Kapitel 28: Trauer

1.2K 53 4
                                    

Kapitel 28: Trauer

Am nächsten Morgen schlief ich sogar länger als sonst. Ich schaute auf mein Handy, denn die Uhr zeigte schon nach Neun an. >Dann musste ich ja auch die Visite verpasst haben?< Nicht schlimm, Herr Seehauser wird mich ja wohl kaum beim schlafen beobachtet haben. Ich gähnte kurz und schaute nach rechts zum anderen Bett.

Oh Gott! Ich habe mich so erschrocken, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass dort jemand liegt. "Wer bist du denn?" Das Mädchen schaute mich an. Sie hatte große braune Augen und ihre Haare waren zu einem französischen Zopf gebunden, der bis zu ihrer Brust ging. "Ich bin Aiana und du?" Wow, seltener Name. "Ich heiße Mirella", stellte ich mich vor. "Schöner Name, habe ich noch nie gehört." Ich brachte ein lächeln hervor. "Dein Name ist auch schön." Sie bedankte sich bei mir.

Als ich sie fragte, wieso sie hier ist, entgegnete sie, dass sie morgen operiert wird. Sie hatte einen Fahrradunfall, wo sie sich den Arm gebrochen hat. Und da dieser schief gebrochen war, musste sie operiert werden. Ich wünschte ihr viel Glück.
Plötzlich knurrte mein Magen laut auf. "Oh, ich habe Hunger." Links neben mir stand noch mein Frühstück. Ich schaufelte mir den Joghurt in den Mund und aß tatsächlich auch das Brot mit Frischkäse auf.

Wenn ich ehrlich bin, freute ich mich, dass es kein Junge war, mit dem ich nun das Zimmer teilen musste. Aiana schien mir gegenüber sehr Sympatisch zu sein. Es ist aber nicht das gleiche, wie mit Lotta. Im nächsten Moment öffnete sich die Tür. Es war Elina. Sie sah noch fertiger aus, als gestern. Ihre Augen waren rot und ihre Haare hingen in ihrem Zopf wirr in alle Richtungen. Sie achtete gar nicht auf das andere Mädchen und legte sich wie gestern einfach zu mir ins Bett. Ich umarmte sie, als sie meine Hand nahm. Ich wollte erst was sagen, ließ es dennoch sein. Elina schluchzte und weinte nur. Sie tat mir so sehr Leid und ich wusste selber nicht, was ich für sie tun kann, damit es wenigstens ein bisschen erträglicher für sie wird. Meine beste Freundin war todunglücklich und ich selbst konnte nicht aufhören zu trauern.

Gegen Mittag kam der Assistenzarzt vorbei. Als er rein kam, sah er das gleiche Bild wie am Vortag. Er blieb abrupt stehen und sah zu mir. Ich hatte das Gefühl, dass er gar nicht damit gerechnet hatte, dass Elina wieder hier war und wir in meinem Bett lagen. Ich sah ihn mit einem niedergeschlagenen Blick an. Er ging auf mein Bett zu. Er sah mich nur an. Ich schüttelte nur meinen Kopf. Ich verstand nicht, was er mir sagen wollte. "Es tut mir leid, dass ich euch stören muss, ich wollte nur nach dir sehen, .. Du hast ja etwas länger geschlafen." Seine Stimme klang bedrückt. "Können wir das bitte später besprechen?" Ich wollte jetzt nicht reden, ich wollte nur für Elina da sein. Sie in meinen Armen halten und ihr beistehen. Ihr zeigen, dass ich für sie da war, egal in welcher Lage ich mich befand. Der Arzt nickte mir zu und ging.

Stunden später raffte sich Elina auf und ging in das Badezimmer. Ich hörte den Wasserhahn laufen. Dann kam sie wieder zu mir, umarmte mich und ging, ohne etwas zu sagen. Aiana sah mich Hoffnungsvoll an. "Ist alles in Ordnung?" fragte sie. "Ja, es geht schon." Ich drehte meinen Kopf zum Fenster und sah raus. Es passieren so viele Dinge, die wir nicht kontrollieren können und mir war klar, dass es irgendwann so weit war, sich von Angel zu verabschieden. Doch es war viel zu früh. Ich habe sie vor sechs Wochen das letzte mal gesehen und ich hatte ja keine Ahnung, was alles auf mich zukommen würde. Der schmerz saß so tief, dass ich nicht wusste, wie ich damit umgehen soll.

Der Tag war für mich einer, den ich am liebsten vergessen wollte. Ich wollte nicht wissen, wie alleine Elina sich fühlen musste. Wie sie in ihrem Bett liegt und weinte. Wie kaputt sie war.

BEENDET! Eines Tages - Frederik Seehauser - Klinik am SüdringWo Geschichten leben. Entdecke jetzt