Kapitel 24

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24. Kapitel

Nun klingelte es bereits zum zweiten Mal und ich schlüpfte hektisch in meine schwarzen Winterstiefel, während ich mit der freien Hand nach meiner Jacke griff, die an der Garderobe neben mir hing. Mehr hüpfend als gehend überwältigte ich die letzten Meter zur Tür und öffnete. Ein durch und durch gestylter Lou stand davor, der mich breit angrinste und eine leichte Verbeugung andeutete, als ich an ihm vorbei nach draußen schlüpfte. Seinen Roller hatte er vor dem Gartentor abgestellt und ich freute mich schon richtig auf die Fahrt. Rollerfahren wollte ich schon immer mal ausprobieren und dass ausgerechnet er mir diesen Wunsch erfüllen würde war ein glücklicher Zufall.

Über den Kuss hatten wir kein Wort mehr verloren und nachdem er am Samstag aufgewacht war, war die Situation auch ein bisschen angespannt gewesen, aber mittlerweile hatte sich das wieder gelegt und wir konnten wieder wie früher miteinander umgehen, mit der kleinen Ausnahme, dass ich ihn plötzlich mit ganz anderen Augen sah. Nicht nur die Erkenntnis, dass er nicht schwul war, sondern auch sein Styling machte ihn für mich interessanter als je zuvor. Geschickt schwang er sich auf den Roller und bat mich hinter sich Platz zunehmen, was ich auch wortlos tat.

„Gut festhalten“, befahl er und ich schlang eher zögerlich die Arme um seine Hüfte.

Es fühlte sich unglaublich gut an, aber es war mindestens genauso unangenehm und ich traute mich nicht, näher an ihn heranzurutschen, wie ich es am liebsten gemacht hätte. Mein Herz raste ungeheuer schnell und laut, sodass ich fast schon befürchtete, er könnte es hören.

„Wie lange brauchen wir?“, erkundigte ich mich.

„Ungefähr zwanzig Minuten. Die Stiefbrüder wohnen etwas außerhalb“, erklärte er und startete den Motor.

Der Wind blies uns kalt ins Gesicht, worunter vor allem meine Nase und meine Ohren zu leiden hatten. Meine Augen begannen zu tränen und ich verzichtete darauf an Lou vorbeizuschauen, um zu sehen wohin wir fuhren und versteckte mich stattdessen hinter seinem Rücken, wo ich windgeschützt war. Ein paar Mal blinzelte ich noch, bevor ich endlich wieder klar sah und beschloss schließlich doch ein bisschen näher an ihn heranzurücken, da es einfach zu kalt war. Leider konnte ich seine Reaktion nicht sehen, doch er schien sich nicht unwohl zu fühlen.

„Ich hasse den Winter“, verkündete er irgendwann und ich konnte nur zustimmend brummen.

Die kalte Jahreszeit würde ich am liebsten aus dem Kalender streichen. Am meisten verabscheute ich den nasskalten Schneematsch, der sich Ende Januar am Straßenrand sammelte. Zum Glück hatte es dieses Jahr noch nicht geschneit, sodass im Moment noch alles trocken war. Wie lange noch, konnte allerdings niemand sagen.

„Wir sind gleich da“, versprach Lou und ich riskierte noch einmal einen Blick an ihm vorbei nach vorne.

Vor uns lagen ein paar Häuser, die teilweise wirkten, als stammten sie aus dem Mittelalter. Die Straße auf der wir fuhren führte geradewegs in das kleine Dorf hinein, in dem, wie ich vermutete, die Brüder wohnten. Irgendwie hätte ich viel eher moderne Hochhäuser und Villen erwartet, aber das hier passte ganz und gar nicht zu den Beiden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass hier etwas los war und mit Sicherheit langweilten sich die Brüder in diesem kleinen Dorf zu Tode, wie es auch jeder andere Jugendliche tun würde.

An der ersten Kreuzung bogen wir nach links ab und somit wieder weg von dem Dorf, dessen Namen ich nicht kannte, da ich noch niemals hier gewesen war. Rechts von uns waren nur Felder und ein paar Bäume, die ihre Blätter schon längst abgeworfen hatten und von daher eher trostlos wirkten. Auf der anderen Seite standen ein paar vereinzelte Häuser, die sogar recht modern wirkten. Hinter ihnen ragte ein großer, brauner Berg auf, der der Szenerie fast schon etwas Hässliches verlieh. Vor einem dieser Häuser hielten wir schließlich an.

„Da wohnen sie?“, wollte ich ungläubig wissen und Louis nickte.

„Die Mutter der beiden wollte unbedingt hierher ziehen“, erzählte er. „Geboren ist Zayn in Bradford und Harry haben sie paar Monate nach Zayns 3.Geburtstag adoptiert.“

Interessiert horchte ich auf.

„Warum sind sie weggezogen?“

„Die Mutter, also Tricia , hat einen neuen Mann kennen gelernt. Gordon“, gab er mir bereitwillig Auskunft. „Die Beiden wollten zusammenziehen und außerdem hatte Zayn etwas Stress mit den Schülern in der Schule.“

Nun wusste ich also auch wie das Dorf hieß, in dem ich mich hier befand, was nur von Vorteil sein konnte. Endlich erfuhr man mal etwas über die sonst so geheimnisvollen Brüder und scheinbar saß ich bei Lou direkt an der Quelle. Die Stiefbrüder hätten mir solche Details sicher nicht erzählt und vielleicht konnten die mir irgendwann weiterhelfen. Außerdem musste ich zugeben, dass ich einfach neugierig war, vor allem was Harry betraf, den ich ja zu Beginn extrem anziehend gefunden hatte. Über ihn wusste ich so gut wie gar nichts, doch ich war mir sicher, dass er so einiges zu verbergen hatte.

„Geh’n wir rein?“, schlug Louis vor und ich nickte ergeben.

Schließlich blieb mir auch nichts anderes übrig, denn ich war ja hier, um mich vom jüngeren der beiden Brüder stylen zu lassen und das Kleid abzuholen. Am liebsten wäre ich einfach umgekehrt, so nervös war ich, doch jetzt gab es kein Zurück mehr, wobei es das eigentlich noch nie gegeben hatte, da Zayn hier die Regeln aufstellte und ich überhaupt kein Mitspracherecht besaß. Gemeinsam gingen wir den schmalen Weg zur Tür der Hausnummer neunzehn entlang und auch wenn ich nicht sagen konnte warum, hatte ich das Gefühl in mein Verderben zu rennen. Oben im ersten Stock brannte Licht und man konnte sehen, dass sich jemand im Zimmer befand – allerdings keiner von den Brüdern,  da man diese aufgrund ihrer Frisur eindeutig hätte identifizieren können. Auch im Flur war es hell, wie man durch das Glas der Tür erkennen konnte.

„Du brauchst keine Angst haben“, versicherte mir mein Begleiter und erst jetzt merkte ich, dass ich am ganzen Körper angefangen hatte zu zittern.

„Ich hab keine Angst“, wehrte ich ab und versuchte in meine Stimme etwas Verächtliches zu legen. „Mir ist kalt.“

Louis zwinkerte. „Schon klar.“

Die Klingel schrillte durch das ganze Haus, Schritte kamen die Treppe heruntergepoltert und dann öffnete sich die Tür. Ein Mann stand vor uns und lächelte freundlich. Er trug ausgewaschene Jeans und ein schwarzes T-Shirt auf dem in weißen Lettern der Name einer Band geschrieben stand. An ihm war absolut nichts, was einen an Harry oder Zayn erinnerte und ich ging davon aus, dass es sich hierbei um den Stiefvater Gordon handelte.

„Hi Gordon“, begrüßte Lou ihn und bestätigte somit meine Vermutung.

„Hey Lou, kommt rein“, bat er uns und machte eine einladende Geste. „Du musst Sam sein. Freut mich dich kennen zu lernen. Die Jungs warten oben auf euch.“

Irgendwie hatte ich erwartet, dass hier drin alles düster und dunkel wäre, schon allein Zayns Stylings wegen, doch genau das Gegenteil war der Fall. Alles war in eher helleren Farben gehalten und wirkte sehr fröhlich und irgendwie strahlend. Derjenige der hier eingerichtet hatte, hatte meiner Meinung nach einen sehr guten Geschmack und ich tippte, dass das hier Tricias Verdienst war, selbst wenn ich sie noch nicht kannte. Wir gingen die Treppe nach oben und ich spürte wie mein Herz immer schneller schlug, je näher wir dem ersten Stock kamen. Diesmal war ich mir sicher, dass Lou es hörte und diesmal konnte ich nicht einfach behaupten, dass mir kalt wäre. Er drückte kurz meine Hand, was mich ungemein beruhigte und auch wenn es mir peinlich war, dass er von meiner Nervosität wusste, war ich froh darüber. Wir kamen vor einer Tür zum Stehen, er hob die Hand und klopfte.

„Herein“, ertönte eine Stimme, die ich nur zu gut kannte.

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Bei mindestens 2 Kommis geht's weiter ;)

HE (Zayn Malik FF)[wird Überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt