Kapitel 78

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Ich lies mich widerwillig von der aufgeregten Celine durch die Menge zerren, wobei ich ziemlich häufig stolperte und fast auf die Nase flog. "Jetzt komm schon!", sagte sie ungeduldig und sah mich scharf an. "Oder willst du etwa immernoch kneifen?" Ich schüttelte den Kopf. Nein. Obwohl, wenn ich so darüber nachdachte, war es genau das, was ich in diesem Moment am liebsten getan hätte.
Es war wie immer rappelvoll und die Fans kreischten eifrig durcheinander. Ich wusste nicht genau auf welcher Tribüne wir uns befanden, da ich bei irgendwelchen Richtungen sowieso heillos durcheinander kam. Das ging ins eine Ohr rein, durchs andere geradewegs und fröhlich hüpfend wieder heraus. Na ja, immerhin wusste ich, dass wir im Signal-Iduna-Park waren, das reichte für den Anfang. Vielleicht würde ich mir das mit den Tribünen auch irgendwann mal merken. Celine hatte natürlich die Plätze in der ersten Reihe, so nah am Spielrand wie nur möglich ergattert und strahlte jetzt über das ganze Gesicht. Sie war sichtlich stolz auf ihren 'genialen' Plan. "Das klappt ganz bestimmt!", versicherte sie mir. Irgendwie war ihr ständiges Grinsen und die gute Laune ansteckend, sodass ich wirklich daran glaubte. Es würde klappen. Nachdem die Jungs sich auf der anderen Seite (auf der wir nicht saßen) warm gemacht hatten, liefen sie einträchtig wieder in die Kabinen. Ich hatte unbemerkt angefangen zu zittern und hatte Mühe meine Hände ruhig zu halten. Mir war nicht kalt. Ich war nervös. Erik spielte, wie mir die Anzeigetafel verriet. Celine lächelte beruhigend und nahm meine Hand. Das sollte wohl heißen: Alles wird gut. Eben hatte ich auch daran geglaubt, doch jetzt übermannten mich schon wieder Zweifel. Ich versuchte diese in den hintersten Teil meines Gehirns zu verbannen und mich auf das anfangende Spiel zu konzentrieren.
In der ersten Halbzeit war Erik auf der gegenüberliegenden Seite unterwegs und hatte mich deshalb noch nicht gesehen. Ich verfolgte jede einzelne seiner Bewegungen mit den Augen und war für den Anfang froh, dass er mich nicht sehen konnte.
Die zweite Halbzeit würde angepfiffen: Bis jetzt stand es 2:0 für uns, wobei die Gegener auch nicht schlecht spielten. Plötzlich fing Celine neben mir an zu husten und hielt sich ihren Jackenärmel vor die Nase. "Dasch ischt schlescht fürsch Baby", informierte sie mich und zeigte anklagend auf einen Mann, der sich hinter uns genüsslich eine Zigarette nach der anderen anzündete. Ich nickte. Sie gab mir zu verstehen, dass sie gerne den Platz mit mir tauschen würde, um ein wenig weiter wegzusitzen. Ich verstand (allerdings nicht den Sinn), stand gnädig auf und lies sie durchrutschen. "Danke, schon viel besser", lächelte sie und atmete tief ein. Da wir in der Zeit, in der wir getauscht hatten, nicht auf das Spielfeld geachtete hatten, hatten wir auch nicht bemerkt, was in der Zeit passiert war. Ich sortierte gerade wieder meine Beine, als Celine mich mit dem Ellenbogen anstupste und irgendwas zischelte, was ich allerdings nicht verstand. Ich sah hoch und: Oh Gott! Alle starrten mich an. Spieler, Fans, Schiedsrichter. Schlagartig verwandelte ich mich in eine überreife Tomate und blieb wie angewurzelt sitzen. Den Grund für das ganze sah ich schon im nächsten Moment. Erik stand am Rand des Feldes, den Ball über dem Kopf, zum Abwurf bereit - und starrte mich an. Er hatte Ähnlichkeiten mit einer Statue im Museum. (Allerdings hatten diese den Mund meist geschlossen, oder?) Ich war noch immer knallrot und erst als es in meinem Kopf anfing zu hämmern, merkte ich, dass ich die die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Meine Gedanken flogen nur noch durcheinander und ich war mir nicht sicher, ob ich jetzt glücklich war, dass der erste Teil unseres (bzw Celines und Jonas) Plans geklappt hatte oder ob ich vorher lieber im Boden versinken wollte. Ich entschied mich in dieser Situation für die zweite Variante.
Zum Glück rannte der Schiedsrichter endlich auf Erik zu, nachdem dieser das ungeduldige Pfeiffen einfach ignoriert hatte. Es sah aus, als würde er aus einem tiefen Traum aufwachen, als er die Hand vor seiner Nase bemerkte und zusammenzuckte.
Im Laufe des Spiels sah er mich nicht einmal mehr an, doch trotzdem konnte ich mir das Grinsen kaum verkneifen. Vorallem, da Celine neben mir unentwegt kicherte und die Augen aufriss, um damit Eriks Blick nachzumachen. "Der Blick!", lachte sie. "Sein Blick war einfach unbezahlbar!" Ich stieß sie an, da ich langsam keine Luft mehr bekam und nicht schon wieder so viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen wollte. Mehrere tausend Menschen waren wirklich zu viel für meine belasteten Nerven. Mir wurde früher schon vor Referaten, die ich ich meiner Klasse vorstellen sollte, total schlecht.
Unsere Jungs gewannen schlussendlich mit einem klaren 4:0. Das ganze Stadion bebte, es war ein unbeschreibliches Gefühl. Celine beugte sich zu mir rüber. "Lass uns warten, bis alle draußen sind. Danach müssen wir unbedingt zu Erik, immerhin ist die Vorarbeit schon einmal überstanden." Sie zwinkerte mir zu und grinste. Ich hatte jetzt eigentlich nicht wirklich Lust noch Stunden hier zu warten und mich dann durch massenhaft Fans zu drängeln, aber gut. Hätte ich nein gesagt, wäre sie bestimmt ziemlich beleidigt gewesen, nachdem der Anfang so gut geklappt hatte.
Wir schlängelten uns durch die schon ziemlich leeren Gänge. "Komm, Mia! Ich glaube die Jungs sind schon da vorne", sagte sie und zerrte schon wieder an meinem Arm. Langsam fühlte ich mich echt wie ein alter störrischer Esel, den man an einem Strick hinter sich her zog. Celine schien das nicht im geringsten zu stören. Sie raste bemerkenswert elegant auf ihren hohen Schuhen, was man von mir nicht unbedingt behaupten konnte. "Da!" Sie regte den Hals und zeigte auf ein paar Leute. Ihrem verklärten Grinsen nach zu urteilen, handelte es sich bei ihrem "da" nicht um Erik, sondern um Jonas, was sich mit einem raschen Blick bestätigen lies. "Ich geh mal kurz zu ihm", erklärte sie und war im nächsten Moment auch schon verschwunden. "Mh, geh nur, lass mich ruhig allein", murmelte ich zu mir selber. Kurz darauf entdeckte ich ihn endlich. Nässe Haare, Tasche lässig über der Schulter und kräftig am Autogramme verteilen. Wie zufällig schländerte ich in seine Richtung, übersah allerdings einen lockeren Stein im Boden, in dem ich natürlich stecken blieb und erstmal wie der letzte Volltrottel der Länge nach hinfiel. Das war ja mal wieder klar. "Hallo, hübsche Frau. Bist du hingefallen?" Nein, ich liege immer gerne auf dem Boden! Ein Typ, ca. Ende dreizig hatte sich vor mich gekniet und lächelte jetzt schleimig auf mich herab. Ich stöhnte. "Kann ich dir vielleicht behilflich sein?" Noch bevor ich heftig protestieren konnte, umfasste er meinen Arm. "Nimm sofort deine dreckigen Hände von ihr!", hörte ich plötzlich ein ärgerliche Stimme hinter mir. Sofort ließ er locker, sodass ich mich aus seinem Griff befreien konnte und entfernte sich murrend. Ich war nicht wirklich überrascht, dass er es war, aber es löste ein freudiges Kribbeln in meinem Bauch aus. Er half mir auf die Beine und ich klopfte mir den Dreck vom Kleid. "Danke." Meine Stimme zitterte leicht und ich schaute ihm leicht unsicher in die Augen. "Kein Problem", antwortete er, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Was war denn mit ihm los? Erst retten und dann wieder in eine gefühlslose Eisstatue verwandeln, oder was? Ne, Freundchen, nicht mit mir! Doch bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, hatte er sich schon einfach umgedreht und war weggegangen.

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