Hurtsville

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„Du siehst aus wie der Tod auf Latschen." Meinte Mina und hängte ihre Jacke an die Garderobe, als ich meine Schuhe auf das Regal im Flur stellte und vor ihr in den Wohnbereich schlich. Schleichen war der richtige Ausdruck dafür. Ich sah auf die Uhr. Schon nach 10. Die letzten 2 Stunden waren wie im Zeitraffer an mir vorbeigezogen. Als hätte ich das alles gar nicht erlebt. Ich war froh gewesen, dass Mina mitgekommen war und im Wagen auf mich gewartet hatte. Ich hatte extra um die Ecke geparkt, weil ich nicht wollte, dass Sophia sie sah. Nicht jetzt. Nicht an diesem Abend. Sie würde denken, ich würde sie ersetzten und sich wieder bestätigt in ihrer Auffassung führen, ich könnte nur nicht alleine sein. Das konnte ich. Das war ich den ganzen Sommer über gewesen, aber jetzt wollte ich es nicht und ich war dankbar, dass Mina hier war. Ich hatte sie in Berlin gefragt, ob sie schon mal in Helsinki gewesen war und Lust hatte mich zu begleiten. Sie war skeptisch gewesen, hatte aber nachgegeben. Ich hatte sie gern um mich. Einfach weil sie es schaffte mir einen anderen Blick auf die Dinge zu vermitteln und es beherrschte mir die trüben Gedanken aus dem Hirn zu blasen. Jedenfalls von Zeit zu Zeit. Sie setzte mich nicht unter Druck und ließ mich tun, was ich wollte. Sie sagte ihre Meinung, redete mir aber nicht rein. Es war einfach.
Ich nahm mir ein Bier aus dem Kühlschrank, ließ mich auf das Sofa fallen und legte die Füße auf den Couchtisch.
„Willst du reden?", fragte Mina.
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich geh nach oben."
Sie ging die Treppe zum Gästezimmer hoch, in dem sie die 2 Nächte zuvor auch nicht geschlafen hatte. Ich hatte zwar das Bett bezogen, aber die Laken waren unbenutzt. Ich wollte sie bei mir haben und genoss den Sex mit ihr. Mein Kopf fühlte sich freier an und sie stellte keinerlei emotionale Anforderungen. Es gab kein Kuscheln. Jeder schlief auf seiner Seite des Bettes, trotzdem fühlte ich mich ihr nahe. Als ich ausgetrunken hatte, ging ich auf die Terrasse und rauchte eine Zigarette. Die Luft war kälter geworden und passte zu meinem Gemütszustand. Sophia so zu sehen hatte wehgetan. Ich hatte nicht einschätzen können, wie sie reagierte. Von einer Ohrfeige und einem Rausschmiss bis zu einem totalen Zusammenbruch hatte ich alles bereits in meinem Kopf abgespielt. Ich wusste, dass ich sie verletzte und das tat mir leid. Ich wollte das nicht. Aber ich konnte nicht anders. Es wäre unfair gewesen es zu versuchen, um dann in 2 Wochen festzustellen, dass es nicht ging und sie sich in Sicherheit gewogen hätte. Das hatten wir beide nicht verdient. Das sie so ruhig gewesen war, war wieder etwas, was ich nicht von ihr kannte. Die Sophia vom letzten Jahr wäre ausgeflippt, hätte mir gesagt, dass ich ein jämmerliches Arschloch sei, mir einen Therapeuten suchen sollte und hätte mich vor die Tür gesetzt. Jetzt hatte sie einfach nur todtraurig und zerbrechlich gewirkt. Gebrochen. Verunsichert. Das wollte ich nicht. Egal wie mies ich mich fühlte, weil ich ihr das antat, ich spürte auch ein wenig Erleichterung. Alles, was ich sagen wollte, hatte ich gesagt und ich war ehrlich gewesen. Keine Lügen mehr, keine Spielchen, keine Geheimnisse.
Ich drückte die Kippe im Aschenbecher aus und ging ins Schlafzimmer. Das alles hatte mich extrem geschlaucht und wenn ich schlief, schaltete sich wenigstens mein Hirn endlich mal aus. Ich ging ins angrenzende Bad, legte meine Klamotten über den Rand der Badewanne, ging duschen und suchte eine frische Boxershorts aus dem Schrank, bevor ich ins Bett kroch. Tief vergrub ich mein Gesicht im Kissen und seufzte tief. Eine Weile starrte ich nur in das spärlich beleuchtete Schlafzimmer und ließ den Abend nochmal Revue passieren. Das würde mich sicher einige Tage verfolgen. Der bittere Nachgeschmack. Was Sophia wohl jetzt tat? Ich hoffte Alex war bei ihr. Ich hatte gar nicht gefragt, wie es um die beiden stand. Ob Sophia ihm die Hölle heiß gemacht hatte, weil er ihr kleines Geheimnis ausgeplaudert hatte ohne vorher mit ihr darüber zu reden? Ob das nun zwischen ihnen stand.
Ich hörte wie sich die Tür öffnete und drehte mich um.
„Hey." Meinte Mina leise, trat an Bett und sah auf mich herab.
„Kann ich irgendwas tun?"
„No." Brummte ich und legte mich auf den Rücken.
„Okay. Dann lass ich dich allein. Vielleicht nicht die dümmste Entscheidung, wenn du dich zurückziehst. Du hast genug zum Nachdenken."
„I'm so tired of thinking."
Ich starrte an die Decke und strich mir durch die nassen Haare.
„Manchmal muss man das leider. Gerade wenn der Kopf der größte Feind ist. Morgen ist es sicher besser. Ich werde nämlich drauf bestehen, dass du mir die Stadt zeigst."
Ich lächelte.
„I will."
„Gute Nacht Samu."
Sie wollte sich umdrehen und gehen, aber ich hielt ihr Handgelenk fest. Mina sah auf meine Hand, die sie umklammerte und dann auf mich. Langsam zog ich sie näher, setzte mich ein Stück auf und zog sie aufs Bett, bis sie rittlings auf mir saß. Ich umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie innig, worauf sie sich einließ. Jedes Mal, wenn ich kurz die Augen öffnete, bemerkte ich, dass sie mich musterte und sich nicht fallen ließ. Ich schob meine Hände unter ihr Shirt, zog es ein Stück hoch und küsste vorsichtig ihren Bauch, während meine Hände langsam ihren Rücken hochstrichen.
„Keine gute Idee." Flüsterte sie.
Ich ignorierte das, zog sie an der Hüfte dichter an meinen Schoß und biss sanft in ihre Haut, schob das Shirt noch höher und fuhr mit meiner Zunge eine Linie von Ihrem Nabel bis zu ihrem BH, ohne sie aus den Augen zu lassen. Mina sah mich immer noch von oben an und schüttelte den Kopf, als ich sie zu einem weiteren Kuss heranziehen wollte. Sie drückte mich an den Schultern ein Stück von sich weg und musterte mich.
„Wenn du nur deinen Frust abbauen willst, dann tu das bitte woanders."
Ich lehnte meine Stirn an ihr Schlüsselbein und knurrte leise. Ich wollte einfach nur, dass mein Kopf aufhörte zu arbeiten und die Bilder von Sophia verdrängen, wie sie mich traurig angesehen hatte. Mit so viel Enttäuschung im Blick.
„Das ist keine frustration." Sagte ich leise und verteilte kleine Küsse an ihrem Hals. Wieder drückte sie mich weg.
„Doch. Und das weißt du auch. Ich bin gern hier. Ich verbringe gern Zeit mit dir und ich genieße den Sex. Aber nicht so."
Schnaufend ließ ich mich nach hinten in die Kissen fallen und starrte an die Decke.
„Sorry." Murmelte ich und fuhr mir über die Augen.
Sie kletterte von meinem Schoß und setzte sich im Schneidersitz neben mich auf die leere Bettseite.
„Hast du kein anderes Ventil? Ich mein, du siehst ja jetzt auch nicht aus, als würdest du deine Freizeit auf dem Sofa mit ner Tüte Chips verbringen."
Ich lachte leise und sah sie an.
„Es ist 11 Uhr. Do you want me to do some push ups now?"
"Wenn's hilft?" lachte sie und zuckte die Schultern.
Ich hätte irgendwie erwartet, dass sie beleidigt oder gekränkt wäre, dass ich versucht hatte die Situation auszunutzen, aber sie schien nicht sauer zu sein.
„Jetzt mal im Ernst? Was tust du, wenn du frustriert bist, wütend oder traurig?"
„Sex?" lachte ich wieder.
Sie zwickte mich in die Seite und grinste.
„I don't know. Sport. Music."
"Musik? Dann solltest du aufhören zu schmollen und dein Blut in dein Gehirn leiten. Ich habe da unten viele Gitarren stehen sehen."
„You can switch it on. It's not that I'm snipping my fingers und dann ich schreibe eine song. I have to be in a special mood, aber ich bin nicht jetzt."
"Wie hat sie reagiert?"
Ich seufzte.
„Sad. She was crying and was really, really disappointed."
Mina nickte.
"Hat sie es verstanden?"
"I think so. Ja. But I know, that this is not easy to understand. She thought, dass wir sind happy und dass alles wird gut. I think, dass sie war eine wenig surprised. I hurt her and I'm sorry for this."
"Wie geht es jetzt weiter?"
„Ich will nicht abbrechen die contact, but I think we have to calm down a little after tonight. To realize what happened. "
"Das solltest du auch tun."
"Yes." Ich nickte und sah sie an.
„Ich gehe jetzt schlafen."
Sie beugte sich zu mir runter und hauchte einen Kuss auf meine Wange. Vorsichtig schob ich eine Hand an ihren Hinterkopf und strich durch ihre Haare.
„Du kannst schlafen hier."
Sie grinste mich an.
„Nach der Aktion eben, denke ich nicht, dass das eine gute Idee ist."
„Ich mache nicht, what you don't want me to. Promise! I just don't wanna be alone."
Mina legte den Kopf schief und musterte mich.
„Okay." Meinte sie leise und ich hob die Bettdecke an und ließ sie darunter schlüpfen.
Ich schob einen Arm unter ihren Kopf und zog sie an meine Brust.
„Was wird das?", fragte sie, sah zu mir auf, legte aber ihren Arm um meinen Bauch.
„I'm touchy." grinste ich.
"Ja, das ist mir nicht neu, aber das hier geht wohl etwas über das hinaus, was wir haben."
„I know."
Ich sah zu ihr runter.
„Just tonight, okay?"
Mina seufzte, legte ihren Kopf zurück an meinen Oberkörper und schmiegte sich an mich. Ich strich über ihren Rücken und war kurze Zeit später eingeschlafen.

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Stundenlang hatte ich geweint und war gar nicht dazu in der Lage gewesen nach Hause zu fahren. Als ich endlich im Haus angekommen war, ging ich duschen und wickelte mich im Bett in meine Decke. Samus Worte hallten noch in meinem Kopf und ich verstand die Welt nicht mehr. Wahrscheinlich wäre es mir leichter gefallen, wenn er einfach gesagt hätte, dass die Sache mit Alex zu viel für ihn gewesen sei und er sich aus meinem Leben zurückziehen wollte. Aber er stellte all die schönen Momente in Frage, die wir gehabt hatten. Die Momente in denen ich mich wohl gefühlte hatte. Der Abend in dem Club, als er das erste Mal wieder seinen Arm um mich gelegt hatte, wie er mich vor der Haustür später geküsst hatte. Der Abend bei ihm zu Hause, als wir uns das erste Mal wieder näher gekommen waren, ohne bis zum Letzten zu gehen. Der Tag bei Stockmann und die Nacht danach. Ich dachte wir waren auf einem guten Weg, aber Samu hatte anscheinend nicht dasselbe gefühlt wie ich. Das war das schlimmste von allem. Diese Verbindung, die ich zwischen uns gefühlt hatte, war gar nicht dagewesen. Er sagte er hätte es nicht gewusst. Das war etwas, was ich nicht nachvollziehen konnte. Ich war mir so sicher gewesen. Ich war mir meiner Gefühle sicher und dass seine nicht für eine Beziehung reichten, verletzte mich am meisten.
Irgendwann ging die Tür zu meinem Schlafzimmer auf. Ich sah auf und blickte in Alex besorgtes Gesicht.
„Oh Gott, was ist passiert?", fragte er, war mit langen Schritten bei mir und setzte sich auf die Matratze.
Alex zog mich an sich und legte seinen Kopf an meinen.
„Samu war im Studio." Schluchzte ich. „Er hat gesagt, dass seine Gefühle nicht ausreichen. Er wüsste nicht, ob er mich noch liebt und müsste sich erstmal klar darüber werden, was passiert ist."
„Da hat er doch schon genug Zeit für gehabt. Du sitzt doch hier seit Wochen in einem Schwebezustand."
Und dann heulte ich. Ich vergrub mein Gesicht in Alex' Pulli und weinte hemmungslos wie ein Kind. Alex strich mir durch die Haare und saß einfach nur stumm da. Minutenlang konnte ich nicht mehr aufhören und schluchzte verzweifelt in den Stoff seiner Kleidung. Nachdem ich mir die letzten Wochen gewünscht hatte, dass er vielleicht doch nach Hause geflogen war, war ich jetzt einfach nur glücklich, dass er da war. Alleine hätte ich das Gefühl gehabt den Verstand zu verlieren.
Als ich mich langsam beruhigte und nach einem Taschentuch griff, das auf dem Nachtschrank lag, sah Alex wütend auf die Tür.
„Ich bin so kurz davor zu ihm zu fahren und ihm die Eier abzureißen." Knurrte er. „Ich verstehe ihn nicht. Alle Welt, jeder der euch kennt, weiß, dass da etwas ist, nur er nicht? Das ist doch Bullshit."
Ich lehnte mich an das Kopfteil des Bettes und zog die Beine an. Tief atmete ich aus und schloss die Augen.
„Er hat gesagt, dass wir uns verändert haben und dass er nicht mehr der ist, der er einmal war. Er hätte das Gefühl sich zu verstellen und ich würde das auch tun. Alex, ich verstelle mich nicht. Ich liebe ihn. Das ist alles."
„Du hast dich schon verändert."
„Natürlich hab ich mich verändert." Sagte ich aufgebracht und ließ die Hand auf die Matratze fallen. „Nachdem, was wir miteinander erlebt haben.... Jeder würde sich da verändern."
„Ich finde du hast dich gar nicht zum negativen verändert. Deswegen verstehe ich ihn noch weniger."
„Er sagte, dass es nicht meine Schuld sei. Er würde sich selbst im Weg stehen und zu viel auf seinen Kopf hören. Er hat Angst verletzt zu werden."
„Und jetzt? Das war's?"
„Samu meinte, dass er den Kontakt nicht abbrechen will und ich ihm wichtig bin."
„Ach so. Freunde bleiben? Sag mal spinnt der oder was? Sollst du jetzt einfach umswitchen? Von der großen Liebe auf best buddies? " knirschte Alex und sah mich wütend an.
„Ich glaube ein endgültiges „Ich liebe dich nicht mehr" wäre mir leichter gefallen."
„Wir wissen doch beide, dass er sich da was vormacht."
„Hör auf mir Hoffnungen einzureden, die ich nicht mehr haben will. Ich habe lange genug gehofft, dass alles gut wird."
„Ich fass es nicht. Ich mein, was verlangt er denn? Wie sollst du dich denn verhalten? Ich verstehe das nicht."
„Ich weiß es auch nicht. Aber will auch keine Beziehung mit einem Mann führen, der nicht weiß, ob er mich liebt. Und mit Sicherheit werde ich jetzt nicht hier sitzen und warten, bis er es sich anders überlegt. Das hat er auch nicht gesagt. Ich muss irgendwie weitermachen. Ohne ihn. Mein Glück kann ja nicht ewig nur von Samu abhängen."
Wieder fing ich an zu weinen und Alex rollte sich neben mich und zog mich in seine Arme.
„Also das was wir gemacht haben, das war ganz große Scheiße. Und das ich ihm das an diesem Abend so unvorbereitet und ohne deine Einwilligung gesagt habe, das war auch Mist. Aber das er nun alles mit Gewalt auseinander nimmt, weil er mit sich selbst nicht klarkommt, dafür habe ich kein Verständnis. Er haut wochenlang ab und dann kommt er wieder und das ist die einzige Erkenntnis, die er hat? Das er nicht weiß, ob er dich liebt? Also Entschuldige bitte, aber wenn ich jemanden liebe, dann weiß ich das. Punkt! Samu Haber weiß ganz genau, was er empfindet. Entweder hat er nicht die Eier das zu sagen oder er hat echt ein Problem mit sich selbst."
Alex legte sein Kinn auf meinen Kopf und strich über meinen Rücken. Ich merkte, dass er wütend war und die Situation nicht verstand.
„Ich weiß wie er sich fühlt." Meinte ich leise. „So habe ich mich damals auch gefühlt. Ich wusste, dass Samu mit mir zusammen sein wollte, trotzdem habe ich immer wieder abgeblockt. Ich war mir nicht sicher, ob meine Gefühle reichten und ich wollte nicht riskieren verletzt zu werden oder Samu zu verletzen. Hätte er damals nicht sehr deutlich gesagt „entweder, oder", ich hätte diesen Schritt niemals gemacht."
„Vielleicht solltest du das selbe machen."
„Dafür ist es zu spät. Er würde mich gehen lassen. Dafür ist einfach zu viel passiert."
Alex seufzte.
„Kannst du heute Nacht hier schlafen?" meinte ich leise und vergrub mein Gesicht an seinem Hals.
„Klar." Brummte er und strich durch meine Haare.

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Ich wachte mitten in der Nacht auf und konnte nicht wieder einschlafen. Die Uhr meines Telefons verriet mir, dass es 3 Uhr war. Mina schlief tief und fest, hatte ihren Arm noch immer um meinen Bauch geschlungen und lehnte an meiner Brust. Vorsichtig rückte ich ein Stück weg und zog meinen Arm unter ihrem Kopf hervor. Sie murrte nur leise, zog die Decke höher und drehte sich auf die andere Seite. Ich griff nach einer Hoodiejacke, die auf dem Sessel in der Ecke lag, zog sie über und tapste aus dem halbdunklen Schlafzimmer raus in den kleinen Flur. Ich holte mir einen Schluck Wasser in der Küche und lehnte am Tresen. Draußen war es ruhig und stockdunkel. Die Baumkronen bewegten sich keinen Zentimeter. Ich trank noch einen Schluck Wasser und stellte das Glas in die Spüle. An Schlafen war erstmal nicht zu denken. Ich nahm meine alte Gitarre aus dem Ständer neben dem Sofa und schlich hoch ins Studio. Die indirekte Beleuchtung hüllte den Raum in ein gemütliches Licht. Ich nahm auf dem Sofa Platz und zupfte etwas gedankenverloren auf den Saiten herum und sang leise einen Song, den ich vor langer Zeit mal geschrieben hatte, kurz bevor ich Sophia in LA getroffen hatte:

„Afraid if I go back
She won't be waiting
Like she always was
That'd be a little heavy
It goes against my nature
It messes with my head
She wanted to go with me, I know but still
There's only room for me in Hurtsville" *

Irgendwie hatte der Song heute eine vollkommen neue Bedeutung für mich. Immer noch ging es um Heimweh. Die Angst davor nach Hause zu kommen und nichts wäre so wie ich es verlassen hatte. Ähnlich hatte ich mich im Urlaub gefühlt. Eigentlich hatte ich mich den ganzen Sommer so gefühlt. Ich hatte mich schon so gefühlt, als ich zum ersten Konzert nach Deutschland aufgebrochen war und gehofft hatte, dass Sophia noch da wäre, wenn ich zurückkam. So war es nicht gewesen und dieses Gefühl hatte nicht mehr nachgelassen. Ich fühlte mich rastlos und das, obwohl ich Zuhause war und keine Termine im Nacken hatte. Ich hatte gewusst, dass sich nach diesem Urlaub etwas ändern würde. Ich hatte gewusst, dass ich etwas ändern musste. Das hatte ich getan. Zwar war die Last leichter geworden, aber gut fühlte es sich noch lange nicht an. Ich war einfach zu ungeduldig. Natürlich konnte ich nicht nach 3 Stunden aufwachen und die Welt war wieder in Ordnung.
Ich klappte mein Macbook auf und hörte mir die Aufnahmen an, die ich Barcelona gemacht hatte. Immer und immer wieder spielte ich die letzte Aufnahme ab, schnappte mir Zettel und Stift aus der Schublade neben dem Pult und kritzelte neue Ideen auf den Block. Ich war gerade in einigen Akkorden versunken, als ich Mina im Türrahmen lehnen sah.
„Sorry. I didn't wanna wake you up."
"Hast du nicht. Ich bin von allein aufgewacht." Meinte sie heiser und lächelte. „Was machst du?"
„Searching a valve."
Mina streckte sich und tapste barfuß in Slip und einem langen Shirt durch das Studio und sah sich um.
„Ist das ihr Studio?"
„Ja."
„Schön."
„I like it too. Aber es ist komisch hier zu sein. It doesn't feel like it's mine."
"Das glaube ich. Hast du hier schon viel gearbeitet?"
„No. Ich war nur in die Wohnzimmer. I recorded some stuff here, aber nur eine Nacht. Ich habe noch immer eine strange feeling mit diese room."
„An was arbeitest du?", fragte sie, setzte sich neben mich auf das Sofa in den Schneidersitz und sah auf meine Unterlagen.
„A song I started writing in Barcelona. Basically the night after we met. The first night after weeks I was really working."
"Warum?"
"Found a valve." Grinste ich.
Mina boxte mir gegen den Arm.
„Mein Ex-Freund war Musiker. Ich habe manchmal mit ihm geschrieben. Mehr schlecht als recht, aber es hat Spaß gemacht."
„Mehr schlecht als...what?"
Sie lachte.
„Nicht sonderlich gut."
"So a musician boyfriend, mmh?"
"Ja. Er in kleinen Clubs gespielt in Barcelona, aber zum Leben hat es nicht gereicht. Er war hauptberuflich Polizist."
„A cop? What the fuck?!"
"Was? Das ist ein ganz normaler Beruf."
Ich schüttelte den Kopf.
„I can't imagine you with a cop."
Sie lachte laut.
"Warum nicht?"
"Ich weiß nicht. I mean, you're a photographer. That means you're more into creative stuff and your boyfriend was running around and giving speeding tickets or punishing people for wrong parking. How lame is that?"
Sie schüttelte den Kopf.
"Er war gut in seinem Job und auch eher kreativ. Sonst hätte er sich sicher nicht mit Musik beschäftigt. Hätte er sie Chance gehabt da mehr draus zu machen, hätte er seinen Beruf sicher an den Nagel gehängt. Nicht jeder hat die Chance, das Talent und das Glück damit Erfolg zu haben."
„That's true." Meinte ich leise. „So, was ist passiert mit deine boyfriend?"
„Er erfreut sich bester Gesundheit, soweit ich weiß."
„I mean, what happened to your relationship?"
"Naja. Er hat im Schichtdienst gearbeitet und ich tagsüber. Ich bin viel gereist und irgendwann haben wir uns nur noch die Klinke in die Hand gegeben."
Ich sah sie fragend an.
„Wir haben uns auseinandergelebt. Hatten keine Zeit mehr füreinander. Da habe ich es beendet."
„Wann war das?"
„Vor einem halben Jahr."
„Are you over it?"
Sie legte den Kopf schief und überlegte.
„Ja. Ich habe ihn schon lange davor nicht mehr geliebt, ohne es zu merken."
Ich schnaufte, legte die Gitarre zur Seite und lehnte mich auf dem Sofa zurück.
„Seems like I know this story." seufzte ich.
"Nein. Du weißt nur nicht, was du fühlst, aber du fühlst etwas. Ich war mir sicher, dass das nichts mehr ist. Ich hätte es wohl gar nicht so schnell gemerkt, bis mein Ex-Freund meinte: „Irgendwie läuft's nicht mehr so gut.". Und ich dachte: „Stimmt. Du hast recht. Lassen wir's gut sein." Das ist was ganz anderes. Ich war zwar traurig, dass die Beziehung zu Ende war, aber ich hab ihn nicht vermisst oder mir Vorwürfe gemacht. Er hat mich nicht verletzt und ich ihn nicht. Die Zeit hat uns einfach gekillt."
Ich schwieg und zog den Mund schief.
„Habt ihr hier auch zusammen gearbeitet?"
„Nope." Ich schüttelte den Kopf. „Basically wir haben nie zusammen gearbeitet."
„Nie?"
„Nein."
„Warum nicht?"
„Ich weiß nicht. I have my band stuff, sie hat ihre songwriting producing stuff. We never found time to work together. She moved out days after die studio here was finished."
"Naja. Um Songs zu schreiben muss man nicht unbedingt in einem Studio sitzen, oder?"
Ich wurde nachdenklich.
„No. That's right. Ich weiß nicht warum. I'm not even sure if sie hat gehört all of my songs or all Sunrise Avenue stuff. She only saw one concert. We came together, while I was doing the TV show in Germany and she didn't had the opportunity to see us on stage, because the band had a break after it. Sie war auf unsere first concert here in Helsinki and that was awesome. I loved the feeling to know, dass sie ist down there in die audience. And we really had a great evening. That was the only evening we had, when I thought she might have understood, dass sie ist eine part of alles. Dann wir hatten eine big fight in Barcelona and she went back to Helsinki instead watching our concert in Germany and we broke up before the tour in summer started. Sie war auf eine concert in Berlin, but ich habe nicht gewusst, dass sie ist da. Jetzt ich denke, dass es war really nice, dass sie war da. She wanted to show me, that she wants to be a part of my life and all this chaos around me."
"Ich komme gar nicht darüber weg, dass ihr das hier", sie deutete auf meine Gitarre und meine Unterlagen, "nicht geteilt habt. Konzert hin oder her. Ihr schreibt Musik. Warum teilt man sowas nicht."
„Ich weiß nicht. She never asked. I never asked. Ich habe nicht so viel songs geschrieben during our relationship. Alles was ich habe angefangen ist nicht fertig. I just wrote half songs." Lachte ich.
„Wahrscheinlich weil der zweite Teil fehlte." Meinte Mina nachdenklich und sah mich an. „Kann es sein, dass du da auch nie so richtig aufgemacht hast? Das du sie da gar nicht reingelassen hast? Ist dir das zu intim?"
„Of course es ist eine intimate thing to write songs. It's easier to do this with people who don't know your story or maybe with a friend. Maybe es ist nicht so easy to this with the girl you wrote the song about."
"Das ist ein Argument."
Minas Blick klebte an dem Foto von Sophia und mir vor dem Hollywood Sign, auf dem Regal. Der Rahmen war kaputt, weil er meinem Wutanfall nach meiner Rückkehr nach dem ersten Deutschlandkonzert zum Opfer gefallen war. Irgendwie hatte ich es noch nicht übers Herz gebracht das Bild wegzuräumen. Aber da ich mich hier eh so gut wie nie aufhielt, war es wieder in Vergessenheit geraten. Mina stand auf und nahm das Bild vom Regal.
„Sie ist hübsch."
„Ja. Was hast du gedacht? Das sie ist eine ugly girl with hairy legs?"
Sie lachte und stellte das Foto zurück.
„Nein. Natürlich nicht. Ich hatte nur irgendwie ein anderes Bild im Kopf."
„Was für eine Bild?"
„Naja. Blonde, lange Haare, groß, schlank. Man könnte dir fast ein Schema andichten."
Ich grinste.
„Mmmmh. Maybe."
Mina kam auf mich zu und lächelte verheißungsvoll.
Ich sah zu ihr hoch, als sie langsam auf mich zukam und ohne Umschweife auf meinen Schoß kletterte.
„Bist du so einer, der immer auf denselben Typ Frau steht?", fragte sie leise, lehnte ihr Arme hinter mir auf die Rückenlehne des Sofas und küsste mein Ohrläppchen.
„No." Gab ich kaum hörbar zurück und rutschte tiefer auf das Sofa, als ich meine Hände an ihre Hüften legte. „Do you have a special type?"
„Mmmmh." Machte sie. „Ich mag Männer die groß sind und humorvoll." Langsam bahnte sie sich ihren Weg über meinen Hals und zog den Reißverschluss an meiner Hoodiejacke runter. „Gut gebaut."
Ihre Hand fuhr über meine Brust runter zu meinem Bauch und ich schloss die Augen, als ihre Hand an dem Bündchen meiner Boxershorts angekommen war.
„Tätowiert." Sie strich über meine Arme und rutschte langsam von meinem Schoß und blieb vor mir auf dem Boden knien. Mina küsste meinen Bauch und zog an meinen Shorts. „Vielleicht steh ich auf Musiker. Macht mich das zu einem Groupie?" wisperte sie und küsste sich am Bündchen entlang.
„Maybe a little bit." Grinste ich und schob eine Hand in ihre langen Haare, als Mina mich meinen Shorts entledigte.
Die nächsten Minuten war ich auf die Zimmerdecke und Minas Lippen fokussiert. Vielleicht brauchte dieser Raum auch einfach einen neuen Vibe.


Music & Lyrics: Samu Haber, Sharon Vaughn, Carl Björsell

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