Die Fahrt zu Jace über schwiegen Tyson und ich – höchstwahrscheinlich beide in der Aufregung zu angespannt, um etwas zu sagen.
Überraschender Weise hatte Tyson jedoch, während er fuhr, eine Hand auf meinen Oberschenkel gelegt.
So vertraut seine Berührung auch war, so fremd und seltsam schien sie mir nach der letzten Woche.
Eigentlich war ich dazu noch gar nicht wieder breit, da zwischen uns beiden noch lange nicht wieder alles gut oder überhaupt geklärt war.
Immerhin hatten wir uns bis jetzt nicht wirklich ausgesprochen und entschuldigt hatten wir uns erst recht nicht.
Aber auch wenn unsere Situation noch immer ungeklärt und komisch war, war dies alles für den Moment in den Hintergrund gerückt.
Mein Fokus lag voll und ganz auf Jace und bevor ich das nicht geklärt hatte, musste der Rest warten.
Deswegen störte mich Tysons Hand nicht all zu sehr und ich war sogar eigentlich ganz dankbar, dass er mir so seine Unterstützung zeigen wollte.Die Autofahrt kam mir länger als sonst vor, doch schließlich erreichten wir unser Ziel.
Schon seltsam, dass mir diese Strecke manchmal so kurz und dann wieder so lange vorkam... Das musste wohl daran liegen, dass ich hier schon in so vielen verschiedenen Lagen und Stimmungen lang gefahren war.
Heute – wo ich möglichst schnell zu Jace wollte – musste mir die Fahrt natürlich länger als sonst vorkommen.
Und als würde mich das Schicksal noch länger auf die Folter spannen wollen, hielt mich Tyson nocheinmal zurück, nachdem wir ausgestiegen waren.
Ich wollte einfach nur in Jace Wohnung stürmen und ihn mit dem Zeitungsartikel konfrontieren, doch Tyson griff behutsam nach meinem Handgelenk und drehte mich so zu ihm.
Tyson: „Hey, ich weiß, dass es zuletzt schwierig zwischen uns war, aber das ändert nichts daran, dass ich jetzt für dich da bin, ja?"
Ich merkte, dass er sich wirklich bemühte mich zu unterstützen, doch ich konnte die letzte Woche trotzdem nicht vollkommen ignorieren.
Ich: „Danke ...aber das macht nicht einfach wieder alles gut, Tyson. Ich habe jetzt nur gar keinen Kopf dafür, weil ich erstmal mit Jace reden muss"
Tyson: „Ich weiß... ich wollte es nur gesagt haben"
Ich erwiderte ein schwaches Lächeln und griff nach seiner Hand, um ihn mit mir zu ziehen.
Während wir auf die Haustüre zuliefen, verschränkten sich unsere Finger wie von automatisch, was ich mit einem Schmunzeln einfach hinnahm.
Beim Klingeln stieg in mir kurz die Angst auf, dass Jace nicht Zuhause sein könnte, doch diese verflüchtigte sich, nachdem sich die Sprechanlage aktivierte.
Durch den kleinen Lautsprecher neben der Tür konnte ich hören, wie Jace "hallo?" fragte, weshalb ich mich schnell zum Mikrophon neben besagtem Lautsprecher vorbeugte.
Ich: „Hey du, ich bin's Stella. Ich muss dringend mit dir reden. Kann ich raufkommen?"
Jace: „Stella? Ja, klar"
Jace Stimme verstummte und stattdessen öffnete sich die Haustüre, sodass Tyson und ich ins Treppenhaus treten konnten.
Während wir die Treppenstufen nach oben stiegen, breitete sich ein mulmiges Gefühl in mir aus und ich drückte Tysons Hand intuitiv etwas fester.
Mittlerweile war ich echt froh, dass er trotz allem mitgekommen war, auch wenn ich gleichzeitig Angst hatte, dass es deswegen vielleicht doch noch zu zusätzlichen Problemen kommen könnte.
Um darüber nachdenken hatte ich nun allerdings keine Zeit mehr, da wir vor Jaces geöffneter Wohnungstüre angekommen waren.
In der Tür erwartete uns Jace auch schon, wie immer mit einem warmen Lächeln auf dem Gesicht, jedoch siegte für einen Moment die Überraschung in seinem Ausdruck, als er mich und Tyson sah.
Jace: „Wow, hi, wie kommt's, dass ich gleich die Ehre mit euch beiden bekomme? Habt ihr euch etwa wieder vertragen?"
Gleichzeitig antworteten Tyson und ich Ja und Nein, wofür wir uns kurz gegenseitig einen genervten Blick zuwarfen.
Ich: „Ist auch egal. Hängt damit zusammen, weshalb wir hier sind. Denn wie schon gesagt, muss ich mal mit dir reden Jace"
Jace: „Klar, du kannst immer mit mir reden. Alleine?"
Tyson: „Nein, ich bleibe dabei"
Dafür war er zwar mitgekommen, aber dennoch nervte mich seine bevormundende Art schon wieder etwas. Ich hätte auch selber antworten können!
Auch Jace schien sichtlich verwirrt, aber nickte dann und bat uns herein.
Also betrat ich die mir inzwischen schon so bekannte, geräumige Wohnung und folgte Jace zum Sofa.
Natürlich musste sich Tyson dicht neben mich setzen, was mich fast noch nervöser machte, als ich ohnehin schon war.
Jace: „Also gut, was gibt's denn so wichtiges?"
Er hatte sich uns gegenüber auf einen Sessel gesetzt und musterte mich nun mit einem neugierigen Blick, jedoch spiegelte sich auch noch etwas anderes in seinen Augen, das ich nicht bestimmen konnte.
Vielleicht war es das Unbehagen wegen Tyson, der seit wir Jace gesehen hatten, einen kalten, fast verachtenden Blick trug.
Allerdings war das jetzt nicht die entscheidende Frage, sondern etwas ganz anderes, für dass ich all meinen Mut zusammennehmen musste.
Ich: „Warum hast du mich angelogen, Jace?"
Ich beobachte seine Reaktion genau, doch außer Überraschung konnte ich nichts verdächtiges in seinem Gesicht entdecken.
Jace: „Dich angelogen? Wann? Das habe ich nicht"
Tyson: „Oh bitte, geb es wenigstens zu, wenn's schon in der Zeitung steht. Das macht dich nur noch unglaubwürdiger"
Genau diese provokante Art war es, von der ich befürchtet hatte, dass sie alles noch schwieriger machen würde.
Ich hätte Tyson davor noch ein paar Verhaltensregeln an die Hand geben sollen, denn so konnte ich ihm jetzt nur einen bösen Blick zuwerfen.
Jace: „Was steht denn in der Zeitung? Ich weiß wirklich nicht, was ihr meint... Wollt ihr mich vielleicht mal aufklären?"
Bei seinem unschuldigen Blick wollte ich ihm wirklich glauben, aber Tyson würde den Zeitungsartikel wohl kaum gefälscht haben, also musste Jace etwas verbergen.
Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass Jace sofort wusste, was Sache war und sich von vorn herein entschuldigte, aber so musste ich es wohl nochmal ganz deutlich machen.
Ich: „Wieso hast du mir vorenthalten, dass du im Gefängnis warst, weil du an deiner neuen Schule zum Drogendealer wurdest? Fandest du das etwa nicht so wichtig?!"
Schock blitzte in seinem Gesicht auf, der sich allerdings schnell zu einem bedrückten Ausdruck wandelte.
Jace: „Oh fuck... Es musste ja irgendwann ans Licht kommen... Ich... Ich kann dir das aber erklären Stella"
Jetzt war ich aber Mal gespannt.
Jace: „Ich weiß, ich hätte es dir erzählen sollen, aber die Sache war mir furchtbar unangenehm. Außerdem wollte ich nicht, dass du schlecht von mir denkst... Ich weiß doch, wie das rüberkommt..."
Tyson: „Tss und jetzt kommst du nicht nur wie ein Ex-Knacki und Drogenspinner rüber, sondern auch noch wie ein Lügner und Betrüger"
Ich: „Tyson!"
Ich blickte ihn böse an, doch er hob nur eine Augenbraue.
Tyson: „Was? Stimmt doch!"
Irgendwie hatte er ja schon Recht, aber das wusste Jace wohl selber, so niedergeschlagen wie er jetzt zu Boden sah.
Jace: „Schon gut Stella. Tyson hat ja Recht. Ich hätte dir gegenüber ehrlich sein sollen, auch wenn das unsere Freundschaft beeinflusst hätte. So habe ich es nur noch schlimmer gemacht. Es tut mir wirklich leid"
Irgendwie war ich hin und her gerissen zwischen Wut und Enttäuschung darüber, dass alles die Wahrheit war, und Mitleid, dass Jace so niedergeschlagen und reumütig vor mir saß.
Aber fürs erste siegte ganz klar der enttäuschte und wütende Teil in mir.
Ich: „Ich kann echt nicht fassen, dass du wegen sowas im Gefängnis warst... Das hätte ich von dir nie erwartet“
Jace: „Nein, nein, nein, ich war doch auch nicht deswegen im Gefängnis! Das alles war ein unglaubliches Missverständnis! Ich war völlig zu unrecht im Gefängnis!“
Warte, was?!
Tyson: „Du hast vielleicht Nerven, dir direkt die nächste Lüge an den Haaren herbeizuziehen! Glaubst du echt, irgendjemand glaubt dir jetzt noch?“
Jace: „Ich weiß, wie das jetzt rüberkommt, aber ihr müsst mir glauben. Stella, du kennst mich doch! Ich würde niemals mit Drogen dealen“
Ich: „Ich verstehe dich nicht Jace... Wenn alles nur ein großes Missverständnis ist, warum hast du mir das Ganze dann vorenthalten? Ich dachte du wärst ehrlich zu mir, aber stattdessen erzählst du mir sogar, dass du Informatik studiert hättest. Du hast mir eiskalt ins Gesicht gelogen!"
Jace: „Ja okay, das war ein Fehler, aber ich wusste doch, wie es rüberkommt, wenn ich dir erzähle, dass ich im Gefängnis war. Ich hatte Angst, dass du mir wie jetzt nicht glauben würdest ... Ich wollte dich einfach nicht direkt wieder verlieren, nachdem ich dich wiedergefunden habe. Und das mit dem Informatik Studium war nicht ganz gelogen! Ich habe nur erst zwei Jahre später damit angefangen..."
Tyson: „Das macht deine Lügen nicht besser! Wäre ich nicht gewesen, hätte Stella nie die Wahrheit über dich erfahren!"
Jace: „Die Wahrheit? Die steht in diesem verdammten Zeitungsartikel aber nicht drin! Das war alles nur ein Missverständnis. Aber das glaubt mir ja keiner..."
Ich: „Es war also alles nur ein Missverständnis? Das wiederholst du jetzt schon die ganze Zeit Jace, aber wie war es denn dann bitte?!"
Tyson: „Ach Stella, er lügt doch sowieso nur!"
Jace: „Nein, ich schwöre! Ja, ich war ganze zwei Jahre im Gefängnis, aber zu Unrecht! Ich war kein Drogendealer – mit sowas hatte ich nie zutun. Du kennst mich doch!"
Bis vor wenigen Stunden habe ich das geglaubt, aber nun war ich mir da nicht mehr so sicher.
Ich war wirklich hin und her gerissen, ob ich Jace überhaupt noch zuhören sollte oder ob alles nur gespielt war.
Allerdings konnte ich sehen, wie niedergeschlagen er war und wie aufrichtig er mich mit seinen Blicken um Verständnis bat.
Vor mir saß mein bester Freund, den ich schon so lange kannte, dem ich eigentlich immer vertraut hatte, der immer für mich da war und nun Angst hatte, mich zu verlieren. Da sollte ich ihm doch eigentlich zuhören und ihm wenigstens eine Chance geben, alles zu erklären oder?
Tyson: „Spar dir deine Lügen, okay?! Du hast Stella schon genug angetan!"
Ich: „Ist gut, Tyson. Lass ihn reden"
Ich wollte zumindest wissen, was er zu sagen hatte, bevor ich ihn vollends verurteilte.
Jace: „Danke. Ich weiß, dass das jetzt unglaubwürdig klingt – deswegen wollte ich es ja auch verheimlichen – aber mir wurden die Drogen nur zugesteckt. Die eigentlich Dealer brauchten einen Sündenbock, weil ihnen die Polizei auf den Schlichen war und so wollten sie die auf eine falsche Spur lenken. Und das hat leider auch bestens geklappt. Die Beweise haben einfach gegen mich gesprochen und deswegen konnte ich nichts tun. Wer glaubt einem schon, dass ihm das Zeug rein zufällig zugesteckt wurde? Richtig, niemand!
Aber ich wurde zu Unrecht verurteilt, das musst du mir glauben!"
Er war nur ein Sündenbock und zu unrecht verhaftet wurden?
Konnte ich ihm das wirklich glauben?
Noch nie war ich so unsicher, was die Wahrheit war, doch Tyson schien sich hingegen schon sehr sicher zu sein.
Tyson: „Verarschen kannst du jemand anderen! Selbst wenn die dir was zugesteckt haben, dafür wärst du als Minderjähriger nicht gleich für zwei Jahre in den Knast gekommen"
Jace: „Eigentlich nicht, aber sie haben eine ordentliche Menge bei mir Zuhause in der Hecke platziert. Die Polizei war etwas großem auf der Spur, also fanden sie auch etwas großes. Dafür bekamen sie einen anonymen Tipp, der sie direkt zu mir führte.
Ich hatte davon ja keine Ahnung, aber dann tauchte plötzlich die Polizei auf und schon wurde ich abgeführt, wobei auch dieses tolle Zeitungsbild entstanden ist"
Jaces Erzählung klang so aufrichtig und glaubwürdig, man konnte ihm einfach ansehen, wie sehr es ihn selbst emotional mitnahm.
Ich: „Ja aber wenn das stimmt... dann ist das ja furchtbar Jace!"
Tyson: „Warte, warte, warte! Du glaubst ihm doch nicht etwa?!"
Tyson starrte mich fassungslos an und schien nicht den geringsten Hauch von Empathie gegenüber Jace zu empfinden.
Dabei lag es nicht daran, dass ich Jace nur glauben wollte, ich spürte einfach, dass er nicht log.
Alles andere würde überhaupt keinen Sinn ergeben:
Jace war nunmal kein Drogendealer oder Betrüger – so schlecht konnten meine Menschenkenntnise ja nicht sein – also hatte er gar keinen Grund zu lügen.
Ich konnte ihm trauen, das spürte ich einfach.
Im Gegensatz zu Tyson, der doch nur von seiner Eifersucht geleitet wurde!
Ich: „Aber Tyson, es macht doch Sinn! Alles andere würde gar nicht zu Jace passen!"
Tyson: „Sei doch nicht so dumm! Er lügt doch wie gedruckt! Merkst du gar nicht, wie er versucht dich mit dieser Mitleidsnummer zu manipulieren?!"
Jace: „So ein scheiß, ich manipuliere niemanden! Warum sollte ich Stella anlügen?!"
Tyson: „Sag dus mir! Wäre ja nicht das erste mal!"
Jace: „Ich wollte nur diese Situation verhindern! In Wirklichkeit bist du doch der, der Stella hier manipuliert und ihr versucht einzureden, dass ich schlecht für sie wäre!"
Tyson: „Bitte was?! Okay mir reicht's, lass uns gehen Stella. Du hast deine Antworten. Ich hoffe dir gefallen die neuen Lügen, aber länger solltest du dir das nicht antun!“
Auf einmal stieg eine unglaubliche Wut in mir auf – und zwar auf Tyson und nicht auf Jace.
Ich hatte mich dazu entschieden Jace zu glauben, doch statt mich darüber freuen zu können, dass ich nicht meinen besten Freund verloren hatte und verarscht wurde, musste ich mir schon wieder anhören, wie Tyson über mich bestimmen wollte und angeblich alles besser wusste!
Ich: „Beruhig dich verdammt! Jace hat vollkommen recht! Du wolltest mitkommen, um mich zu unterstützen, also tu das auch und reiß dich zusammen!“
Tyson: „Oh ich unterstütze dich sehr wohl, indem ich dich hier herausschaffe! Deine Naivität ist doch nicht zu fassen!“
Ich: „Fuck, hör endlich auf über mich bestimmen zu wollen und mich herrumzukommandiren! Ich besitze ein eigenes Urteilsvermögen und bin ein eigenständiger Mensch, der nicht zu tun, lassen und glauben hat, was du willst!“
Wutentbrannt sprang ich auf und eilte ohne einen Blick zu Tyson oder Jace zur Wohnungstüre, wo ich mich nocheinmal umdrehte.
Ich: „Und jetzt sag ich dir mal was: In einer Minute sitzt du mit mir im Auto nach Hause. Aber wir fahren nicht, weil du das gesagt hast, sondern weil wir uns mal ernsthaft unterhalten müssen!“
Damit verließ ich stürmisch die Wohnung und jagte die Treppenstufen nach unten.
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Roadtrip mit einem Badboy
Romance~Roadtrip mit einem Badboy~ Stella Marks war das schüchterne Mädchen von nebenan und hatte keine Freunde an ihrer Schule. Ihr Vater war gestorben und ihre drogenabhängige Mutter interessierte sich nicht für sie. Die einzige Stütze in ihrem Leben war...