Kapitel 70

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"Hallo? Lina?" Ich stieß schnaufend die Wohnungstür auf, doch irgendetwas versperrte den Weg. Ich schob so lange, bis sie sich endlich ein Stück bewegte und hörte, wie etwas über den Boden schleifte. Ein Karton vielleicht? Oh, ach ja. Erst jetzt fiel mir auf, dass es schon mitten in der Nacht war und ich wahrscheinlich gerade meine Mitbewohnerin sehr unsanft aus den Träumen gerissen hatte. Konnte ich jetzt allerdings auch nicht ändern. Musste sie sich nicht wundern, wenn hier so viel in der Gegend herumstand. So leise es eben mit einem riesigen Koffer, den man durch einen kleinen Türschlitz zu bugsieren versucht, war, kämpfte ich mich voran. Zu allem Übel war es in der Wohnung auch noch stockdunkel. Die einzige Lichtquelle war eine flackernde Lampe im Treppenhaus. Die hatte aber auch schon bessere Zeiten gesehen. Was war hier nur passiert, während ich weg war ...? Überall stieß ich auf Gegenstände, die auf dem Boden verteilt waren und stolperte - den Koffer hinter mir her zerrend - in mein Zimmer. Dort fand ich dann auch endlich den Lichtschalter und stellte erleichtert fest, dass sich wenigstens hier nichts verändert hatte. Jedenfalls auf den ersten Blick.

Seufzend legte ich mich aufs Bett, streifte meine Schuhe ab und schlang die Decke um mich. Zum Umziehen hatte ich einfach keine Kraft mehr.

Celine hatte mir zwar gesagt, ich könne sie sofort anrufen, wenn ich zu Hause bin, doch ein Blick auf mein Handy zeigte, dass sie die letzten Stunden nicht mehr online gewesen war. Daher beschloss ich, sie nicht aufzuwecken und sie einfach morgen früh anzurufen. Zum Glück musste ich erst mittags zu Uni, sodass ich wenigstens etwas länger schlafen und ein bisschen auspacken konnte.

Ohrenbetäubendes Rumpeln und Hämmern riss mich am nächsten Morgen sehr unsanft aus dem Schlaf. Genervt schlug ich die Decke zurück. Bei diesem Höllenlärm würde ich sowieso kein Auge mehr zubekommen. Ich riss die Tür auf. Niemand zu sehen. In der Küche stieß ich schließlich auf Lina.

"Huch, schläfst du jetzt mit Klamotten?", fragte sie kichernd. Für diese Uhrzeit hatte sie ungewöhnlich gute Laune, fand ich. Sie zupfte an ihrem Haarband herum, das sie sich locker in die Haare gebunden hatte und strich sich hastig - als würde sie eine Fliege verscheuchen - ein paar blonde Locken hinter die Ohren.

"Gegenfrage - Was ist hier eigentlich los? Als ich heimkomme brech' ich mir fast die Beine in dem Chaos und heute hab ich das Gefühl mitten auf einer Baustelle zu wohnen."

Statt einer Antwort schenkte sie Kaffee in eine Tasse, kippte reichlich Milch dazu und drückte sie mir in die Hand. Genau das, was ich jetzt brauchte! Damit war allerdings meine Frage noch nicht beantwortet ...

Ich setzte mich lieber, falls die Antwort die ich (hoffentlich) gleich mal bekommen würde nicht ganz in meinem Sinne war.

"Also? Leg los", drängelte ich.

Sie räusperte sich. "Also ... Du musst wissen ...", druckste sie, setzte sich auf den Tisch und Malte mit den Fingern Kreise auf die Platte. Sie war nervös. Etwas bedrückte sie und aus irgendeinem Grund fiel ihr schwer es mir zu sagen.

"Was? Was muss ich wissen? Mach's doch nicht so spannend! Ich werd dir schon nicht gleich den Kopf abreißen." Sie nickte nur. Inhaltsreiche Antwort.

"Esistwiederjemandeingezogen."

Lina ratterte diesen einen Satz so schnell runter, dass ich erst einmal eine Zeit brauchte, um ihn richtig einzuordnen.

"Das ist doch schön! Wie heißt sie denn?" Ich verstand echt nicht, warum es so schlimm war, mir davon zu erzählen. Ist doch wirklich nichts dabei. So lange sie nicht Schlagzeug spielte und den den ganzen Tag damit verbrachte zu üben, hatte ich kein Problem mit einer neuen Mitbewohnerin.

"Ehm, ja ... Sie ist ein Junge." Unsicher kratze sie sich am Kopf und nahm einen Schluck aus meiner Tasse. Das machte die Sache natürlich ein wenig komplizierter. Ob das wirklich gut ging? Ich lächelte, um mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.

"Oh. Und wie heißt er?", fragte ich und runzelte die Stirn.

"Er meinte, er wolle sich persönlich bei dir vorstellen, so als neuer Zimmernachbar. Ich solle dir nicht mal seinen Namen sagen, was ich allerdings ein wenig merkwürdig finde, aber gut. Jungs sind eben manchmal ziemlich kompliziert."

Das war in der Tat sehr merkwürdig. Der war mir schon jetzt unsympathisch.

"Okay ... Und wo ist der jetzt?" Hoffentlich irgendwo verschollen, dachte ich.

"Vermutlich im Baumarkt. Er war gerade dabei sein Zimmer zu streichen, aber dann ist ihm die Farbe ausgegangen. Ziemlich blöde Sache." Sie lächelte schief. Ja, total blöd gelaufen. Das tut mir wirklich so richtig leid. Ich ersparte mir weitere Informationen zu unserem geheimnisvollen Typen, indem ich etwas von wenig Zeit murmelte und schnell im Bad verschwand. Da ich mir bei der Kleiderwahl noch nicht ganz sicher war, verschob ich diese Entscheidung auf nach dem Duschen.

Jetzt musste ich nur noch hoffen, dass ich dem ich-darf-nicht-wissen-wie-du-heißt Mitbewohner nicht begegne. So in Unterwäsche machte das ja keinen guten ersten Eindruck.

Vorsichtig öffnete ich die Tür und spähte hinaus. In der Küche war er schon mal nicht, gut so. Vielleicht kaufte er auch noch neue Farbe. Ich flitzte über den kalten Boden zu meinem Zimmer. Leider war ich kein Lufthauch, der durch Menschen hindurchschweben konnte, sondern immernoch aus Fleisch und Blut. Ich konnte auch nicht unbemerkt an ihnen vorbei zischen, denn dafür war unser Flur zu eng. Leider konnte ich auch nie Glück Haben. Ich rannte stumpf in ihn hinein. In unseren neuen Mitbewohner.

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Na, habt ihr eine Idee, wer das sein könnte? :D
Lasst mal ein Feedback da, ich würde mich freuen :)

LG ~Romina~

BVB-LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt