„Herr Reinelt. Herr Reinelt!", höre ich eine Stimme neben mir rufen. Panisch drehe ich meinen Kopf ruckartig nach links von wo die Stimme gekommen war. Verschwommen sehe ich eine Hand auf mich zukommen und reiße meine Augen auf. „Nein. Nein", flüstere ich und weiche zurück, doch in meiner Panik hatte ich vergessen, das ich ja auf der Liege liege und lande daher unsanft mit meinem Hintern auf dem Boden, während meine Schenkel und Füße noch auf der Liege sind. „Nein gehen Sie weg. Fassen Sie mich nicht an." Ohne zu blinzeln und mit weiterhin aufgerissen Augen weiche ich, immer noch auf dem Boden sitzend, zurück, bis ich irgendwann eine Wand hinter mir spüre. Diese rutsche ich entlang bis ich in der nächsten Ecke angekommen bin. So gut es nur geht drücke ich mich an die Wand, ziehe dann meine Beine an und umfasse meine Knie mit den Armen. Mein ganzer Körper ist am Zittern und ich starre nur geradeaus. Die Welt um mich herum ist vollkommen ausgeblendet. In meinem Kopf spielen sich die Szenen immer und immer wieder ab. Diese Szenen sind die einzigen, die mich regelmäßig nachts aufschrecken lassen und die einzigen, die wohl für immer in meinen Gedanken präsent bleiben werden. Mein ganzer Körper bebt und ich hyperventiliere. Doch das ist mir gerade völlig egal. Mein ganzer Fokus liegt auf den Bildern, die in Dauerschleife vor meinem inneren Auge ablaufen. Irgendwo in weiter Ferne vernehme ich leise die Stimme meiner Psychiaterin, die nach kurzer Zeit auch wieder verstummt. Ich blende wieder alles um mich herum aus. Als ich plötzlich etwas auf meiner rechten Schulter spüre zucke ich heftig zusammen und schreie kurz auf. Reflexartig hebe ich meine Arme über den Kopf und versuche diesen zu schützen. „Nein bitte. Lass mich in Ruhe. Es tut mir leid. Lass uns gehen. Bitte." Meine Arme werden gewaltsam an meinen Handgelenken nach unten gedrückt. Ich versuche mich zu wehren, schreie und ich drehe mein Gesicht zur Wand. Ich will sie nicht sehen. Ich will Eva nie mehr sehen müssen. Da legen sich zwei Hände an meine Wangen und wollen mein Gesicht wieder von der schützenden Wand wegdrehen, doch ich schüttele ihn. „Nein bitte nicht." Ich höre selbst wie zittrig und flehend meine Stimme klingt, doch genau so fühle ich mich. Verzweifelt und voller Angst. Doch die Hände geben nicht nach und zwingen mich in das Gesicht der Person zu blicken, die vor mir kniet. Und als ich in die wundervollen grünen Augen vor mir sehe gebe ich meinen Widerstand auf und schlinge sofort meine Arme um die Person und weine an ihrer Schulter weiter. „Schhh. Ganz ruhig. Ich bin ja da. Du bist in Sicherheit. Alles ist gut." Langsam beruhigt sich mein Körper wieder. Das Zittern lässt nach, meine Atemzüge nehmen eine normale Geschwindigkeit an und die Tränen versiegen. Stumm sitzen wir auf dem Boden in der Ecke, während ich mich an Petra klammere und sie einfach nur für mich da ist. „Danke, dass du da bist", sage ich leise als ich meiner Stimme wieder traue. „Natürlich bin ich für dich da mein Schatz. In guten wie in schlechten Zeiten, weißt du noch?" Ich löse mich etwas von ihr und blicke in ihre traurigen Augen. „Ich würde dir das so gern ersparen. Es tut mir", flüstere ich, doch werde sofort unterbrochen. „Nein. Entschuldige dich nicht. Du kannst nichts dafür. Ich liebe dich und werde deshalb auch immer für dich da sein. Ich bin einfach nur froh meinen Mann wieder zu haben. Die Monate in denen du weg warst waren die schlimmsten in meinem ganzen Leben. Das habe ich dir schon so oft gesagt und ich werde es auch gerne noch 1000 Mal sagen: Es ist mir ganz egal wie viele Panikattacken du schon hattest oder wie viele du noch haben wirst. Denn das einzige was zählt ist, dass du hier bist. Bei mir, bei unseren Kindern. Zuhause." Wieder treten mir Tränen in die Augen und in diesem Moment bin ich einfach nur glücklich. Sie hat ja Recht. Das war bei weitem nicht meine erste Panikattacke und es wird vermutlich auch nicht die letzte gewesen sein, doch alles was zählt ist, dass ich wieder daheim bin. Das wir wieder daheim sind.

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Ihr. Entkommt. Nicht!
Fiksi PenggemarEntführung, Gefangenschaft, Folter. Jeder hat bei diesen Worten Bilder aus Filmen oder Büchern im Kopf. Aber wer rechnet schon damit soetwas selbst zu erleben? Wohl keiner. Genauso wenig wie die beiden Magierbrüder Chris und Andreas. Doch plötzlich...