Kapitel 33: Unzufrieden

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Kapitel 33: Unzufrieden

Als Kimo gerade das Zimmer verlasste, sah ich ein Stück weißen Arztkittel. "Wie lange stehen Sie da schon?", fragte ich ihn. Ich sah, dass er kurz zusammen zuckte. Er hatte wohl gedacht, dass ich ihn nicht sehe. Da hätte er sich wohl weiter an die Tür stellen müssen. "Ich kam rein, als sich der junge Herr zu dir gesellte." Na super, dann hat er wohl alles mitbekommen. "Und?" Er stellte sich zu mir ans Bett. "Du hast gelernt, dass es nicht wichtig ist, jemanden zum reden zu zwingen. Es ist wichtig, jemanden zu zeigen, dass es mehr Wert hat, für einen da zu sein." Wow, das hätte ich jetzt nicht erwartet. "Wollen Sie mir jetzt allen ernstes sagen, dass ich vorher nicht wusste, dass man keinen zu nichts zwingen kann?" Er setzte sich zu mir aufs Bett und schaute mich an. "Mir war klar, dass du das sagen wirst. Aber nein, ich nehme dich als jemanden Wahr, die mehr weiß, als andere in deinem Alter." Ohja, Danke. "Schön das Sie das selber wissen.", funkelte ich ihn an.

"Mirella, du hast ihm, ohne ihn zu kennen, geholfen." - "Ich sagte Ihnen doch, dass ich die bin, die hilft, wenn es jemand braucht. Dabei ist mir völlig egal, ob ich die Person kenne oder nicht." Er drehte sich mit seinem Körper leicht zu mir, indem er sein rechtes Knie auf dem Bett anzog. "Aber wieso?" War das sein Ernst? "Weil ich nicht will, dass sich Menschen einsam oder schlecht fühlen. Außerdem helfen Sie doch auch fremden Menschen.." Herr Seehauser schaute auf sein Bein und grinste. "Das stimmt allerdings."

"Was ist so falsch daran, wenn ich das auch mache? Ich kann keinem Menschen den Schmerz nehmen, den sie fühlen oder sie wieder Gesund machen. Dafür habe ich das Wissen nicht, aber ich kann Seelischen Schmerz lindern. Egal wie groß dieser auch sein mag." Er sah mir direkt in die Augen und nickte. "Ja, das kannst du." Kann er mal bitte blinzeln? Das wird gruseliger, auch wenn ich ihn jeden Tag sehe. "Wieso sind Sie eigentlich zu mir ins Zimmer gekommen?" Er räusperte sich. "Ich wollte nur nach dir sehen, das ist alles." Ja, ist klar. "Dann können Sie das Zimmer ja wieder verlassen." Ich nahm mein Kästchen wieder in die Hand und fuhr mit meinem Daumen über die Linien der Gravierung. Er sah mich geschockt an, ich sah es aus meinem Augenwinkel. "Ok." Mehr sagte er nicht. Der Arzt stand von meinem Bett auf und ging.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, ihn so aus dem Zimmer geschmissen zu haben, doch wollte ich meine Ruhe. Beim nächsten mal werde ich mich bei ihm Entschuldigen.

Den ganzen Abend dachte ich nach. An Elina, wie Kimo mich um Hilfe bat und auch an Lotta und meinen Onkel. Letzterer schrieb mir vor wenigen Stunden eine SMS, dass er es nicht schaffte, mich heute zu besuchen. Er muss Arbeiten, Nachtschicht. Von Lotta habe ich auch nichts mehr gehört, seitdem sie Entlassen wurde. Und Elina? Sie lag mit höchster Wahrscheinlichkeit in ihrem Bett und weinte. Und Kimo war bei ihr. Wenigstens ein kleiner Trost, dass sie nicht alleine war.

Es war faszinierend, dass ich anderen Hilfe anbot, obwohl ich sie selber gebrauchen konnte. Ich wollte einfach nicht, dass sie sich hilflos fühlen, weil ich weiß, wie sich das anfühlt. Wie es war, keinen zu haben, doch war es Elina, die immer für mich da war. Sie hielt immer meine Hand. Immer. Sie ist da, wenn ich sie brauche und auch, wenn wir uns mal stritten, haben wir wieder zueinander gefunden. Und Herr Seehauser? Er war stets an meiner Seite, wenn ich ihn um Rat fragte. Er war auch immer da. Ich musste ihn nur fragen. Und ich dumme Kuh schmiss ihn aus dem Zimmer. Ich könnte mich Ohrfeigen.

Ich legte mein Kästchen wieder zurück und legte mich hin. So bequem wie nur möglich, dabei habe ich vorher nie auf dem Rücken geschlafen. Wohl oder Übel musste ich das noch ein paar Wochen auf mich nehmen. Es half ja sonst nichts. Ich war schon froh, dass es nur noch ein paar Tage waren, die ich hier liegen musste.


BEENDET! Eines Tages - Frederik Seehauser - Klinik am SüdringWo Geschichten leben. Entdecke jetzt