mich aus dem Sessel und reichte Sophia meine Hand, um sie aus ihrem zu ziehen.
„Wann sehen wir uns denn heute Abend?", fragte sie, als ich sie in die Arme schloss und meine Nase an ihrer Halsbeuge vergrub.
„Um 10? Ich sage Bescheid. Oder Alex macht."
„Okay." Meinte sie leise.
Ich platzierte einen Kuss an Ihrem Schlüsselbein und genoss den Moment, wie sie Ihre Hände in meine Haare schob und meine Lippen an ihre zog.
Mein Körper kribbelte und ich ließ mich gänzlich in diesen Kuss fallen, den Sophia vollends steuerte, bis Alex sich in der Tür räusperte.
„Alter, können wir los oder muss ich mir die Show noch länger angucken?"
Lachend lösten wir uns voneinander.
„Bis später." Kam von Sophia und sie strich über meinen Arm, als ich auf Alex zuging.
„Let's go."

Wie erwartet verstanden Sami und Alex sich prima. Wir zeigten ihm den Proberaum, Alex wühlte in den Instrumenten und wir tranken ein paar Bier. Nach und nach fanden sich die anderen ein. Mikko hatte heute keine Zeit gehabt und ich war etwas erleichtert. Ich wollte ihn nicht übergehen, aber trotzdem wollte ich ihn und Sophia nicht gleich wieder im selben Raum wissen. Wir lachten viel, bestellten uns was zu Essen und auch die anderen hatten schnell einen Narren an Alex gefressen.
Während Alex und Sami irgendwas am Schlagzeug fachsimpelten, schickte ich Sophia eine Nachricht, dass Osmo vorgeschlagen hatte ins „Le Bonk" zu gehen. Ich sagte, dass wir sie mit dem Taxi abholen würden und gegen 10 bei ihr aufschlagen würden, was wir auch taten.
Die anderen waren bereits direkt zum Club durchgefahren, während Sami, Alex und ich vor ihrer Tür hielten. Sophia stand schon in der Auffahrt und tippelte mit ihren Heels über das Pflaster, um hinten bei Alex und Sami einzusteigen.
Es war schön, dass alles wieder so ungezwungen verlief. So hatte ich es mir immer gewünscht und endlich schien es irgendwie zu funktionieren. Das letzte Mal, dass wir einen Abend zusammen mit den Jungs verbracht hatten, war bei dem Konzert in Helsinki gewesen und bis heute dachte ich noch gern an den Abend zurück.
Sami fragte viel über das Studio und sagte, dass er demnächst mal vorbeikommen würde, um sich alles anzugucken. Alex bestätigte das und forderte ihn auf noch vorbeizukommen, so lange er auch noch in der Stadt war.
Sophia schob ihre Hand vom Platz hinter mir an meine Schulter und ich streichelte ihren Handrücken, bis wir am Club ankamen. Ich öffnete ihre Tür, reichte ihr meine Hand und zog sie aus dem Wagen.
„Nice Outfit."
Ich musterte die langen Beine, die in schwarzen Destroyed-Jeans steckten. Dazu trug sie ein enges weißes Shirt und einen dunkelgrünen Blazer. Um ihren Hals baumelte eine lange goldene Kette mit einem runden Anhänger und die Haare fielen in großen Locken über ihre linke Schulter.
„Danke." Flüsterte sie und drückte mir einen sanften Kuss auf.
„Weitergehen." Maulte Alex und schob Sophia ein Stück weiter von der Tür weg, um auch aussteigen zu können. Ich legte den Arm um sie und wir betraten alle vier gemeinsam den Club, in dem die anderen schon an der Bar mit Getränken für uns warteten.
„Ich hab ein wenig Angst, dass die mich jetzt schief angucken, wenn ich plötzlich wieder mit dir auftauche." Meinte sie leise, als wir zu ihnen rübergingen.
„There's no need to. Everything's fine."
Ich zwinkerte ihr zu und zog sie mit mir zu den Jungs. Wie erwartet, war die Wiedersehensfreunde groß. Riku zog sie gleich in eine Umarmung und grinste mich breit über ihre Schulter an. Auch die anderen nahmen sie wieder herzlich auf, als hätte es unsere Trennung nie gegeben.
„Ich hab's mir ja irgendwie schon gedacht. Deine Laune ist besser und ich hab dir nicht abgenommen, dass du nur wegen des Bootes so gut drauf bist." Meinte er auf Finnisch zu mir, was ich mit einem Grinsen quittierte.
„Seid ihr wieder zusammen?" fragte Raul und sah mich neugierig an.
„Wir arbeiten daran." Meinte ich nur und zuckte die Schultern. Osmo klopfte mir auf die Schulter und schob stumm die Drinks zu mir rüber, die ich unter Sophia, Sami, Alex und mir verteilte. Wir stießen an und wieder freute ich mich über die entspannte Stimmung. Ein leerer Termin Kalender, ein Abend mit Freunden, eine tolle Frau im Arm und im Club herrschte auch eine gute Atmosphäre.
Sophia lehnte sich an mich und ich küsste ihr Schläfe. Sie sah zu mir hoch und lächelte.
„Alles gut?"
Sie nickte.
„Ich war wirklich nervös, dass die Jungs vielleicht nicht so entspannt reagieren. Und ehrlich gesagt bin ich ein wenig froh, dass Mikko nicht da ist."
Ich grinste.
„Ich habe ihn gefragt, aber er ist nicht in Helsinki."
„Das ist nicht schlimm." Lachte sie.
Ich verstand, dass sie nicht scharf darauf war ihn zu sehen und wenn es nach mir ging, konnte man das auch noch weiter aufschieben. Wir standen erst wieder am Anfang. Ich wusste zwar, dass Mikko sich sicher nicht mehr einmischen würde, nachdem ich ihm fast an die Kehle gesprungen war, nachdem ich von seinem Anruf erfahren hatte und er hatte miterlebt, wie es mir gegangen war, nachdem Sophia Helsinki verlassen hatte, aber ich wusste auch, dass ich allergisch reagieren würde, würde er mir nur einen falschen Blick zuwerfen.

Der Abend verlief entspannt. Sophia unterhielt sich mit allen, Alex stand bei Riku und Sami und ich blieb bei Raul und Osmo am Tresen stehen. Weit weg von der Tanzfläche. Sicher war sicher.
Irgendwann zog Alex Sophia Richtung Parkett und ich beobachtete die beiden grinsend. Ich hatte Alex nicht für einen Tänzer gehalten, aber er machte eine ganze gute Figur dabei. Er winkte mich zu sich rüber, aber ich tippte mir nur an die Stirn und hob meinen Drink in die Luft. Riku schloss sie den beiden an und ich beschützte weiter den Tresen. Einer musste ja aufpassen, dass hier keine Gläser verloren gingen.
Ich rutschte auf einen der Barhocker und nippte an meinem Drink, als Alex sich neben mich setzte.
„Where is my girl?", fragte ich und sah mich suchend um, fand sie aber am anderen Rand der Tanzfläche, wo sie sich mit Sami unterhielt.
Ich konnte nicht bestreiten, dass die Gin Tonics bereits ihre Wirkung zeigten und auch Alex verfiel in Gesprächslaune und schmiedete Urlaubspläne für gemeinsames Snowboarden in Finnland und wollte unbedingt, dass ich Sami mal mit nach LA brachte. Wir schwelgten in Erinnerungen an gemeinsam Abende in Los Angeles, wie wir Sophia irgendwie über den Teich hierher bekommen hatten und was für ein Streit ausgebrochen war, als sie erfahren hatte, dass wir bereits Pläne über ihre Zukunft in Finnland geschmiedet hatte, ohne dass sie eingebunden gewesen war.
„It's always good to have friends in different parts of the world. Du kannst kommen for die snow and I could come over to enjoy the sun. Perfect deal. So stay where you are." Lachte ich.
"Ich bin echt froh, dass wir uns kennengelernt haben." Meinte er etwas in Gedanken.
„Ja." Nickte ich. „It's good, when du hast people around you that you can trust. And I trust you, bro. When Sophia and me broke up, ich wusste, dass sie kann nach LA und da ist somebody, who cares for her. I mean, du bist ihre family. And I know I didn't act so nice, als du hast mich angerufen in summer, but I swear, I would have called you. Ich musste nur eine wenig clear sein in meine Kopf."
Er nickte und starrte auf den Tresen.
„I'm happy, dass wir sind friends und alles ist so easy. Es ist good, dass wir können reden über alles."
Alex war überraschend still, sah in der Gegend rum und reagierte nicht wirklich auf das was ich ihm gesagt hatte.
„Alles okay?"
Er nickte, sah aber an mir vorbei. Ich blickte über seine Schulter und erkannte Vivi, die mit einer Freundin am Rand der Tanzfläche stand und zu uns rüber sah. Ich hob die Hand und winkte zu den beiden rüber, aber sie sah mich nur verstört an, drehte sich zu Ida und wandte mir den Rücken zu. Normalerweise grüßte sie, wenn wir uns begegneten. Bei uns gab es kein böses Blut und ich verstand nicht, warum sie so reagierte. Vielleicht hatte sie Sophia entdeckt? Vivianne wusste, dass wir getrennt waren, aber sicher nicht, dass wir uns wieder näher standen. Trotzdem sprach nichts dagegen kurz rüberzukommen und "Hallo" zu sagen.
Ich sah auf meinen Drink, schnaufte und schüttelte den Kopf.
„Girls." Meinte ich genervt.
„Was?", fragte Alex.
„Meine ex-girlfriend steht mit eine friend over there. Ignoring me. Ich weiß nicht warum. Normally we talk, wenn wir sehen uns."
Alex drehte den Kopf in Vivis Richtung, die über die Schulter zu uns sah und dann nach Idas Hand Griff und durch die Menge Richtung Ausgang verschwand.
Komisch.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Ich unterhielt mich mit Sami, der sichtlich erfreut darüber gewesen war, dass Samu und ich wieder Zeit miteinander verbrachten.
„So you guys, mmh? I know that this wasn't the end of the story." Grinste er.
"We're working on it."
"He looks happy."
Ich lächelte und sah zu Samu rüber, der mit Alex am Tresen saß und sich unterhielt.
„You too." Meinte er.
„I am. I thought this wouldn't work again. We met and it was awful. Nothing to talk about. He gave me short answers and it felt like he lost every kind of interest."
"He didn't. Never. I know him. He was really jealous, when he saw you kissing this guy from the studio."
"I didn't wanna kiss him. That was more his intention and I told him, that I don't want any relationship chaos at the studio. And I wasn't interested in him as well."
"I know." Grinste er.
"It feels so good spending time with Samu again, but it's different. We're calmer. I don't know. Feels good."
Ich zuckte die Schultern und grinste. Sami lächelte, nahm einen Schluck seines Drinks und wollte gerade etwas sagen, als wir herumfuhren. Es klirrte und ein wirres Stimmengemänge drang zu uns rüber. Leute blieben stehen und sahen Richtung Bar. Zu Samus Füßen lag ein zerbrochenes Glas und er stand neben seinem Hocker und gestikulierte wild in Alex' Richtung. Der rutschte vorsichtig von seinem Stuhl und hob abwehrend die Hände und sprach auf Samu ein. Ich verstand kein Wort und sah erschrocken von Sami zu den beiden herüber. Samu hob den Finger, deutete auf Alex und fuhr ihn an. Sein Kopf war knallrot. Alex sagte etwas und zog die Schultern an. Als nächste stieß Samu den weißen Hocker um und das Sitzkissen rollte Richtung Tanzfläche. Noch bevor ich irgendwie schalten konnte, was hier gerade passierte, traf sich Samus und mein Blick und in dem Moment wusste ich, was passiert war. In seinem Blick lag Wut und Enttäuschung. Einen Moment sahen wir uns nur an. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte und wandte unsicher den Blick ab. Samu drehte sich wieder zu Alex, brüllte, gestikulierte und zeigte auf mich. Der Barkeeper hinter dem Tresen brüllte auch und schlug mit dem Handtuch auf den Tresen, was Samu aber ignorierte. Alex sagte wieder etwas und zuckte entschuldigend mit den Schultern, ohne ihn wirklich anzusehen und im nächsten Moment hatte Samu ihm schon am Kragen. Erschrocken fuhr ich zusammen und Sami rannte los. Er und Osmo zogen Samu weg und Raul warf sich etwas hilflos vor Alex, den Riku schon von hinten am Arm gepackt hatte und um die Ecke des Tresens zog. Osmo und Sami schrien auf Samu ein, der mit hochrotem Kopf versuchte sich loszureißen, in die Luft boxte und finnische Flüche ausstieß. Ich stand noch immer wie angewurzelt auf meinem Platz. Sami stellte sich vor Samu und sprach beruhigend auf ihn ein. Ließ ihn aber nicht aus den Augen. Der Barkeeper stand mit einem der Sicherheitsleute am Tresen und erklärte wohl, was gerade geschehen war. Alex sah zu mir rüber und war sichtlich nervös. Er wischte sich über die Stirn und formte ein „Sorry" mit den Lippen. Ich schüttelte nur enttäuscht den Kopf und sah wieder zu Samu, der den Kopf hängen ließ und Sami zuhörte. Riku schob nun, unterstützt von Raul, Alex Richtung Ausgang und Sami folgte mit Samu, dem Osmo hinterher schlich und Samus T-Shirt-Saum umklammert hielt. Sami winkte dem Sicherheitsmann und dem Barkeeper zu, die ungläubig der Meute hinterher sahen. Ich lief der Karawane langsam hinterher und blieb draußen zwischen den beiden Parteien stehen.
Samu schrie immer noch Alex an und war schon wieder einen Meter weiter gekommen, aber Sami drückte ihn an den Schultern zurück, während Osmo sich noch immer in sein Shirt krallte.
Diverse Schimpfworte flogen aus Samus Richtung zu Alex, der mit hängendem Kopf vor Riku stand und seine Schuhe ansah.
Auf einmal zog Samu sein Handy aus der Hosentasche und scrollte hämisch grinsend über das Display.
„What are you doing?" meinte Sami leise.
Samu lachte nur und rief laut in Alex'Richtung: „Do have a pen? Write down: 0035...." Er rief diverse Zahlen rüber und alle sahen ihn mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf an.
„Her name is Maija."
„And another one. Wait!" Er scrollte weiter.
„I got it. Iris. Write down: 0035..."
Er wurde weiter kritisch beäugt.
„Samu, what are you talking?" meinte Riku genervt?
"Just searching for mobile numbers of my ex-girlfriends. Maybe Alex would like to bang them too."
Alle starrten Alex an und wieder auf Samu. Der wiederum sah nun zu mir und schüttelte den Kopf.
„How could you do that?" brummte er. "Warum du hast nichts gesagt?"
Ich stand bewegungslos da und sah ihn traurig an.
Er sah wieder zu Alex, der nun den Kopf hob und reumütig zu ihm rüber guckte.
„And you." Meinte Samu ruhig. "I don't give a fuck about Vivi. Bad timing. I don't mind. But Sophia? You know how I felt that time. We just broke up. You called me."
Alle entspannten sich etwas, nachdem Samu aufgehört hatte rumzuschreien und auch Osmo hatte sein Shirt losgelassen. Langsam ging er auf Alex zu. „I thought we are friends, but now it feels like you waited for this moment. Did you?"
"Nein. Natürlich nicht." Meinte Alex empört und reckte das Kinn.
"Then why? Mmmh? You know her for so many years. You had so many chances. Why the fuck did you do that?"
"Ich hatte einfach gar keine Chance was zu sagen. Wir wollten da eigentlich gemeinsam mit dir drüber reden."
„You both, mmh? When? After Sophia moved in again or what?"
Alex starrte ihn nur an, während Samu weiter auf ihn zuging.
Als er Alex erreicht hatte, sah er auf ihn herab und grinste.
„Did you like it?" brummter er.
Alex funkelte ihn an.
"Was it good? Oh I bet it was." Lachte er tief.
Samu stieß mit seiner Brust gegen Alex' und der taumelte einen Schritt zurück.
"Did you enjoy it?"
Sofort hatte Osmo ihn wieder am Shirt zu fassen und Sami schob ihn zurück.
„Samu! Hör auf!" rief ich dazwischen.
Alle zuckten zusammen und sahen mich an. Samu hielt meinem Blick stand. Schüttelte Sami und Osmo ab, ging an mir vorbei und stampfte wütend Richtung Straße, bis er um die Ecke verschwunden war.

HeimkehrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt