~Kapitel 76~

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Während der kurzen Autofahrt erzählte ich Drake und Stan alles Neues und war einfach froh, als der Wagen vor Tysons Elternhaus hielt.
Ich war schon fast ausgestiegen, da erkundigte Drake sich erneut, ob ich mir wirklich sicher sei, dass ich alleine klarkommen würde und ich nickte nur schwach.
Ruhe und Zeit, um das alles zu begreifen - ganz für mich alleine- das war das einzigste, was ich in diesem Moment wollte.
Also verabschiedete ich mich von den beiden und schloss die große Türe mit Tyson Schlüssel auf.
Wie nicht anders zu erwarten, war niemand zu Hause, nichtmal Nancy, und so war ich nun wirklich alleine. Ganz alleine.
Planlos lief ich in das große Wohnzimmer und starrte in die Leere.
Ich war ganz alleine in diesem riesigen kalten Haus.
Alleine ohne Tyson.
Das war ich sonst nie.
Immer war er da und wir unternahmen etwas oder er nahm mich einfach nur in den Arm und sagte mir, wie sehr er mich liebte.
Aber jetzt lag Tyson schwer verletzt im Koma und ich wusste nicht, ob es jemals wieder so werden würde wie früher.
Aber wie war es früher eigentlich?
Tyson wusste die ganze Zeit über schon, dass er sterben würde, nicht zuletzt sogar um mich zu retten.
Und ich? Ich hatte nicht den leisesten Schimmer von all dem und das hätte Tyson auch gerne so belassen.
Unsere ganze Beziehung über hat er mir das nie anvertraut.
Er konnte sich mir nie völlig öffnen, obwohl ich dies immer angenommen hatte.
Ich habe ihm schlicht vertraut, aber er mir nicht.
Und jetzt ist das einzige was uns noch zusammenhält mein Vertrauen in ihn?
Kann ich ihm überhaupt vertrauen?
...Ach fuck, mein ganzes Leben bricht an dieser Scheiße zusammen!
Mittem im Wohnzimmer stand ich jetzt also und während ich so über diese ganzen Lügen nachdachte, sammelten sich auch wieder neue Tränen in meinen Augen.
Aber dieses Mal war es etwas anderes.
Ich weinte nicht direkt los.
Stattdessen hatte ich das Gefühl meine Tränen würden mich erdrücken, während sich meine Gefühle im Inneren hochschauketen und es nicht mehr lange dauern konnte, bis das ganze überschwappte und eine Katastrophe ausbrach.
Wenn ich ganz ehrlich zu mir war, war ich vollkommen auf Tysom reingefallen, obwohl die Angst vor genau solchen Geheimnisse oder anderer Scheiße mich zu Beginn so lange von ihm fern gehalten hatte.
Ich wollte ihm nicht blind vertrauen und so verhindern belogen zu werden, aber genau das war eingetroffen.
Und das schlimmste an der Sache war, dass ich ihm trotzdem überhaupt nicht böse sein konnte, weil ich mich viel zu sehr in ihn verliebt hatte.
Nichts, rein gar nichts in mir konnte ihm auch nur etwas schlechtes wünschen, aber gleichzeitig fühlte ich mich so betrogen und belogen von ihm.
Verwirrung, Ängste, Zweifel, Sehnsucht, Schmerz, Liebe -einfach alles- kam in mir zusammen und vermischte sich zu einer gewaltigen Gefühlsexplosion.
Ich war hin und her gerissen welchem der Gefühle ich mich hingeben sollte und welches das Chaos dominierte, aber alles zusammen ließ mich zusammenbrechen.
Ich versuchte noch die Tränen zurückzuhalten, aber es half nichts und so übermannten mich die Tränen erneut an diese Tag und das so stark wie noch nie in meinem ganzen Leben.
Tränen vermischten sich mit Schluchtzen, zwischen welchem ich nach Luft rang.
Meine Sicht verschwamm förmlich hinter meinem Tränenschleicher und die Welt um mich herum trat in den Hintergrund.
Ich nahm nur noch mein erbärmliches Heulen war und sackte so langsam auf dem Fußboden zusammen.
Obwohl ich es nicht für möglich gehalten hätte, steigerten sich meine Tränen immer weiter und ich bekam gleichzeitig immer weniger Luft, sodass ich immer mehr in Schnappatmung verfiel und nach Sauerstoff keuchte.
Doch das war mir tatsächlich gar nicht so wichtig, da ich im Geiste völlig in meinem Gefühlschaos verschwand und so in eine Art geistige Abstinenz verfiel, in der ich alles andere nicht mehr wahr nahm.
Mir konnte nichts mehr helfen.
Ich war ein einziges Frack, das in seinem eigenen Leiden ertrank...

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Eine warme Hand.
Eine warme Hand, die anfing unsanft an mir zu rütteln.
Meine Tränenflüssigkeit war inzwischen wahrscheinlich aufgebraucht, doch schniefte ich noch und meine Atmung war noch immer unkontrolliert.
Ich glaube ich lag irgendwo auf dem Boden und wimmerte vor mich hin, doch die Person, zu der die Hand gehörte, sprach mit mir.
Jedoch verstand ich nichts, nur ein dumpfes Klingen, das mich langsam aber sicher in die Realität zurück holte.
„Stella... Stella...komm zu dir", sagte die Stimme immer wieder.
Ich glaube es war ein Er und auch meine Augen nahmen langsam die Silhouette eines jungen Mannes an, der sich über mich beugte.
„Stella, du musst atmen! Atmen! Hallo?! Stella!", vernahm ich jetzt immer deutlicher und auch lauter.
Wie aus einer Art Trance erwachte ich plötzlich und realisierte, dass ich nicht richtig Luft bekam, weshalb ich reflexartig anfing nach Luft zu schnappen.
Ich rappelte mich auf, doch auch im Sitzen entspannte sich meine Atmung nicht und Panik stieg in mir auf.
Gleichzeitig erkannte ich nun auch Drake vor mir und als er realisierte, dass ich in Atemnot war und ich deswegen immer panischer wurde, stürmte er davon, während ich erfolglos versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
Drake kam recht schnell mit einer Tüte in der Hand zurück und deutete mir, ich solle in diese hineinatmen, was ich auch sofort tat.
Tatsächlich verlangsamte sich meine Atmung so stückweise wieder und als ich die Tüte wenig später absetzte, konnte ich wieder besser und reguliert Sauerstoff einatmen.
Ich: „Danke..."
Ich war noch immer etwas durch den Wind, aber langsam kam mir wieder die Erinnerung von gestern.
Und mit der Erinnerung an meinen gestrigen Zusammenbruch kamen gleichzeitig auch wieder alle Gefühle in mir auf, die dafür verantwortlich gewesen waren.
Besagte Gefühle und Gedanken waren so stark, dass sie mich wieder begannen vollends einzunehmen und ich Drake vor mir dabei fast vergaß.
Ich fühlte mich einfach als würde meine Trauer mich jede Sekunde mehr erdrücken, dabei musste ich doch stark sein und positiv denken.
Das konnte ich aber nicht.
Und ich konnte erstrecht nicht mit diesen unglaublich intensiven Gefühlen umgehen.
Ich geriet einfach in eine Art Drucksituation zwischen meiner riesigen Trauer und dem Druck stark zu bleiben, dem ich mich nicht gewachsen fühlte, was wiederum große Ängste in mir erzeugte.
Das war einfach zu viel für mich und als Reaktion darauf konnte ich nicht anders als wieder anzufangen zu weinen.
Zunächst versuchte ich mich vor Drake, der immernoch ruhig vor mir saß, etwas zusammen zu reißen, doch führte das nur zu einem intensiverem Heulkrampf.
Drake: „Ach Stella..."
Ohne dass ich etwas machen konnte, zog er mich zu sich, um mich in den Arm zu schließen.
Aber es half ja nichts, das musste jetzt einfach raus und vielleicht war es ja gut, wenn ich mit jemandem darüber reden konnte.
Ich: „Ich kann das nicht... Ich schaff das einfach nicht..."
Drake: „Was kannst du nicht?"
Ich: „Na stark sein... Für Tyson da sein... Diese Ängste aushalten... Diese Trauer verspüren... Ich kann das alles nicht"
So gut es ging versuchte ich die Wörter unter Tränen heraus zu pressen und gleichzeitig noch genügend Luft einzuatmen, um nicht erneut in Atemnot zu verfallen.
Drake: Shh, niemand verlangt das von dir. Ich weiß, dass das hart für dich ist"
Hat er nicht gestern noch gesagt, dass ich stark sein musste?
Naja, aber das war ja nicht mein eigenes Problem.
Ich: „Er hat mir nicht vertraut, Drake... Er hat sich mir nie anvertraut... Ich hatte überhaupt keine Ahnung. Und das wollte er auch..."
Drake: „Er wollte dich damit nur schützen. Das letzte was er wollte, wäre dich jetzt so zu sehen. Das musst du mir glauben"
Ich: „Aber damit hat er mich doch gerade erst verletzt! Ich dachte wir könnten zusammen alles durchstehen und meistern... weil wir uns gegenseitig vertrauen... aber das war eine einzige Lüge"
Drake: „Tyson... hat oft erzählt, dass du das so sahst. Das hat ihn sehr belastet, weil er sich zu recht schuldig gefühlt hat. Er hat dir das nicht gerne vorenthalten, aber er hat es aus Liebe gemacht und selber deswegen gelitten. Aus seiner Perspektive dachte er eben das wäre das beste für dich"
Jetzt brach ich noch stärker in Tränen aus.
Bei der Vorstellung , dass Tyson nur für mich gelitten hatte und wirklich nur das Beste gewollt hatte, schmerzte mein Herz noch mehr aufgrund der ganzen Scheiße, die er durchmachen musste.
Wieso musste er so ein hartes Leben haben?
Ich will einfach nur, dass er wieder aufwacht, bei mir ist und alles wieder so ist wie es einmal war, nur ohne die ganzen Geheimnisse.
Aber ich hatte keine Ahnung, ob auch nur eins davon wahrscheinlich ist.
Ich: „Wacht er wieder auf?"
Drake: „Warum sollte er das nicht? Spätestens seit gestern wird er wissen, dass er dich so nicht einfach verlassen kann. Und deswegen wird er solange wie nötig dafür kämpfen, um das wieder gut machen zu können.
Du bist die Kraft die ihn antreibt. Durch deine bloße Existenz gibst du ihm einen Grund zu leben.
Er liebt dich, Stella, und er weiß, dass du ihn liebst. Deswegen wird er auch zurückkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, okay?"
Ich: „Wow... wieso bist du dir in dem was du sagst so sicher?"
Er klang echt überzeugt von dem, was er sagte und tatsächlich wärmten seine schönen Worte mein Herz ein wenig.
Drake: „Er hat beim Training und auch sonst oft darüber geredet, was du für ihn für eine große Bedeutung hast und das er alles tun würde, was er nur kann, um dich glücklich zu machen.
Du musst dir mal vorstellen wie oft Stan von diesem schnulzigen Gerede dem Kotzen nah war!"
Drake schaffte es doch wirklich mich mit dieser Schlussbemerkung zum Lachen zu bringen und gleichzeitig beruhigte ich mich auch langsam wieder von meinem Heulkrampf.
Also wüschte ich mir meine Tränen so gut es ging aus dem Gesicht und löste mich aus seiner Umarmung.
Ich: „Danke nochmal. Das hat echt gut getan mit dir zu reden"
Drake: „Ist doch klar. Als ich hier ankam, dachte ich schon wir hätten gleich einen zweiten Krankenhausfall. Ich bin zwar hergekommen, um dich wieder ins Krankenhaus zu fahren, wohl gemerkt aber als Besucher und nicht als Patientin"
Ich: Momemt, haben wir schon den nächsten Tag?!"
Drake: „Ehm ja? Lagst du etwa die ganze Nacht hier?"
Ich: „Oh Gott... sieht wohl so aus, aber okay, dann können wir sofort los!"
Schnell sprang ich auf und wollte los stürmen, doch mein Kreislauf versagte bei dem plötzlichen Aufschwung und ich wäre fast wieder hingefallen, wenn Drake nicht schnell reagiert hätte und mich gehalten hätte.
Drake: „Wow wow wow, ganz langsam. Bevor wir irgendwo hingehen, musst du erstmal duschen und dir was anderes anziehen. Was essen solltest du auch"
Ich: „Ach Quatsch, ich hab keinen Hunger. Aber ich muss sofort zu ihm"
Drake: „Stella bitte, du musst auch auf dich achten. Du darfst dich nicht selber in den Ruin treiben. Davon hat doch niemand etwas. Tyson würde auch wollen, dass es dir gut geht und du dir die Zeit für dich nimmst"
Ich schaute an mir herab und beim Anblick der blutverschmierten Kleidung musste ich Drake wohl rechtgeben.
Auch mein Gesicht sah bestimmt völlig verheult aus und mein Bauch war leer, also sollte ich eigentlich wirklich duschen und etwas essen.
Ich: „Okay ist gut, aber ich beeile mich trotzdem"
Drake: „Tyson wird warten. Nimm dir die Zeit, die du brauchst"
Ich nickte stumm und ging zusammen mit Drake, der mich noch immer stütze, nach oben.
Drake: „So, Duschen musst du ohne mich schaffen, aber ruf einfach, wenn irgendwas sein sollte"
Ich: „Jaja, das bekomm ich schon hin. Aber danke"

Roadtrip mit einem BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt