~Kapitel 103~

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Unglaublich müde wachte ich von einem Klingeln auf.
Wie ich Wecker hasste... aber Moment mal, das war doch gar nicht unser Wecker, der da klingelte!
Als ich realisierte, dass es mein Handy war, griff ich rasch danach, damit Kathy von dem Lärm nicht auch noch geweckt wurde.
Also stellte ich schnell auf lautlos und wollte schon weiter schlafen, da bemerkte ich den Grund hinter dem Krawall.
Tyson hatte mich versucht anzurufen und hatte mir einige neue Nachrichten hinterlassen!
Das konnte ich dann doch nicht so stehen lassen und verschwand kurzerhand mit meinem Handy im Badezimmer, um dort zurückzurufen ohne Kathys Schlaf dabei zu stören.
Es klingelte keine drei Mal, da nahm Tyson auch schon ab.
Ich: „Hey, tut mir leid, ich hab geschlafen. Was gibt's denn?“
Wahrscheinlich klang meine Stimme total verschlafen und totmüde – so fühlte ich mich jedenfalls.

Doch sobald ich ausgesprochen hatte, konnte ich mir eigentlich selber beantworten, was los war.
I

ch hörte Tyson schwer atmen und ahnte nichts Gutes.
Tyson: „Stella...ich-“
Der Klang seiner schwachen, abgehackten Stimme versetze mir einen Stich.
Er musste gar nicht weitersprechen – wahrscheinlich konnte er das gerade eh nicht sonderlich gut – doch ich wusste ganz genau, weshalb er angerufen hatte.
Tyson musste eine Panikattacke haben. Während ich weit, weit weg war.
Was mach ich denn jetzt?! Mit ihm reden und ihn versuchen zu beruhigen? Das war wohl das einzige, was ich für ihn tun konnte.
Ich: „Hey hey hey, beruhig dich... Es wird alles gut, Tyson“
Inzwischen war ich hell und fast genauso in Panik, wie er es sein musste.
Tyson: „Ich- brauche... dich..... Keine... Luft“
Ich: Shh, atme ganz ruhig ein und aus Tyson... Ich kann gerade nicht zu dir kommen, aber heute Abend bin ich schon wieder bei dir. Denk einfach daran“
Tyson: „Nein... das- hilft- ... nicht..... ich-“
Ich: „Tyson, du schaffst das! Versuch dich zu entspannen, dir kann nichts passieren.
Stell dir vor, ich würde jetzt neben dir liegen und deine Hand halten“
Ich hörte ein Rascheln und es klang so, als würde Tyson wieder versuchen zur Hilfe in eine Tüte zu atmen.
Das hatte er bis jetzt nur bei seiner ersten Panikattacke Zuhause benötigt, da es sonst gereicht hatte, dass ich ihn beruhigte, aber das ging heute leider nicht.
Ich: „Alles gut... Ich bin da Baby“
Mein Herz schmerzte Tyson so zu hören und ihm nicht besser helfen zu können.
Ich konnte ihn vor meinem inneren Auge genau sehen ...wie er leidete... alleine... in dem großen Bett, in dem ich mit ihm gemeinsam liegen sollte...
Ich würde alles geben, um ihn von dieser Qual zu erlösen und es machte mich fertig, dass ich nichts tun konnte.
Doch nach einer Weile, in der ich Tyson immer wieder gut zuredete und er anscheinend weiterhin in die Tüte atmete, ließ sein Schnauben allmählich nach.
Doch statt Stille hörte ich stattdessen auf einmal ein leises Schniefen.
Ich: „Hey... Weinst du etwa?“
Die Male, an denen ich Tyson weinen gesehen hatte, konnte ich an einer Hand abzählen.
Bei den letzten Panikattacken hatte er keine Tränen vergossen und war trotz der Atemnot stark geblieben – ganz im Gegenteil zu heute.
Tyson: „Ich kann nicht mehr, Stella... Mach, dass das endlich aufhört...“
Ich: „Oh Ty... Es ist doch schon vorbei, alles wird gut“
Tyson: „Nein, du verstehst nicht... Es ist nicht vorbei! Ich will nicht mehr mit der Angst leben, jederzeit so eine scheiß Attacke zu bekommen. Ich kann einfach nicht mehr mit dieser Angst leben Stella!“
Ich: „Wenn ich könnte, würde ich dir diese Angst sofort nehmen. Aber heute kann ich ja nicht mal bei dir sein...
Ich kann mir vorstellen, dass das echt hart für dich ist. Du-“
Tyson: „Es ist beschissen! Was muss ich denn tun, damit es endlich aufhört...?
Ich: „Du weißt, du könntest dir professionelle Hilfe holen... Von einem Experten... Aber das willst du ja nicht“
Tyson: „Ich hab einfach Angst Stella... Genauso wie vor den Attacken selber. Ich will nicht als krank diagnostiziert werden. Am Ende stecken sie mich in irgendeine Anstalt...“
Ich: „Tyson, du kommst doch nicht in eine Anstalt. Wenn überhaupt, kommst du kurzzeitig in eine Klinik, damit sie dir dort helfen können. Vielleicht würde ein Arzt dir auch nur eine Kur oder Reha oder so verschreiben. Eine simple Therapie wäre auch eine Idee. Ganz egal, einfach irgendwas, mit dem du das überwinden kannst“
Tyson: „Nein! Das ist doch das Problem... Mir kann keine Kur oder Therapie zu der ich gehe helfen. Das macht es nur noch schlimmer, wenn ich dabei von dir getrennt bin!
Stella... Ich kann die Angst dich zu verlieren nicht bekämpfen, wenn ich von dir getrennt bin... Ich kann nichts ohne dich... Ich brauche dich einfach so sehr“
Ich: „Sh, ist ja gut. Du musst keine Angst davor haben. Niemand trennt uns, wenn du nicht einwilligst.
Aber überleg doch mal, du könntest dir trotzdem helfen lassen – ohne, dass wir getrennt werden. Vielleicht fallen die ersten Optionen dann raus, aber stell dir mal vor, du würdest dich – sagen wir mal eine Stunde pro Woche – mit einem Therapeuten treffen. Wäre das denn so schlimm?“
Tyson: „Hm ne... Ich hab zwar wenig Lust mit irgendeinem Typen über meine Gedanken und Gefühle zu reden, aber wenn das der einzige Weg ist, die Scheiße endlich loszuwerden...“
Ich: „Wir schaffen das schon zusammen. Wir schaffen doch alles zusammen!“
Inzwischen hatte das Schniefen am anderen Ende der Leitung aufgehört und Tyson schien sich wieder beruhigt zu haben.
Tyson: „Komm schnell zu mir zurück Stella. Ich vermisse dich“
Seine so unerwartet lieben Worte ließen mir das Herz aufgehen.
Ich: „Ich vermisse dich auch... Am liebsten würde ich mich sofort zu dir teleportieren
Tyson: „Du solltest wieder schlafen gehen. Tut mir leid fürs Wecken... Ich wusste einfach nicht, was ich tun soll“
Ich: „Hey, kein Problem. Ich liebe dich, vergiss das nie, ja?“
Tyson: „Ich liebe dich auch Baby. Schlaf schön“
Ich wollte mich eigentlich noch bedanken und ihm ebenfalls eine gute Nacht wünschen, doch er hatte schon aufgelegt.
Also textete ich ihm schnell meine Gute Nacht Grüße und entdeckte dabei seine vorherigen Nachrichten.
Bevor er angerufen hatte, hatte er mir schon einige andere aufgewühlte Nachrichten hinterlassen, allerdings hatte er mir etwa eine Stunde zuvor noch eine andere, etwas längere Nachricht geschrieben:
»Hey Babe, ich freue mich schon, dich morgen endlich wieder in meine Arme schließen zu können. Es klingt so lächerlich, dass ich es keine drei Tage ohne dich aushalte, aber es ist die Wahrheit.
Ich weiß auch echt nicht, warum ich dir das um zwei Uhr nachts schreibe, aber ich kann einfach nicht schlafen ohne meinen süßen Teddy. Ohne mein Klammeräffchen. Ohne die Liebe meines Lebens. Ohne dich.
...Ich vermisse dich Stella.
In Liebe, Tyson«
Awwww, wie süß konnte er manchmal eigentlich sein?!
Sein Text rührte mich so sehr, dass ich fast auch angefangen hätte zu weinen.
Ich vermisste ihn auch... so sehr...
Ich ertrug es einfach nicht, dass dieser perfekte Mensch so ein Leid erfuhr und vor meinen Augen gequält wurde. Und das alles wegen Angst um mich?!
Hoffentlich änderte Tyson seine Meinung nicht und wendet sich wirklich an einen Therapeuten, damit dieses Elend endlich endete.
Ich werde ihn so gut es nur geht unterstützen, damit das alles bald ein Ende hatte.
Aber jetzt sollte ich wahrscheinlich erstmal weiter schlafen.

Das mit dem Schlafen wurde allerdings nicht so wirklich was.
Ich musste die ganze Zeit an Tyson denken und wollte einfach nur in seine Arme.
Das lag allerdings nicht nur an seiner Panikattacke, sondern auch daran, dass ich meine Sehnsucht nach ihm schon die ganze Zeit über in LA verdrängt hatte.
Durch das Telefonat und die Nachricht war meine Mauer jedoch gebrochen und so musste ich mich einer schlaflosen Nacht stellen.
Dementsprechend war ich am nächsten Morgen auch nicht wirklich erholt, was man mir wahrscheinlich deutlich ansah.
Kathy hingegen war wieder voller Energie und schleppte mich so früh es nur ging zum Frühstück, um vor unserem Rückflug noch viel erleben zu können.
Ich versuchte mich wirklich zusammenzureißen und mir beim Frühstück nichts von meiner schlaflosen Nacht anmerken zu lassen, allerdings kannte mich Kathy einfach zu gut.
Kathy: „Du, sag mal, gestern Nacht... Das war Tyson oder? Und er hatte nicht einfach nur Sehnsucht oder?“
Sie sagte das fast beiläufig, während sie sich ihr Croissant mit Nutella bestrich.
Ich: „Also hab ich dich doch geweckt, tut mir leid... Ja, er hatte wieder eine Panikattacke“
Kathy: „Das hat dich dann nicht mehr schlafen lassen, versteh schon“
Damit hatte ich die offizielle Bestätigung, dass ich furchtbar aussehen musste. Na toll.
Ich: „War nicht meine beste Nacht... Ich konnte die ganzen verschiedenen Gedanken in meinem Kopf einfach nicht abschalten“
Kathy fragte erstmal nicht weiter nach und widmete sich genussvoll ihrem Obstsalat, während ich an meinem Brötchen knabberte.
Ich: „Einen Vorteil hatte das nächtliche Telefonat aber. Ich muss Tyson nicht mehr dazu bringen sich professionelle Hilfe zu holen. Das konnten wir gestern tatsächlich klären“
Kathy: „Oh wow, das war also der passende Moment, auf den du warten wolltest? Hätte ich ja nicht gedacht“
Ich: „Tja ich auch nicht. Das ganze ging fast mehr von ihm aus“
Kathy: „Na das ist doch toll. Genauso toll übrigens, wie mein Plan für heute!“

Eine umwerfende Tour durch die Hollywood Hills sowie zum Hollywood Sign und ein entspannter Rückflug später, waren Kathy und ich zurück am Flughafen.
Damit war unser kleiner Mädelstrip leider schon zu Ende, aber ich freute mich auch Tyson wiederzusehen.
Leider war er nicht zum Flughafen gekommen, aber dafür erwartete uns Drake.
Dieser war nämlich eh schon in der Gegend und so bietete es sich an, dass er uns abholte.
Trotzdem wünschte ich mir Tyson wäre hier gewesen, als ich sah wie Kathy Drake freudig begrüßte.

Wir stiegen schnell gemeinsam ins Auto und ich konnte es kaum erwarten nach Hause zu kommen.
Der Trip mit Kathy war wunderschön gewesen und hatte mir einen riesen Spaß gemacht – selbst heute nach der schlaflosen Nacht – aber ich vermisste Tyson trotzdem.
Ich vermisste ihn sogar so sehr, dass mein Herz begann schneller zu schlagen, als wir vor Tysons Elternhaus hielten.
Also bedankte ich mich noch einmal schnell bei Kathy für die schöne Zeit und bei Drake fürs Fahren, verabschiedete mich von ihnen und steuerte aufgeregt mit meiner Tasche in der Hand auf die Haustüre zu.
Ich wollte gerade klingeln, da sprang die Türe schon von alleine auf.
Als ich Tyson grinsend im Türrahmen stehen sah, ließ ich mein Gepäck instinktiv fallen und fiel ihm stattdessen um den Hals.
Er schloss direkt seine Arme um mich und sein vertrauter Geruch hieß mich willkommen.
Tyson: „Schön, dass du wieder da bist Baby“
Ich: „Ich habe dich vermisst...“
Tyson: „Und ich dich erst... Lass uns reingehen
Er löste sich von mir, um mich ins Haus zu schieben und griff dabei noch schnell nach meiner Tasche.
Diese brachte er in unser Schlafzimmer und da wir schon einmal dort waren, drückte ich ihn direkt aufs Bett und begann ihn zu küssen.
Wie ich solche Wiedersehen liebte...

Roadtrip mit einem BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt