Kapitel 71

3.9K 113 0
                                    

"Was machst du denn hier?!"

Aus Reflex machte ich drei große Schritte rückwärts und wäre beinahe rüber einen Farbeimer gestolpert. So selbstsicher wie nur möglich (was ich in diesem Moment natürlich kein Stück war) stemmte ich die Hände in die Hüften.

"Na ja, ich denk ich wohne hier."

Scherzkeks. Er grinste sein alle-lieben-mich-Grinsen, bei dem ich schon wieder kotzen könnte.

"Ich meinte eher, was du hier in Dortmund machst, Max! Ich dachte du machst gerade deine Ausbildung." Meine Stimme zitterte etwas und mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Das erste mal nach länger Zeit sah er mir wieder in die Augen. "Ich bin fertig. Habe hier in der Nähe einen Job bekommen und als Lina meinte, dass bei euch wieder ein Zimmer frei ist, hab ich natürlich nicht lange darüber nachgedacht." Selbstverständlich nicht.

"Ja, denken war noch nie so deine Stärke", gab ich patzig zurück. In seinen Augen flackerte Unsicherheit und er senkte den Kopf. Er hatte einen weißen Farbklecks auf der Nase und seine blonden Haare waren verwuschelt. Wow, mein Ex zog in meine Wohnung und das Einzige, was mir auffiel war, dass er Färbe im Gesicht hatte. Reife Leistung, Mia!

"Magst du mir nicht ein bisschen helfen? Ich muss noch die Decke streichen und ..." Was er noch alles zu tun hatte, erfuhr ich nicht mehr. Ich schob mich an ihm vorbei, rannte in mein Zimmer und verriegelte die Tür. (Was ich jetzt wahrscheinlich täglich machen sollte.) Was ich zufällig ganz genau wusste war, dass ich ihm sicher nicht helfen werde. Nicht jetzt und nicht später.

Ich atmete erst einmal tief durch, um wieder richtig denken zu können. Vielleicht würde es bei seinem Job nicht gut laufen, oder er wurde gefeuert. Manchmal konnten Träume wahr werden ... Danach rief ich Celine an. Ich musste einfach mit jemandem darüber reden und sie war die Einzige, die mich wirklich verstand. Mit Erik konnte ich darüber logischerweise nicht reden und ich würde ihm die Sache mit Max auch erstmal lieber nicht erzählen. Sicher war sicher. Als ich sie endlich erreichte, klang ihr "Hallo" noch reichlich verschlafen, doch darauf konnte ich jetzt wirklich keine Rücksicht nehmen! Ich erzählte ihr alles sehr ausführlich und achtete sorgfältig darauf, dass sie mir folgen konnte und nicht zwischendurch wieder einschlief. Es tat gut, sich das alles von der Seele zu reden und als Celine mir versicherte, immer für mich da zu sein und Max zu verprügeln, falls er Probleme machte, ging es mir schon viel besser. Ich nahm mir vor, positiv zu denken und meinen Ex und seine dummen Sprüche einfach zu ignorieren. Außerdem, hatte Lina mir nicht erzählt, sie und Max seien so gut wie zusammen? Na, dann konnte ja nichts mehr schiefgehen. Meine Laune stieg wie eine Temperaturanzeige im Sommer und zehn Minuten später stellte ich laute Musik an und tanzte einfach ohne nachzudenken durch mein Zimmer. Das macht den Kopf frei, hatte meine Mutter immer gesagt, und sie hatte recht.

Nach der Uni wusste ich nicht genau, was ich machen sollte. Erik hatte Training und zu Hause war die Gefahr groß, Max zu begegnen. Darauf konnte ich sehr gut verzichten. Je weniger wir uns sahen, desto besser. Also rief ich noch einmal Celine an. Diese teilte mir kurz angebunden mit, dass sie gerade bei einem Schwangerschaftskurs sei und sich auf ihr Inneres konzentrieren müsse. Das konnte ich also auch vergessen. Wohl oder übel fuhr ich doch zurück, denn shoppen war allein total langweilig und Geld hatte ich momentan sowieso keins.

Noch bevor ich meinen Schlüssel ins Schloss stecken konnte, wurde die Tür aufgerissen und Lina fiel mir so stürmisch um den Hals, dass ich fast umgekippt wäre. So lange war ich doch wirklich nicht weg gewesen ...

"Es tut mir so leid!" Sie schniefte etwas und drückte mich noch fester an sich. Ich bekam kaum noch Luft. "Wenn ich gewusst hätte, dass du mal mit ihm zusammen warst, hätte ich ihm doch niemals angeboten hier einzuziehen! Und ich will ihn dir auch auf keinen Fall wegnehmen, oder so. Wirklich nicht. Falls du noch Gefühle für ihn hast, dann ..." Ich schob sie sanft von mir und sah sie an. "Was? Wieso sollte ich denn Gefühle für ihn haben? Er hat sich mir gegenüber wie ein arrogantes Arschloch benommen. Außerdem bin ich mit Erik zusammen. Und wenn ihr zwei euch liebt - meinen Segen habt ihr."

"Das hört sich gerade so an, als hätte ich doch gefragt, ob wir heiraten dürften", kicherte sie und hakte sich bei mir unter. "Ich bin froh, dass du nicht sauer bist. Ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen, als er mir vorhin von euch beiden erzählt hat." Ich nahm sie in den Arm. "Mach dir keine Sorgen, er gehört dir."

Den restlichen Nachmittag verbrachten wir damit Filme zu gucken und jede Menge Chips und Schokolade zu verschlingen. Später kam leider noch Max, der vorher einen zukünftigen Arbeitskollegen besucht hatte, wie Lina mir erzählte. Ich konnte mir gerade noch ein genervtes Stöhnen verkneifen, als er wie immer gut gelaunt im Türrahmen erschien. Schnell rief ich mir ins Gedächtnis, ihn einfach zu ignorieren, was sich allerdings als schwierig erwies, wenn er sich zwischen Lina und mich quetschte und uns die Arme um die Schultern legte. Nimm deinen scheiß Arm von mir, dachte ich, doch Gedankenübertragung klappte leider nicht. Er dachte gar nicht daran, sondern starrte wie gebannt auf den Fernseher, als würde er den Liebesfilm, der gerade lief, unheimlich interessant finden.

"Deine Unterwäsche ist übrigens süß", sagte er irgendwann. Ich hörte gar nicht hin, schließlich ging es mich nichts an, was die beiden so trieben. Irgendwann merkte ich, dass er mich anschaute. Er meinte mich. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. So ein Idiot! Ärgerlich schnappte ich nach Luft, wollte ihm irgendetwas besonders schlagfertiges an den Kopf, werfen, aber mir fiel partout nichts ein. War ja klar. Er grinste und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher. Das würde er noch wiederkriegen... Rache ist süß. Plötzlich hörten wir einen Schlüssel im Schloss und die Tür wurde aufgestoßen.

BVB-LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt