Kapitel 62: Bald ist es soweit

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Kapitel 62: Bald ist es soweit

Er saß die ganze Zeit neben mir und wir redeten, aber so leise wie möglich. Denn meine Bettnachbarin schlief bereits. Ich aß bis auf zwei Pizzastücke auf, aber ich war so satt, dass nichts mehr rein passte. "Danke für's Essen." Er lächelte mich schläfrig an. "Wie lange geht deine Schicht denn eigentlich noch?", wollte ich wissen. "Schon längt vorbei", zwinkerte er. "Muss ich nicht verstehen, oder?" Er war schon wieder geblieben, obwohl seine Schicht zu Ende war. Das letzte mal hatte seine Schicht noch gar nicht begonnen, da war er schon hier und saß an meinem Bett.

"Ist doch nichts dabei, oder?" Ich schüttelte meinen Kopf und stellte den Pizzakarton zur Seite. "Ich werde den Rest entsorgen", zwinkerte er abermals. "Und jetzt versuch zu Schlafen, es ist schon spät." Ich nickte. "Ich versuche es."

Mitten in der Nacht wurde ich einmal wach, denn ich musste zur Toilette. Ich schlich mich so leise wie möglich wieder ins Bett und schlief wieder ein. Am Nächsten Morgen saß er wieder an meinem Bett. Routine. Wie immer. Wir Frühstückten zusammen und wir unterhielten uns - wie immer. "Du weißt ja, ich bin Neugierig. Was hat Giuliana eigentlich?" Er nickte. "Sie wird gerade operiert." Ich grinste schelmisch. "Caecum?" Er grinste mich nur an.

Ein paar Stunden später kam Giuliana wieder aufs Zimmer und schlief ihren Rausch von der OP aus. Ich verhielt mich so leise wie möglich, denn als ich Operiert worden war, hat auch jeder auf mich Rücksicht genommen.

Ich bekam durchgehend Infusionen und das Antibiotika schlug perfekt an. Die Entzündung von der Narbe war weg und ich war so glücklich darüber. Ich hoffte jetzt inständig, dass nicht noch etwas passierte. >Gar nicht erst daran denken, Mi! Nicht daran denken.< 

Der Tag ging so schnell an mir vorbei und ich fieberte meiner Entlassung entgegen. In den nächsten Tagen passierte nichts aufregendes, bis auf das mein Onkel mehrmals zu Besuch kam und auch Lotta war einmal da. Sie erzählte von ihrem Urlaub in Italien und zeigte mir Fotos. Erzählte mir, was sie alles dort gemacht hat und das sie jeden Tag im Meer schwimmen war. Achja, wie gerne hätte ich das auch gemacht. Viel blieb mir von meinen Sommerferien nämlich nicht mehr. Aber ich denke, ich werde erstmal die Tage so sehr genießen, wenn ich wieder Zuhause bin. Es wird ungewohnt sein, aber ich werde mich wieder dran gewöhnen müssen.

Zwischendurch schrieb ich mit Elina über Whatsapp. Sie schrieb mir, dass es Bergauf geht und es ihr aber zwischenzeitlich noch schlechter ging. Sie hoffte, dass sie über den Tod von Angel hinweg kommt. Ja, Angel war alles für sie, aber ich glaubte an sie. Elina wird es schaffen, auch wenn der Weg bis dahin noch Zeit braucht.

Am Abend des 12. August schlief ich früh ein. Ich träumte wirres Zeug, an das ich mich kaum erinnerte, als ich wach wurde. Meine Uhr zeigte 05:29 Uhr an. Giuliana war auch wach. "Kannst du nicht mehr schlafen?" Sie schüttelte den Kopf. "Ich hab Bauchschmerzen", meinte sie leise. "Soll ich eine Krankenschwester holen?" Sie nickte kurz. "Ja, bitte." Ich stand auf und zog meine Hausschuhe an und ging auf den Flur zur Schwesternkanzel. "Guten Morgen Charlotte, könntest du vielleicht mitkommen? Giuliana hat Bauchschmerzen." Schwester Charlotte nickte und kam mit ins Zimmer. Meine Bettnachbarin bedankte sich bei mir.

Während Schwester Charlotte sich um Giuliana kümmerte, dachte ich nach. Wo war Frederik? Er saß sonst jeden Morgen an meinem Bett. Immer dann, wenn ich wach wurde. Egal, wie früh es war. Hatte er heute frei oder hat er einen Patienten, den es gerade sehr schlecht ging, um den er sich jetzt kümmerte? Wenn er frei hätte, hätte er mir das gesagt. Und seitdem ich hier bin, hatte er sich nie frei genommen. Charlotte riss mich aus meinen Gedanken. "Wenn noch etwas sein sollte, der rote Knopf." Ich nickte ihr lächelnd zu, dann ging sie wieder raus.

Giuliana schlief wieder und ich versuchte auch noch einmal zu schlafen, doch gelang es mir nicht. Mit Kopfhörer in den Ohren schaute ich mir ein paar Youtube Videos an. Gegen halb Sieben legte ich die Kopfhörer zur Seite und zog mir meine blauen Schuhe an. Unten in der Notaufnahme setzte ich mich auf einen freien Stuhl und beobachtete lange Zeit die Menschen, die Ein - und Aus gingen, bis ich mich dazu entschied, vor die Tür zu gehen. Frische Luft tut immer gut. Ich ging ein paar Schritte zur Straße und schaute nach links. Kein Auto zu sehen. Mein Blick ging zur rechten Seite, wo ich ein Mädchen dabei beobachtete, wie sie gerade einen Block in ihre Tasche gleiten ließ. Sie hielt etwas silbernes in ihren Händen, bis sie laut aufschrie.

BEENDET! Eines Tages - Frederik Seehauser - Klinik am SüdringWo Geschichten leben. Entdecke jetzt