Kapitel 93

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Ja, vielleicht hatte ich wirklich zu viele Fotos gemacht. Aber mal ehrlich, wenn Erik und Jonas mit zwei Zwergen zusammen Fußball spielen und dabei selbst aussehen wie kleine Kinder, muss man einfach ein paar Erinnerungsfotos machen. Es sind zwar mindestens dreihundert geworden, aber was solls. Bilder kann man nie genug machen. In ein paar Jahren hätte ich mich zu hindert Prozent schwarzgeärgert, wenn ich diesen Moment nicht festgehalten hätte ... Als Erik meine Fotogalerie auf dem Handy gesehen hatte, hat er nur gelacht und gesagt, ich sei verrückt. Das war allerdings nichts neues, das hörte ich eigentlich jeden Tag. Aber besser verrückt als langweilig, oder?

Jetzt schlenderte ich mit Celine durch die Innenstadt. Wir hatten schon lange nichts mehr allein unternommen, abgesehen von dem Hochzeitszeitschriften Angucken und das zählte nun nicht gerade zum perfekten Nachmittag mit der besten Freundin.
In einer Eisdiele gönnten wir uns erst einmal ein riesiges Eis, obwohl draußen leider noch keine Frühlingstemperaturen herrschten. Zufrieden betrachtete ich meine neuen Schuhe. Es waren schwarze Boots mit einer goldenen Schnalle und einem etwas höheren Absatz (gut, dass es nicht geregnet hatte, sonst würde ich mit der glatten Sohle schon auf dem Asphalt liegen).
"Oh, guck mal, Mia!", rief Celine, zeigte in ein Schaufenster und drückte ihre Nase fast an die Scheibe. "Ich muss diesen Bikini anprobieren. Sofort." Schnurstracks marschierte sie auf den Eingang zu. Ich kicherte und rannte ihr hinterher. Ohne sich weiter umzusehen, schnappte sie sich den Bikini von der Stange und dann ab in die Umkleide. Ich ließ mich seufzend auf einem der weichen Ledersessel sinken und lehnte den Kopf nach hinten. Obwohl wir erst seit zwei Stunden unterwegs waren, fühlte ich mich, als wäre ich tagelang einen Berg hochgestiegen.
"Und? Wie findest du ihn?", grinste Celine und stemmte ihre Hände in die Hüften. Ich zog eine Augenbraue hoch. "Wenn du damit mit Jonas schwimmen gehst, frisst er dich vorher einfach auf", lachte ich. Sie grinste und sagte: "Danke, genau das wollte ich hören!" und verschwand wieder hinter dem Vorhang. Ich streckte meine Beine aus und gähnte. Wenn ich nicht aufpasste, würde ich hier gleich einfach einschlafen.
Während Celine ihren Bikini bezahlte, wuchtete ich mich hoch und ging schon einmal vor zur Tür. Plötzlich wurde mir schwindelig, weiße Punkte tanzten vor meinen Augen. Panisch krallte ich mich an irgendetwas fest, was ich gerade mit meinen Händen erwischen konnte und blinzelte hektisch. Es knallte und meine Hände griffen ins Leere. Mist. Ich hatte gerade eine Schaufensterpuppe als Haltestange benutzt, die natürlich prompt umgefallen war. Ihr Kopf rollte über dem weißen Boden und blieb genau vor den Füßen einer Verkäuferin liegen, die mich mit hochgezogenen Augenbrauen böse anblitzte. Okay. Vielleicht sollten wir jetzt ganz ganz schnell gehen ... Ich lächelte entschuldigend und versuchte, Celine nicht anzusehen, die sich die Hand vor den Mund hielt und bemühte, nicht loszuprusten. Das kannte ich schon aus der Schule. So saßen wir schon immer im Unterricht, aber meistens war ich diejenige gewesen, die dann nicht an sich halten konnte.
"D-Das tut mir echt leid", stotterte ich mit erstickter Stimme. "Das war keine Absicht!" Die Verkäuferin drückte ihre Lippen so fest aufeinander, dass sie nur noch ein einziger Strich waren und machte schließlich eine wegwerfende Bewegung mit ihrer Hand.
Das nutzte Celine ganz schnell aus, schnappte sich meine Hand und zog mich aus dem Geschäft.
"Puh, das war knapp", kicherte sie. "Ich muss sagen, ich fand diesen Kartoffelsack, den die Puppe anhatte ja auch nicht sehr schön, aber musstest du sie denn gleich umschmeißen? Und das mit dem Kopf war schon ein bisschen gruselig." Sie schnappte lachend nach Luft und wischte sich die Tränen aus den Augen. Doch als sie mein Gesicht sah, wurde sie plötzlich wieder ernst. "Hey, alles okay?", fragte sie besorgt und tätschelte meine Hand. Ich nickte nur, aber ich sah Celine an, dass sie mir nicht glaubte. Mein Kopf tat auf einmal schrecklich weh und ich sehnte mich einfach nur danach, mich in meinem Bett zu verkriechen.
"Ich seh doch, dass irgendetwas nicht stimmt,", sagte sie mit Nachdruck "also sag mir einfach, was los ist."
Als ich nicht antwortete, sondern mir zwei Finger gegen die Schläfen drückte, hob sie eine Augenbraue und stupste mich an. "Hallo, jemand zu Hause?"
Ich seufzte. "Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist. Mir ist im Laden plötzlich schwindelig geworden und ich musste mich irgendwo festhalten und diese blöde Schaufensterpuppe war eben das erste, das ich erwischen konnte. Woher sollte ich auch wissen, dass die so locker da rumstehen", erklärte ich und konnte mit ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
"Und geht es dir jetzt besser?", fragte Celine. Ich sagte ihr, dass ich totale Kopfschmerzen hätte, woraufhin sie die Stirn runzelte und ihr Handy aus der Tasche zog. "Also", sagte sie, "ich würde vorschlagen, dass ich jetzt Erik anrufe und ihm sage, dass er dich zum Arzt fahren soll. Ich denke nicht, dass Kloppo -"
"Quatsch!", unterbrach ich sie. "Ich brauche nicht zum Arzt! Ich habe öfter mal Kopfschmerzen und du weißt doch, dass mein Kreislauf schon bei der kleinsten Wetterveränderung im Arsch ist, also mach dir keine Sorgen, es ist alles gut!", stellte ich klar. Das fehlte mir noch, mich stundenlang ins überfüllte Wartezimmer drängeln zu müssen und dann von allen Seiten angehustet zu werden.
"Na gut, wenn du meinst." Sie klang nicht sehr überzeugt, ließ ihr Handy aber wieder sinken. "Ich fahre dich jetzt nach Hause und du musst mir versprechen, dass du sofort Erik oder mich anrufst, falls irgendetwas ist!"
"Ja, Mami", sagte ich und verdrehte die Augen.

Ein paar Stunden später hockte ich mit einer halb leeren Tüte Chips auf der Couch. Eigentlich wollte ich lesen, aber nachdem ich einen Absatz zum vierten mal gelesen hatte und immer noch nicht verstanden hatte, worum es ging, hatte ich es aufgegeben und stattdessen den Fernseher eingeschaltet. Ich war heute - warum auch immer - zu nervös zum Lesen. Komisch, dabei hatte ich gar keinen Kaffee getrunken ... Oh, doch. Allerdings war das schon heute morgen gewesen, das konnte es also auch nicht sein.
Gegen Abend kam Erik vom Training zurück. Er hatte eine steile Falte auf der Stirn, als er reinkam und mich sah.
"Hey, gehts dir gut?", fragte er und streifte mit seinen Lippen mein Haar. Überrascht schaute ich hoch.
"Klar, warum fragst du?" Ich wischte mir die Finger an der Hose ab.
"Celine hat mich angerufen." Och, nee. Bevor er auch noch mit dem lass-uns-zum-Arzt-gehen-Gefasel anfangen konnte, tat ich, als wär mir etwas unter die Couch gefallen und tauchte kurz ab. "Wo ist es denn ...", murmelte ich leise und wartete darauf, dass sich Eriks Füße wegbewegen würden, was aber nicht der Fall war.
"Mia - was machst du da eigentlich?" Er schien dabei zu grinsen, das hörte ich an seiner Stimme.
Warum ging er denn nicht einfach ...? So unauffällig wie möglich hob ich meine Hand ein Stückchen und ließ einen Kugelschreiber vom Tisch fallen.
"Ach, da ist er ja!", rief ich und kam mit hochrotem Kopf wieder hoch. "So ein Ausreißer." Ich deutete auf den Stift in meiner Hand, den Erik jetzt ein bisschen entgeistert anstarrte.
"Mia ..." Fing er an, doch ich unterbrach ihn.
"Mach dir keine Sorgen, mir geht es gut! Das habe ich Celine auch schon gesagt. Alles. Ist gut. Wirklich!" Ich nickte, um meine Aussage zu bekräftigen und schaute ihn an. Er seufzte und setzte sich neben mich. Seinen Zeigefinger schob er unter mein Kinn, sodass ich ihm in die Augen sehen musste.
"Ich weiß, dass du Angst hast, zum Arzt zu gehen. Aber wenn es dir nicht gut geht, dann ist das wichtig." Er redete mit mir wie mit einem Kleinkind. Mir reichte es echt langsam. Ich stieß seine Hand weg und sprang auf, was mein Kreislauf wieder mal nicht so lustig fand, aber das ignorierte ich.
"Warum hörst du nicht darauf, was ich sage! Mir geht es gut, wie oft soll ich das noch sagen!", schrie ich. Wow, das tat irgendwie gut. "Ich bin nicht mehr drei Jahre alt, also treffe ich meine Entscheidungen allein!", beendete ich meine kleine Ansprache und starrte Erik wütend an. Ich war auf einmal so dermaßen sauer, dass ich am liebsten alles durch die Gegend geschmissen hätte. Erik sah mich entsetzt an, und dann entwickelte sich diese kleine Furche zwischen seinen Augenbrauen, die immer auftauchte, wenn er kurz davor war, auszurasten. Oh, oh. Ich zog schonmal vorsichtshalber den Kopf ein.
"Ich habe keine Ahnung was im Moment mit dir los ist, Mia, aber ich hoffe, du hast nur deine Tage und deine Hormone spielen verrückt, denn sonst kann ich mir das echt nicht vorstellen. Und ich hoffe auch, dass sich das bald wieder legt, denn auf deine Stimmungsschwankungen habe ich ehrlich gesagt keine Lust." Er sagte das alles ganz ruhig, aber seine Stimme war so scharf wie ein Messer.
Das war ja mal wieder klar, dass Männer das wieder alles auf die scheiß Hormone schieben, nur weil sie keine bessere Erklärung haben!
Ich holte tief Luft. "Nur, damit du es weißt: Ich habe nicht meine Ta -" Moment mal. Scheisse. Ich brauchte meinen Kalender und zwar sofort.

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Ich habs doch noch heute geschafft 😍🙈 ich hoffe doch, ihr freut euch 😏☺️ ich weiß noch nicht genau, wann das nächste Kapitel kommt, aber ich beeil mich :))
~Romina 💝

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