Erzählung 29

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„Neiiiiin", schrie ich immer und immer wieder, während Eva Schritt für Schritt auf Chris zuging. Das lange Messer in ihrer Hand reflektierte das Licht der Deckenlampe und ließ mich erschaudern. Panisch zerrte ich an den Fesseln, doch natürlich gaben sie nicht nach. Was hatte ich auch sonst erwartet? Das ich zu Hulk werde und die Fesseln plötzlich sprengen kann? Auch Chris hatte inzwischen das Messer entdeckt, doch noch keinen Ton von sich gegeben. Mit panisch geweiteten Augen starrte er die silberne Klinge an, die seinem bloßen Oberkörper immer näher kam. „Nein bitte ich....", setzte er an, doch wurde im nächsten Moment von seinem eigenen Schrei unterbrochen. Eva stand direkt vor Chris, sodass ich nicht sehen konnte was sie getan hatte. Chris verstummte und Eva trat einen Schritt zur Seite, sodass ich auf Chris' Brust blicken konnte. Direkt unter seinen Schlüsselbeinen zog sich eine feine rote Linie von einer Schulter zu anderen, die leicht blutete. Tränen traten mir in die Augen und ich schloss diese. Ich konnte mir das nicht ansehen. „Andy hat mir erzählt es war allein sein Plan zu fliehen und du hättest nichts damit zu tun. Er meint ich sollte ihn allein dafür bestrafen. Was meinst du denn dazu?", hörte ich Evas Stimme liebevoll sagen und ich blickte sofort zu ihr und meinem Bruder. Dieser schaute mich ebenfalls an. „Nein", meinte Chris nur ohne unseren Augenkontakt zu unterbrechen. „Was nein?", fragte Eva nach und ließ die glatte Seite des Messers über seinen Bauch streifen. Er spannte sich sofort an. Seine Gänsehaut war deutlich zu sehen. „Wir waren das beide", meinte Chris. „Wenn du ihn bestrafst musst du mich genauso bestrafen. Mich trifft genauso die Schuld." Geschockt blickte ich meinen Kleinen an. Das konnte er doch nicht ernst meinen. „Nein! Er lügt! Lass ihn in Ruhe!", versuchte ich Eva zuzurufen, doch natürlich hörte sie mich nicht oder tat zumindest so. „Ach wenn das so ist, dann bauche ich ja kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich hier weiter mache", grinste Eva. Chris schaute sie mit einem verwirrten Ausdruck an, doch bevor er etwas sagen konnte setzte Eva das Messer erneut an seiner Brust an. Ich sah wie Chris die Augen zukniff und sich auf die Lippe biss um nicht zu schreien. Eva stand nun seitlich des Metalltisches auf dem Chris festgemacht war und sah ich wie sie 3 kurze Linien zog. Je eine an den Enden der bereits gezogenen Linie und eine in der Mitte direkt über dem Brustbein. Auch hier floss nur sehr wenig Blut aus den Wunden. Es schien so als würde Eva seine Haut nur ankratzen wollen. Ich hoffte, dass das auch so bleiben würde. Weitere 2 Schnitte. Chris verzog schmerzverzerrt das Gesicht, doch es kam kein Laut und keine Träne von ihm. Der nächste Schnitt. Ich schaute nicht darauf was Eva tat. Meine Konzentration lag einzig und allein auf Chris' Gesicht. Wieder eine Bewegung des Messer über seine Haut. Nun konnte sich Chris ein leises Stöhnen nicht verkneifen, doch biss sich sofort wieder auf die Unterlippe, die schon anfing zu bluten. Mein kleiner Bruder. Mein kleiner tapferer Bruder. Ich schluchzte laut auf. Mir war nicht aufgefallen, dass mir die Tränen inzwischen in Strömen über die Wangen liefen. Evas Hand mit dem Messer wanderte immer weiter nach unten bis dieses am Schluss über seinen Bauch glitt und dort weitere rote Linien hinterließ. „Na was sagst du zu meinem Werk mein lieber Andreas?", hörte ich Evas Stimme aus den Lautsprechern, doch ich ignorierte sie und starrte weiter zu meinem Bruder, der sich sichtlich Mühe gab seinen Schmerz zu verbergen. „Na so fasziniert? Schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede", zischte sie, doch noch immer beachtete ich sie nicht. Erst als ein Klatschen durch die Luft hallte und Chris' Kopf zur Seite flog. Eva stand neben Chris und drehte sich gerade langsam zu mir um. „Habe ich jetzt deine Aufmerksamkeit Süßer?", ertönte Evas höhnische Stimme.

Ihr. Entkommt. Nicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt