Kapitel 51: Fachchinesische Wörter

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Kapitel 51: Fachchinesische Wörter

Am morgen des vierten August wachte ich früher als erwartet auf. Ich schaute auf die Uhr meines Handys. 06:22 Uhr. "Ernsthaft jetzt? Kann ich nicht mal bis zehn oder so schlafen?", gähnte ich, bis ich jemand leise lachen hörte. Ich zuckte zusammen und drehte meinen Kopf in die Richtung des Fensters. "Was ist so lustig?" Er zuckte mit den Schultern. "Du kannst ja wenigstens noch mal versuchen, zu schlafen." Ich setzte mich aufrecht hin und griff zum Glas, das mit Wasser gefüllt war und nippte dran. "Was wolltest du gestern eigentlich? Du meintest, es wäre nicht wichtig?" Ich stellte das Glas wieder auf die Ablage und schob die Decke zur Seite und stand auf. "Es ist nicht relevant", sagte ich zu ihm und war im Badezimmer verschwunden.

Mit lauwarmen Wasser wusch ich mir das Gesicht, um Wach zu werden. "Ist ja auch egal, halb Sieben oder um Zehn Uhr. Wach ist wach." Ich hörte ihn wieder lachen. Mit der Zahnbürste im Mund lugte ich durch die Badezimmertür. "Irgendwann werde ich den Schlüssel zur Formel finden und dich dann endlich verstehen", lachte er weiter. "Oh, Seehauser", verdrehte ich meine Augen und putze meine Zähne weiter.

Nachdem ich mir noch meine Haare gebürstet hatte, setzte ich mich wieder ins Bett und schaute ihn an. "Den Schlüssel werden Sie nie finden", grinste ich. "Das werden wir ja sehen." - "Challenge accepted." Mit einer hochgezogenen Augenbraue schaute er mich über seine Brille an. "Selbst schuld", lachte ich und zog die Ablage zu mir rüber. "Und danke für das Frühstück."

Ich hob den Deckel hoch und erblickte wieder ein Frühstück für zwei. "Das schaffe ich nie im Leben, genau wie die davor auch." Der Arzt grinste mich an und nahm sich ein Stück vom Apfel. "Musst es ja nicht aufessen", meinte er und kaute genüsslich das Stück Apfel, das er sich soeben in den Mund steckte. "Cornflakes oder Müsli hätte es auch getan, mit Schokostückchen und so." Überraschend klingelte mein Handy. "Kenne ich zwar nicht, aber ok" und nahm ab. "Hallo?", fragte ich in den Hörer. Es ertönte eine weibliche Stimme, die ich nicht zurodnen konnte. "Hallo, ich bin die Mutter von Hanna. Sie erzählte, dass du ihr geholfen hast, als sie gestern umgekippt ist. Ich habe deine Nummer von ihr und möchte mich bei dir bedanken." Erst war ich total Perplex und wusste nicht, was ich davon halten sollte, dass Hanna meine Handynummer hatte. "Äh, Okay. Ja, kein Problem, sie hätte wohl das gleiche auch für mich gemacht", bedankte ich mich. Woher hatte sie meine Nummer?

"Wie geht es ihr denn?", fragte ich und sie antwortete, dass es ihr schon besser ginge. Das sie Operiert wurde und sie wohl noch einige Tage hier bleiben müsse. "Wünsche ihr eine Gute Besserung." Ich war gerade selbst von mir so überrascht, dass ich das sagte, aber ich wünsche nie jemanden etwas böses. Selbst, wenn man mich so sehr verletzte. Mit Worten. Hanna's Mutter bedankte sich noch und legte auf. Der Arzt sah mich fragend an. "Das war Hanna's Mutter." Ich war immer noch total überrascht davon, dass sie mich anrief. "Ich schätze mal auf Ruptur in der Bauchregion.." Jetzt war er es, der mich total überrascht ansah. "Das stimmt." - "Oh, Sie dürfen es doch nicht sagen", stichelte ich. Er rollte mit den Augen und ich fing an zu lachen.

"Da hab ich mich jetzt wohl verplappert." Während ich frühstückte und er mir zwischendurch ein paar Apfelstücke klaute, unterhielten wir uns noch eine Weile. Er blieb länger, als sonst. Nicht, dass ich da etwas gegen hätte. Ich mochte es, mich mit ihm zu Unterhalten. Egal, um was es ging. Der Arzt wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen. "Genug von mir geredet. Wie sieht es eigentlichen bei Ihnen aus? Ich meine, als Arzt hat man ja nicht gerade viel Freizeit?" Er räusperte sich. "Ich verbringe meine Zeit gerne hier. Meine Schicht hat ja noch nicht mal angefangen." Im Schneidersitz schaute ich ihn baff an. "Sie sind hier, obwohl Ihre Schicht noch nicht angefangen hat?" Er nickte mir zu. "Wieso?"

"Ich unterhalte mich eben gerne mit dir, mit Erwähnung." Wann denn das? Kann mich nicht erinnern, dass er das jemals gesagt hat. "Und dafür fahren Sie früher zur Arbeit als sonst? Aber nicht wegen mir, oder?" Ich hoffe nicht wegen mir! Er lehnte sich im Stuhl zurück, als er vom Apfel abbiss und grinste mich an. Bestätigung genug. Na super. "Mache ich Ihnen denn immer noch Sorgen?" Sag jetzt bloß nichts falsches. "Nein, wie gesagt, ich unterhalte mich eben gerne mit dir." Hat er niemanden, mit dem er sich sonst unterhalten kann, oder wie? "Heißt das, dass sie Zuhause niemanden haben, der auf Sie wartet oder mit dem Sie reden können? Ich meine, ich bin ein Mädchen von 16 Jahren. Und Sie sind Arzt."

"Das hat nichts damit zutun, ob ich jemanden an meiner Seite habe oder nicht weiß, mit wem ich mich Unterhalten soll. Eher, weil man mit dir gut reden kann. Ich bin manchmal sehr verblüfft, was du für Wörter kennst." - "Ich weiß, wir hatten uns schon einmal drüber unterhalten. Und wenn wir schon dabei sind, was bedeutet eigentlich 'TBC'?" Man kann ja nie genug dazu lernen. "Das ist die Abkürzung für Tuberkulose." -

"Und Ileum? Ich frage nur aus Neugierde." Er grinste. "Du bist ja sehr neugierig. Das ist ein Teil des Dünndarms." Irgendwie weiß er alles? "Und FSME? Ich hab das gestern im Wartezimmer auf einer Zeitschrift gelesen."

"Das ist eine Frühsommer-Meningoenzephalitis, eine Hirnhautentzündung, die durch einen Zeckenstich - oder bisses ausgelöst wird." Ouch. "Klingt schmerzhaft." Ich muss schon sagen, dass es echt Spaß macht, mit ihm zu reden. Kann ja so mit keinem reden, was Fachausdrücke in der Medizin angeht. "Falls dir die nächsten Tage langweilig werden sollte, weil du ja wohl auch erstmal alleine im Zimmer bist, kann ich dir gerne mal ein paar Fragen aufschreiben, die du beantworten kannst. Nur wenn du möchtest?" Gar keine so schlechte Idee. "Klingt gut", grinste ich ihn an. "Dann bringe ich dir das nachher mal vorbei, wenn ich die Zeit finde." Ich bedankte mich bei ihm.


BEENDET! Eines Tages - Frederik Seehauser - Klinik am SüdringWo Geschichten leben. Entdecke jetzt