„Na dann wollen wir mal wieder nach Hause“, meinte Eva und wollte sich zur Tür drehen. „Warum sollten wir dir einfach so folgen?“, fragte Chris missbilligend. Er hatte Recht. Wir könnten uns auch einfach weigern. Sie hatte nichts gegen uns in der Hand. „Nun ihr könntet natürlich hierbleiben, aber die Fenster sind abgeschlossen und kugelsicher und durch diese Tür würdet ihr auch nicht kommen. Heißt ihr würdet hier irgendwann sterben wegen Dehydrierung oder Ähnlichem. Zum anderen wird euch wird hier keiner helfen. Ich müsste nur mit dem Finger schnippen und es würden mehrere Polizisten hereinstürmen, euch Handschellen anlegen und in mein Auto verfrachten. Ihr seht also das hier nimmt für euch kein gutes Ende. Und immerhin lasse ich euch die Wahl, obwohl ihr das nicht gerade verdient habt.“ Sie zog eine Augenbraue hoch, verschränkte die Arme und musterte uns kritisch. Mein panischer Blick glitt zu meinem Bruder. Der blickte mit einer Mischung aus Angst, Wut und Hilflosigkeit zu Eva und drehte sich nach ein paar Sekunden zu mir. Ich hatte Angst. Ich wollte nicht mehr zurück, doch ich wusste wir hatten keine andere Wahl. So schlimm war es die letzten Wochen ja nicht gewesen, doch ich bezweifelte, dass es nun so weiter gehen würde. Ein Schauer überzog mich, als ich an das Loch in der Erde draußen vor Evas Haus dachte, in dem wir die ersten Wochen verbracht hatten. Würde sie uns bei diesen Temperaturen dort einsperren? Oder doch eher im Keller? Ich wollte nicht zu ihr zurück, doch ich wollte auch nicht hier in diesem Raum einen langsamen, vermutlich qualvollen Tod sterben. Ich wusste nicht was Chris dachte. Ich sah nur wie seine Augen glasig wurden und konnte ahnen, dass er gegen die Tränen kämpfte. Wir wussten beide was nun folgen würde. Ohne unseren Blickkontakt zu unterbrechen nahmen wir uns an der Hand und blickten dann wieder zu Eva. „Also kommt ihr freiwillig mit?“, fragte sie und löste ihre verschränkten Arme. Wir nickten. Kurz musterte Eva uns und schüttelte dann langsam und grinsend ihren Kopf. „Ihr seid echt zwei Weicheier wisst ihr das? Das ist ja fast schon langweilig mit euch.“ Innerlich zuckte ich heftig zusammen und hoffte es hatte niemand mitbekommen. Eva bestätigte genau das, was ich in den letzten Wochen gedacht hatte. Ich wusste ich war schwach und zu nichts zu gebrauchen, doch Chris war nicht so. Chris war kein Weichei. Er war nicht zerbrochen wie ich. „Bitte. Eva. Lass wenigstens Chris gehen. Ich komme mit dir und tue alles was du willst, aber lass meinen Bruder frei.“ Ich wusste die Chance, dass sie das wirklich tat war mehr als gering, doch ich musste es wenigstens versuchen. Ich hatte mir geschworen alles zu tun um ihn rauszuholen und das würde ich auch tun soweit ich konnte. Ungläubig musterte Eva mich, als hätte ich den Verstand verloren. „Ich tue jetzt mal so als hätte ich das nicht gehört um nicht an einem Lachkrampf zu ersticken“, meinte Eva, drehte sich endgültig um und ging zur Tür. Chris drehte seinen Kopf ruckartig in meine Richtung, lehnte sich etwas näher zu mir und zischte leise: „Was sollte das denn?“ „Irgendwas musste ich doch versuchen um dich hier raus zu bekommen.“ Er zog sich wieder zurück und blickte mich verwundert an. „Ich lasse dich bestimmt nicht bei der da zurück.“ Ich blinzelte die Tränen weg, die aufkamen und umarmte meinen kleinen Bruder. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich wusste nur, dass ich meinen Plan nicht aufgeben würde. Chris würde fliehen. Wie ich ihn dazu bringen würde ohne mich zu gehen würde sich bestimmt noch ergeben. „Kommt ihr dann?“ Eva stand schon in der offenen Tür und schaute uns ungeduldig an. Ich verspürte das dringende Bedürfnis einen Stuhl zu nehmen und ihn gegen Evas Kopf zu schlagen. Chris und ich lösten unsere Umarmung, hielten jedoch mit je einer Hand Kontakt. Wenn Blicke töten könnten würde Eva innerhalb von Sekundenbruchteilen zu Staub zerfallen. Als wir an den Stühlen vorbeikamen, auf denen wir noch vor ein paar Minuten gesessen hatten, zuckten meine Muskeln und eine kleine Stimme in meinem Kopf sagte ich solle den Stuhl nehmen. Noch schlimmer konnte es ja kaum kommen. Immerhin waren wir geflohen. Doch ich riss mich zusammen. Für Chris. Eva ließ uns den Vortritt und lief hinter uns den Gang entlang auf die Milchglastür zu. Ich fühlte mich als würden wir den Weg zu unserem Henker antreten, was natürlich nicht stimmte. Immerhin befand sich der unmittelbar hinter uns. An der Tür angekommen drückte ich auf den silbernen Schalter mit der Aufschrift ‚TÜRÖFFNER‘ und ein Summen ertönte. Chris zog die Tür auf und wir traten in den kleinen Vorraum. Mein Blick ging zu der Fensterfront. Ich suchte nach irgendjemand, der uns vielleicht doch noch helfen konnte. Und tatsächlich saß am Computer direkt hinter der Scheibe der junge Beamte, der uns als erstes hier begegnet war. Flehend schaute ich zu ihm. Er schien es zu bemerken und hob den Blick. Als er uns sah schaute er erst entschuldigend, doch als er Eva entdeckte senkte er den Blick wieder. Wir waren allein.
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Ihr. Entkommt. Nicht!
FanfictionEntführung, Gefangenschaft, Folter. Jeder hat bei diesen Worten Bilder aus Filmen oder Büchern im Kopf. Aber wer rechnet schon damit soetwas selbst zu erleben? Wohl keiner. Genauso wenig wie die beiden Magierbrüder Chris und Andreas. Doch plötzlich...