Touch

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Eigentlich war mir danach, nach Hause zu fahren und mich unter der Decke zu verkriechen, aber ich musste einfach dringend mit jemandem reden. Gerade mal eine Stunde hatten wir zusammen verbracht und jetzt war ich schon wieder auf dem Weg nach Hause. So hatte ich mir das Treffen mit Samu nicht vorgestellt. Natürlich hatte ich nicht erwartet, dass alles auf einen Schlag wieder gutwerden würde, aber ich hatte erwartet, dass wir wenigstens reden konnten und die Zeit schneller verging. Die Zeit mit ihm war die längste Stunde meines Lebens gewesen. Immer wieder hatte das Gespräch gestockt und eigentlich hatte wir nur Smalltalk geführt oder machten oder erklärten uns. Hätten wir eine halbe Stunde länger dort gesessen hätten wir uns wahrscheinlich längst wieder gestritten. Warum fühlte es sich auf einmal so fremd an? Samu hatte gesagt er wäre auch nervös. Davon hatte ich nichts bemerkt. Er hatte selbstsicher gewirkt und war wortkarg gewesen. Nicht wie im Studio, als er gekommen war um sich zu entschuldigen. Da hatte ich ihm sehr deutlich angemerkt, dass er aufgewühlt war. Diesmal wirkte er viel abgeklärter. Es war gar nicht möglich gewesen über einen eventuellen Neuanfang zu reden. Wir waren ja mit einem normalen Gespräch schon überfordert.
Das Samu und ich nicht reden konnten war mir noch fremder. Gerade er redete meistens mehr als ich und wir hatten immer irgendwelche Themen gefunden. Auch in der Zeit bevor wir wieder zusammengekommen waren. Ja, wir hatten uns gestritten, aber wir hatten auch gute und ehrliche Gespräche geführt. Schweigen war mit ihm eigentlich nicht unangenehm. Jetzt war es die Hölle. Das war eine Sache, die sich nur geben würde, wenn wir mehr Zeit miteinander verbrachten. Aber wie? Nach einer Stunde hatten wir uns bereits nicht mehr zu sagen.
Ich hielt am Studio und ging durch in den Aufnahmeraum, in dem Alex und Joonas über dem Pult brüteten.
Alex drehte seinen Sessel zu mir rum und sah mich überrascht an.
„Du bist schon zurück?"
Ich nickte und sah ihn traurig an.
„Joonas, wir sind mal eben eine rauchen." Meinte er, ohne ihn anzusehen, legte den Arm um mich und schob mich wieder zum Ausgang. Kaum standen wir vor der Tür, schloss Alex seine Arme um mich.
„Was ist passiert?"
Ich seufzte, vergrub mein Gesicht in seinem Shirt und atmete ruhig.
„Nichts. Rein gar nichts. Wir konnten einfach nicht miteinander reden."
„Die alte Quasselstrippe hatte nichts zu sagen? Sieht ihm gar nicht ähnlich." Murmelte er und strich beruhigend über meinen Rücken.
„Wir haben die meiste Zeit geschwiegen und immer wieder kam diese Sache mit Joonas auf. Er sagt ich würde sagen, dass ich ihn vermisse, mich aber nicht so verhalten und ich soll ihn doch verstehen, dass es für ihn auch nicht leicht wäre."
Ich löste mich aus seiner Umarmung und strich mir die Haare aus dem Gesicht.
„Er wäre auch nervös. Davon hab ich gar nicht gemerkt. Er wirkte total abgeklärt und ruhig. Es hat sich angefühlt, als würden wir uns streiten, wenn wir noch länger miteinander dort gesessen hätten."
Alex schnaufte, schob mir eine Zigarette zischen die Lippen und zündete sie an.
„Ihr braucht einfach mehr Zeit. So schnell geht das alles nicht."
„Wenn wir nicht mal eine Stunde miteinander ertragen, wie soll das denn weitergehen?"
Alex zündete sich auch eine Kippe an und blies den Rauch aus.
„Ihr habt lange nicht geredet. Natürlich ist das nicht einfach mal eben gegessen. Ihr habt euch sooft gegenseitig verletzt und dann diese ganze Sache mit dem Kerl dadrin." Er deutete mit dem Kopf auf die Tür.
„Hab mal ein wenig Geduld."
„Ich hab nicht erwartet, dass mit einem Schlag alles wieder in Ordnung ist. Trotzdem dachte ich, dass da wenigstens irgendetwas ist. Ein Knistern, ein Lächeln, ein Blick, eine Berührung. Keine Ahnung. Die Anziehung zwischen uns war einfach immer so stark. Davon habe ich heute nichts bemerkt. Als gäbe es sie einfach nicht mehr. Ich hatte das Gefühl ich säße neben einem Fremden. Und dann diese Stille zwischen uns. Das war schrecklich. Selbst nachdem wir uns damals in Berlin nach Jahren wiedergesehen haben, war es nicht so schlimm."
Alex nickte.
„Aber das war auch bevor ihr wirklich eine Beziehung hattet und du nach Helsinki gezogen bist. Die Situation ist etwas komplizierter. Hier ist ne ganze Ladung Vertrauen hopps gegangen und jeder hat jeden verletzt. Das ist vielleicht für euch beide etwas viel."
Ich seufzte wieder, zog an meiner Kippe und vergrub mein Gesicht wieder an Alex Brust, der bereitwillig seine Arme um mich legte und sein Kinn auf meinem Kopf parkte.
„Ich weiß, dass das Scheiße ist. Da musst du jetzt durch. Eigentlich ihr beide. Manchmal kriegt man einfach nicht immer gleich sofort eine Antwort auf seine Fragen."
Eine Weile standen wir nur da und schwiegen.
„Willst mit reinkommen oder nach Hause?"
„Ich komme mit. Zu Hause fällt mir nur die Decke auf den Kopf. Er hat übrigens gesagt, dass er sich melden wird wegen dieser Sache mit dem Boot und das er sich freut. Schön, dass er sich darauf freut. Das Treffen mit mir war ja eher ein Spießroutenlauf."
„Ach komm." Er küsste meine Stirn. „Ich wird ihn dir nicht ausspannen. So süß ist sein Arsch nicht."
Ich lachte leise in sein Shirt.
„Komm, wir gehen rein. Morgen gehen wir feiern. Klingt das gut?"
Ich sah zu ihm hoch und nickte.

Joonas hatte sich mit Kommentaren über das Treffen mit Samu zurückgehalten und hatte nur in der Küche neben mir seinen Tee eingeschenkt und mich von der Seite angesehen.
„Ist alles ok bei dir?"
Ich nickte und lächelte ihn an.
„Ja. Alles etwas kompliziert."
„Wenn du reden willst... . Ich behalte meine fehlenden Sympathien auch für mich. Ich wollte mich da vorhin nicht so einmischen. Das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass dir das noch so nahe geht. Das hab ich vielleicht unterschätzt."
„Danke. Aber es geht schon. Das Treffen ist etwas anders abgelaufen, als ich gehofft hatte. Ich muss da erstmal eine Nacht drüber schlafen."
Joonas nickte mir zu, strich im Vorbeigehen über meine Schulter und meinte leise: „Wie gesagt, wenn du reden willst... Alex wird ja nicht immer hier sein."

Alex schlief schon seit Stunden, während ich immer noch wach im Bett lag und über das Gespräch mit Samu nachdachte. Ich ärgerte mich, dass ich mich angestrengt hatte die richtigen Worte zu finden und er so wortkarg gewesen war. Er hatte am Telefon gesagt, dass ich ihm auch fehlte. Eigentlich saßen wir doch im selben Boot und wollten das gleiche. Wir wollten einen Weg finden vielleicht wieder zueinander zu finden. Warum war unser Treffen dann so verkrampft abgelaufen?
Genervt drehte ich mich auf die andere Seite und starrte auf meinen Wecker. Halb 3. Am nächsten Abend wollten Alex und ich uns mit Joonas in einer Bar treffen und später noch ein wenig um die Häuser ziehen. Nach Feiern war mit eigentlich gar nicht zumute, aber wenn Alex schonmal hier war, konnte und wollte ich mich nicht einfach ausklinken.
Ich griff nach meinem Handy auf dem Nachtschrank und öffnete das Chatfenster mit Samus Nachrichten. Ich scrollte durch den Verlauf und wieder entdeckte ich die Nachricht mit meinem Spitznamen. Nachdem ich diese Nachricht gelesen hatte, war ich mir so sicher, dass wir noch irgendwie eine Chance hätten. Jetzt fühlte es sich nicht mehr so an. Vielleicht hatte Alex recht. Ich musste Geduld haben, aber mit dem Mann zu fremdeln, den ich liebte war die reinste Folter. Meine Gefühle waren immer noch dieselben, aber ich fühlte mich einfach total gehemmt. Kurz überlegte ich ihm zu schreiben, schloss die App aber wieder und legte das Telefon zurück. Ich wollte ihn auch nicht überfordern oder bedrängen. Vielleicht würde sich eine andere Gelegenheit ergeben.

Nachdem Joonas uns durch diverse Bars Helsinkis geschleift hatte und die Jungs schon ganz gut angeheitert waren landeten wir in der nächsten Nacht in einem Club mit dem Namen „LeBonk". Ich wusste, dass Joonas sich hier öfters mit Freunden zum Feiern traf und augenscheinlich wurde er hier auch schon von einigen Leuten erwartet. Ein paar der Gesichter hatte ich schon mal gesehen oder einige Namen gehört. Tommy und Julia kannte ich bereits, da Joonas und ich bereits mit den beiden Essen gewesen waren. Alex wurde überall vorgestellt und fand schnell Gesprächsstoff mit Joonas Freunden, während ich mich kurz entschuldigte und die Toilette aufsuchte.
Ich untersuchte mein Spiegelbild, als ich mir die Hände wusch und reihte mich neben anderen Damen ein, um meinen Lippenstift nachzuziehen. Ich strich das schwarze schulterfreie Kleid und befreite einen meiner High Heels von einem Kaugummi, den ich anscheinend unterwegs irgendwo mitgenommen hatte.
Als ich die Treppe zu einem der 3 Floors, auf dem die anderen sich befanden wieder runterging, kam Joonas mir entgegen. Er griff nach meinem Handgelenk und zog mich ein Stück zur Seite. Überrascht sah ich ihn an.
„Ich dachte ich warne dich vor."
Ich zog die Stirn kraus.
„Vor was?"
„Samu ist auch hier."
Ich seufzte und fuhr mir durch die offenen Haare, die ich über meine linke Schulter legte.
„Das ist okay. Alex freut sich sicher." Meinte ich, ohne davon überzeugt zu sein, ob es für mich okay war.
„Ja, das tut er. Die beiden führen da gerade so eine Art Balztanz auf."
Ich lachte.
„Das glaub ich dir ohne weiteres."
„Ich wollte dich nur warnen. Ich weiß nicht, wie der Stand der Dinge da bei euch ist."
„Danke. Schon okay. Es gibt keinen Stand. Lass uns zu den anderen gehen."
„Ich muss eben für kleine Ballerinen. Also entweder du wartest kurz oder du musst dich allein in die Höhle der Löwen stürzen."
„Ich denke ich werde das überleben. Wir sehen uns unten, ok?"
„Okay." Er grinste schief und ging einige Stufen hoch.
„Sophia?" rief er mir hinterher.
Ich drehte mich um und sah die Treppe zu ihm hoch.
„Tolles Kleid übrigens."
Ich lächelte.
„Danke."
Joonas verschwand um die Ecke Richtung Toiletten und ich atmete nochmal tief durch bevor ich die Treppe weiter hinunterging.
Schon von weitem erkannte ich Samu und Alex, die sich in den Armen lagen, lachten, sich ansahen, etwas sagten, sich auf die Schulter klopften und wieder umarmten. Ich musste grinsen. Irgendwie war es schön die beiden wieder vereint zu sehen. Ich blieb am Ende der Treppe stehen und beobachtete die kleine Wiedersehensfeier. Ich erkannte einige von Samus Freunden, die ich nur auf dem Konzert in Helsinki kurz zu Gesicht gekommen hatte oder die ich von Bildern kannte. Darunter waren einige Eishockeyspieler und Leute, mit denen er auch zu den Spielen gegangen war. Von der Band war niemand im Schlepptau. Kein Verbündeter auszumachen. Also musste ich da wohl allein durch. Gott sei Dank war Alex hier. Das Joonas zum Klo musste kam mir gerade Recht. Wenn ich den nun wieder mit mir schleppte, wären wohl meine letzten Felle davongeschwommen.
Während ich noch lächelnd die Vereinigung der beiden Männer beobachtete, sah Samu über Alex'Schulter auf und bemerkte mich. Er sagte etwas zu Alex und löste sich aus seiner Umarmung, als der sich auch zu mir umdrehte.
Ich ging zu den anderen rüber und Samu lächelte mich an.
„Hey!" meinte er, als ich bei ihnen ankam.
„Hey!" ich grinste und sah kurz verlegen an ihm herunter.
Er trug schwarze Jeans, braune Lederschuhe, ein weißes Shirt und darüber einen hellgrauen Cardigan. Die Haare hatten keine Mission. Die lagen wild durcheinander um sein Gesicht und gerade pustete er sich eine Strähne aus dem Auge.
Ich machte den letzten Schritt auf ihn zu und Samu legte vorsichtig die Arme um mich. Kurz schloss ich die Augen, strich wie zufällig über seinen Rücken und er legte eine Hand an meine nackte Schulter.
„Long time no see." Brummte er lächelnd, als er sich von mir löste.
„Was macht ihr hier?" ich lächelte grüßend in die Runde. Seine Freunde standen etwas Abseits, beobachteten sie Szene allerdings.
„Ja, ich war die böse Bitch, die nie mit zu einem Spiel gekommen ist und ihn am Ende sitzengelassen hatte. Angenehm. Guten Abend." Dachte ich
Alex grinste wie ein Honigkuchenpferd während Joonas Freunde in ein Gespräch verwickelt waren, ohne uns weitere Beachtung zu schenken.
„Wir haben gegessen zusammen and stopped here for a drink. Wir wollten gehen jetzt, but then ich habe gesehen diese dude hier." Er drehte sich zur Seite und boxte Alex gespielt in den Bauch, der sich intuitiv nach vorn beugte.
Samu legte den Arm um ihn und grinste jetzt genauso breit wie mein bester Freund. Immer wieder sahen die beiden zwischen sich und mir hin und her und ich musste lachen.
„Ich sehe schon. Ihr seid euch einig."
„Love at first sight." Grinste Samu, drehte sich lachend zu seinen Kumpels um und deutete auf Alex.
Die lachten einstimmig und nickten Alex freudig zu. Samu stellte ihn vor und ich deutete Alex, dass ich kurz an die Bar ging. Ich reihte mich hinter den anderen Leuten ein, die ebenfalls warteten einen Drink zu bestellen und kramte in meiner kleinen schwarzen Umhängetasche nach meiner Kreditkarte.
„Alles klar?" hörte ich Joonas neben mir.
„Ja. Ich will nur eben was zu trinken bestellen." Meinte ich und drehte mich absichtlich nicht zu ihm. Ich mochte ihn und fühlte mich gerade schrecklich wegen meiner Gedanken und am liebsten hätte ich ihn gerade einfach weggebeamt.
„Ich lad dich ein." Sagte er und legte seine Kreditkarte auf den Tresen.
„Bitte nicht." Meinte ich und legte meine Hand auf seine Karte.
„Versteh mich nicht falsch. Wir sind Freunde. Ich finde es nett, dass du jetzt irgendwie da sein willst, aber zwischen Samu und mir ist so viel Unausgesprochenes und er hat uns sooft zusammen gesehen. Ich will nicht, dass er etwas Falsches denkt."
„Ach so. Das war also okay, solange du gedacht hast du hättest keine Chance bei ihm?"
„Nein. So ist das nicht. Du verstehst mich vollkommen falsch. Das Timing ist gerade nicht gut. Das ist alles."
Ich schnaufte verächtlich und schüttelte den Kopf.
„Joonas, bitte. Alles ist okay. Wir sind hier in dem Club und alles ist in Ordnung. Aber meinen Drink zahle ich allein."
„Was ist sein Problem mit mir? Ich verstehe das nicht. Wenn er doch weiß, dass zwischen uns gar nichts läuft, warum ist das hier jetzt ein Problem für ihn."
Ich seufzte.
„Er hat uns beim Eishockey gesehen und auch den Kuss, ok. Ich will einfach nicht, dass er etwas Falsches über uns denkt, weil ich gerade erst erklärt habe, dass es nicht so ist."
„Sophia, ihr seid nicht mehr zusammen. Du kannst küssen wen du willst."
„Ich will niemand anderen küssen. Verstehst du es denn nicht? Es tut mir leid, wenn ich da vielleicht falsche Signale gesendet habe, aber ich hab dir auch gesagt, dass ich das nicht will. Du wusstest doch, dass ich mit der Sache noch nicht durch bin, also gib mir jetzt bitte auch einfach den nötigen Freiraum diese Sache irgendwie wieder richtig zu stellen." Fuhr ich ihn an.
Joonas sah mich nur überrascht an, zog die Augenbrauen hoch, hob die Hände, drehte sich auf der Stelle um und ging zu seinen Freunden rüber.
Ich drehte mich wieder zum Tresen und schlug meine Kreditkarte immer wieder nervös auf meinen Handrücken. Gerade als der Barkeeper vor mir Halt machte, trat jemand hinter mich und lehnte seine rechte Hand auf die Bar vor mir. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, hörte ich Samus Stimme hinter mir, der dem Barmann etwas auf Finnisch zurief. Der grinste, nickte und verschwand wieder.
Ich starrte auf Samus Hand vor mir. Der Club war voll und hinter uns standen bereits neue Leute in der Schlange und es wurde viel gedrängelt. Ich fühlte, wie sich seine Brust gegen meinen Rücken schmiegte und sein warmer Atem streifte meine nackte Schulter. Ich erstarrte zur Salzsäule und sah noch immer auf seine Hand. Ich merkte, wie er seinen Kopf ein Stück zu mir runter neigte, bis sein Gesicht fast neben meinem war. Seine Haare berührten meine und ich schloss die Augen und atmete durch den Mund, als sein Atmen erneut über meine Haut flog. Der Barkeeper kam zurück, stellte 2 Flaschen Bier und einen Longdrink auf den Tresen, nahm Samus Kreditkarte, die er ihm mit der linken Hand über meinen Kopf reichte und verschwand wieder.
„Ich habe gesehen, that you were drinking Gin Tonic on that party." Raunte er mir ins Ohr, als sich augenblicklich eine Gänsehaut aus meinem Nacken den Weg über meinen Rücken bahnte und ich die Luft anhielt, ohne meinen Kopf zur Seite zu drehen.
„Cheers." Brummte er immer noch dicht neben mir und fuhr mit dem Zeigefinger über meine Schulterblätter, um einige verirrte Haare wieder auf die andere Seite zu befördern. Wieder schloss ich die Augen. Dieser Geruch. Diese Nähe. Diese Stimme. Verzweifelt umklammerte ich den Henkel meiner Tasche und atmete noch flacher als sowieso schon.
Der Barmann reichte ihm seine Karte, die wieder aus meinem Blickfeld verschwand und seine Hand löste sich vom Tresen, als er nach den beiden Flaschen griff.
„By the way, nice dress." flüsterte er so nahe an meinem Gesicht, dass seine Nase meine Wange streifte.
Wie zufällig. Aber irgendetwas in mir sagte mir, dass das kein Zufall war. Ich wollte ein Zeichen, ein Knistern, einen Moment, der mir bestätigte, dass da noch irgendetwas war. Jetzt hatte ich ihn. Ich starrte noch immer auf den Tresen, wo eben noch Samus Hand gelegen hatte. Der Barkeeper blieb vor mir stehen und grinste mich an.
„Anteeksi." Meinte ich lächelnd, winkte ab und griff nach dem Gin Tonic, den Samu für mich auf dem Tresen hatte stehen lassen.

Als ich zurück zu den anderen ging, drehte mir Joonas demonstrativ den Rücken zu und plauderte mit seinen Freunden. Alex war in eine Unterhaltung mit Samu und einem der Eishockeyspieler vertieft, trat aber einen Schritt zur Seite, als er bemerkte, dass ich zu ihnen ging. Ich stellte mich zwischen Alex und Samu und lauschte dem Gespräch. Samu sah von der Seite zu mir runter, lächelte und stieß mit seinem Bier gegen mein Glas. Das Gespräch lief weiter durch die Runde und ein Gespräch mit Samu allein zu suchen wäre unpassend gewesen. Alex suchte für einige Lacher und wurde direkt eingeladen die Horde zum einem Spiel zu begleiten. Er erklärte sich sofort, dass er noch nicht wüsste, ob er die Möglichkeit hätte länger in Helsinki zu bleiben, würde aber gern darauf zurückkommen. Samu trank ein Schluck seines Bieres und sein Arm streifte meinen, als er den Arm wieder runter nahm. Ich sah zur Seite zu ihm hoch und er lächelte, zwinkerte mir zu und während ich meinen Blick wieder zur anderen Seite an Alex wandte, merkte ich, wie er näher an mich rückte. Sein Arm lehnte die ganze Zeit über an meinem und erneut machte sich ein Gefühl von Erleichterung in mir breit, dass er schon wieder Körperkontakt suchte. Ich genoss seine Nähe und lauschte dem Gespräch. Samu lachte tief neben mir über kleine Anekdoten, die Alex aus LA zum Besten gab, beugte sich vor und legte dabei seine Hand auf meinen Rücken. Immer wieder stieg mir sein Geruch in die Nase und auch ich war bemüht Signale zu senden, lächelte ihn immer wieder an oder berührte seinen Arm oder seine Schulter, wenn ich mit ihm sprach. Samu schien das nicht unangenehm zu sein und er wich mir nicht von der Seite.
Als die Drinks ausgetrunken waren, beschloss die Gruppe nach Hause zu gehen und auch Alex und ich wollten uns anschließen. Wir verabschiedeten uns von Joonas, der noch immer bei seinen Freunden stand und keinerlei Interesse daran gezeigt hatte sich unserer Gruppe anzuschließen. Ich umarmte ihn kurz zur Verabschiedung und er murmelte nur ein kurzes „Gute Nacht" und wandte sich wieder ab.
Ich konnte es vorerst nicht beiden Männer Recht machen. Samu war derzeit meine oberste Priorität. Joonas hatte gemeint, dass er bisher keinerlei Probleme mit diversen Affären auf der Arbeit gehabt hätte, dabei war es doch jetzt längst geschehen. Und das alles nach nur einem Kuss, der mir absolut nichts bedeutet hatte. Hatte ich manchmal vermisst, dass Samu Eifersucht zeigte, sah ich nun, dass mich Joonas Vorführung nur nervte.

Wir standen vor dem Club und stiegen nach und nach in unsere Taxen. Als Samus Freunde alle bereits weg waren, standen nur noch wir 3 draußen und ein Taxi war übrig.
„Ich fahre mit euch."
Überrascht sah ich ihn an.
„Ich kann weiterfahren von deine Haus." Ergänzte er.
Noch bevor ich Alex irgendwie einnorden konnte, stieg der vorne ins Taxi, bevor Samu auch nur einen Schritt in Richtung des Wagens machen konnte. Er hielt mir die Tür auf und stieg dann auf der anderen Seite auf die Rückbank zu mir. Immer wieder sah er während der Fahrt zu mir rüber und lächelte. Ich widerstand dem Bedürfnis näher an ihn zu rücken und lauschte der Unterhaltung, die er nach vorn mit Alex führte.
An meinem Haus angekommen, bezahlte Alex, als Samu etwas auf Finnisch zum Fahrer sagte und mit uns ausstieg. Das Taxi wartete auf ihn, während er sich von Alex verabschiedete.
„Ich muss schiffen." Meinte Alex, zwinkerte mir zu und lief schon vor ins Haus. Ich war ihm unendlich dankbar, dass er uns diesen Moment schenkte und uns allein ließ.
„War schön, dass wir uns heute gesehen haben." Meinte ich und Samu zu Samu auf, der dicht vor mir stand.
„Ja. Das war schön. Yesterday it wasn't that easy. Vielleicht wir brauchen etwas time."
Ich nickte.
„I'll take Alex with me zu meine Boot this week. Maybe we'll find some time to meet too. Ich rufe dich an, ok?"
"Ja. Gern. Ich würde mich freuen."
Er schloss die Arme um mich und ich legte meine Hände an seinen Rücken, als er mich an sich drückte und diesmal nicht so schnell freigab.
„Good night Miss Pretty Face.", brummte es an meinem Ohr, als sich sein Arm um meinen Rücken schlag, mich an der Taille festhielt, während die andere Hand meinen Nacken suchte.
„Gute Nacht, Samu." Flüsterte ich über seine Schulter.
Gerade wollte ich mich von ihm lösen, als ich seine Lippen an meine Wange spürte und die Augen schloss. Diese kleine unschuldige Berührung schickte mein Blut in alle Nervenenden meines Körpers. Ich fühlte seinen Atem an meiner Schläfe und hielt die Luft an. Langsam schob er mich von sich, lächelte und stieg ins Taxi. Als der Wagen losfuhr, hob er die Hand hinter der Scheibe und ich wartete, bis das Auto um die Ecke verschwand.

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