~Kapitel 77~

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Ich schloss die Badezimmertür hinter mir und entledigte mich schnell der schmutzigen Klamotten, welche ich in den Wäschetrog stopfte.
Ausgelaugt schleppte ich mich in die Dusche und sobald das warme Wasser meinen kalten Körper traf, färbte sich der Boden unter meinen Füßen in einem leichten Rotton wegen Tysons Blut, das bis jetzt noch an mir gehaftet hatte.
Tysons Blut... Mein Herz schmerzte bei den aufkommenden Gedanken und Bildern in meinem Kopf und ich beeilte mich, um hier schnell rauszukommen, bevor ich noch in der Dusche zusammenbrach.
Doch das warme Wasser tat auch gut und als ich mir über mein Gesicht fuhr, merkte ich erst wie verklebt es von den ganzen Tränen war.
Als könnte ich all meine Probleme von mir abspülen, wusch ist das zuvor verteilte Shampoo von meinem Körper und schaltete die Dusche anschließend ab.
Mit einem Handtuch umgeschlungen tappste ich aus dem Badezimmer und vergaß dabei, dass draußen Drake wartete, weshalb ich peinlich berührt schnell zu meinem Kleiderschrank verschwand.
Ich zog mir ein paar saubere Sachen an und das bedeutete natürlich auch eines von Tysons T-Shirt, die noch nach ihm dufteten.
Traurig atmete ich seinen Duft ein und trat wieder nach draußen zu Drake, der mich wahrscheinlich wegen Tysons Shirt kurz kritisch beäugte, aber zum Glück nichts weiter zu sagte.
Drake: „Dann können wir ja jetzt etwas essen. Ich hab nämlich auch noch nichts gegessen"
Ich folgte ihm stumm nach unten und wollte in der Küche angekommen schon nach der Müsli Packung greifen, da hielt mich Drake zurück.
Drake: „Warte, wie wär's wenn ich uns stattdessen frische Pancakes mache?"
Ich: „Du musst dir echt nicht so einen Aufwand machen. Ein einfaches Frühstück reicht mir auch und geht vorallem schneller"
Drake: Quatach, das geht doch easy. Ihr müsstet auch alles passend da haben"
Ich: „Na gut"
Ich hatte wenig Lust mir ihm zu diskutieren, weshalb ich mich einfach an die Küchenzeile lehnte und ihn machen ließ.

Tatsächlich dauerte es wirklich nicht lange bis wir mit verlockend dampfenden Pancakes am Tisch saßen und frühstücken konnten.
Drake: „Mmmh, lecker. Ohne Kathy ist unser Kühlschrank immer leer und ich war schon am verhungern. Aber hier ist echt alles was man braucht auf Vorrat"
Ich: „Kathy! Ich habe ihr seit gestern morgen gar nicht mehr geantwortet... Hast du es ihr schon erzählt?"
Drake: „Hm, ich hab gestern lange mit ihr telefoniert. Sie wäre am liebsten sofort abgereist, doch so leicht ist das nunmal nicht und der Auftrag ist echt wichtig für sie. Aber sie kommt morgen früh zum Glück eh zurück"
Ich: „Oh man, ich muss irgendwann auch noch mit Tysons Eltern sprechen. Und ich muss Großvater und Francesco bescheid geben!"
Drake: „Immer mit der Ruhe. Erstmal isst du auf, dann fahren wir ins Krankenhaus und danach können wir zusammen alles weitere klären"

Gesagt getan fuhren wir wenig später zu Tyson, wobei ich wieder auf Faye traf, mit der ich mich kurz unterhielt.
Zu Tysons Zustand konnte mir Doktor Williamson nicht wirklich etwas Neues sagen, aber mir war sowieso wichtiger einfach diese paar Minuten bei Tyson zu verbringen.
Ich redete wieder die ganze Zeit darüber, dass er aufwachen müsse und dass ich ihn vermisste, während ich seine Hand in meiner hielt.
Viel zu schnell fuhren wir aber auch schon wieder nach Hause und ich nahm mir vor Großvater anzurufen, bevor mich das nächste Gefühlstief ereilte.
Zwar tobten meine Gefühle durchwegs im Hintergrund, doch hatte ich mich bis jetzt ganz gut unter Kontrolle und das sollte ich nutzen.
Drake hatte mich auf meine Bitte hin zunächst verlassen und so saß ich nun alleine mit dem Telefon in der Hand auf dem Sofa.
Es war viel zu lange her, dass ich mit Großvater gesprochen hatte und ich musste mir eingestehen ihn wirklich etwas vernachlässigt zu haben, was mir auch ehrlich leid tat.
Als ich die Nummer wählte ertönte das gewohnte Tuten, bis nach einer Weile endlich die Stimme meines Großvaters ertönte.
Großvater: „Stella Schatz, lang nicht mehr gehört. Schön, dass du dich Mal meldest. Wie geht es dir? Ist Tyson auch da?"
Durch mein schlechtes Gewissen, aber vorallem durch die Frage nach Tyson rollte mir eine Träne über die Backe und ich musste einmal schniefen.
Großvater begriff sofort, dass etwas nicht stimmte und ich begann unter ständiger Unterbrechung durch Tränen ihm alles zu berichten, wobei ich das Thema mit den illegalen und gefährlichen Boxkämpfen allerdings bewusst ausließ.
Das andere Ende der Leitung verstummte während meiner Erzählung und nachdem ich fertig erzählt hatte, war Großvater genauso wie Francesco, der mitgehört hatte, zu recht bestürzt.
Sie wünschten mir ganz viel Kraft, sagten wie leid ihn das täte und versprachen mir so schnell es ginge mit dem Zug anzureisen, um mir und natürlich auch Tyson beizustehen.
Zudem ermutigte mich Francesco auf Tysons Eltern zuzugehen, da er der festen Überzeugung war, dass ihnen ihr Sohn mehr am Herzen lag als man meinen könnte.
So beließen wir das Telefonat und ich schrieb Drake eine kurze WhatsApp über das Ergebnis.
Und jetzt?
Jetzt war ich wieder alleine.
Ohne die geringstes Ahnung, was ich tun sollte. Ohne die geringstes Ahnung, was ich fühlen oder denken sollte.
Doch plötzlich hörte ich wie die Haustür aufsprang und nahm im ersten Moment wie selbstverständlich an, dass es Tyson sein müsste, doch der Gedanke verging leider viel zu schnell wieder, da mich die Realität einholte.
Statt Tyson hörte ich eine Frau und einen Mann hineinkommen, was wohl seine Eltern sein mussten.
Kurz zögerte ich, doch dann entschloss ich einfach direkt auf sie zuzugehen und mit ihnen zu reden.
Was sollte auch schon schlimmes passieren.
Mehr als mir nicht zuhören konnten sie ja immerhin nicht.
Als ich in den Flur trat, sah ich wie Tysons Vater gerade telefonierte, während er seine Jacke von Nancy aufhängen ließ.
Zu meinem Glück legte er allerdings im nächsten Moment auf und mir bots sich die Chance sie anzusprechen.
Ich: „Mr und Mrs Smith? Ich weiß sie wollen mit mir gar nichts zu tun haben, aber ich muss mit ihnen reden. Über Tyson“
Mr Smith: „Oh bitte lass uns mit eurer "Beziehung" oder was das da ist in Ruhe. Wir haben gleich einen wichtigen Videocall“
Die beiden wollten schon davoneilen, doch so schnell waren sie mich nicht los.
Ich: „Bitte, es ist wichtig. Er liegt im Krankenhaus!“
Jetzt drehte sich seine Mutter zu mir um und ich meinte einen Hauch von Sorge in ihrem Blick entdecken zu können, also fuhr ich schnell fort.
Ich: „Er hatte einen schlimmen Unfall und wurde notoperiert... Er befindet sich im Koma und man weiß nicht, ob er jemals wieder aufwachen wird“
Jetzt hatte ich auch die Aufmerksamkeit seines Vaters.
Mrs Smith war sprachlos und schien äußerst geschockt, aber auch ihr Gatte blieb nicht kalt.
Ich: „Ich weiß, dass sie nicht das beste Verhältnis hatten, aber Tysons braucht sie jetzt so sehr wie noch nie. Ich bin mir sicher es würde ihm viel bedeuten, wenn sie ihn besuchen würden“
Mrs Smith: „Ja aber natürlich besuchen wir ihn. Er ist immernoch unser Sohn. Oh Donald...“
Seine Mutter drehte sich zu ihrem Mann und lehnte ihren Kopf bestürzt auf seine Brust, woraufhin er sie zögerlich in den Arm nahm.
Mr Smith: „Wir besuchen ihn so bald es geht. Danke, dass du uns informiert hast. Monna? Ich muss jetzt telefonieren. Und du musst dich für das Geschäftsessen fertig machen. Wir dürfen unsere Pflichten trotzallem nicht vernachlässigen“
Damit schob er seine Frau von sich weg und begab sich in sein Arbeitszimmer.
Mir tat es leid, wie kalt er zu ihr war und wie er sie einfach stehen gelassen hat, obwohl sie das sichtlich mitnahm.
Ich: „Das tut mir sehr leid für sie“
Mrs Smith: „Das muss es nicht... Ich... muss mich jetzt fertig machen. Mein Mann ist ein echter Geschäftsmann und so wie ich ihn kenne wird er keine Abstriche machen. Aber morgen Vormittag müssten wir keine Termine haben. Könntest du uns dann zu Tyson bringen?“
Ich: „Natürlich, ich bin ja hier“
Mrs Smith: „Achja stimmt, nun gut... Dann bis morgen. Und danke“
Ich: „Selbstverständlich“
Auch sie verschwand.
Ich war mir nicht sicher, ob ich positiv oder negativ von ihren Reaktionen überrascht sein sollte.
Einerseits war ich froh, dass es sie überhaupt interessierte, aber andererseits war das als Reaktion darauf, dass ihr eigener Sohn in Lebensgefahr war und im Koma liegt, doch noch ziemlich zurückhaltend.
Ganz im Vergleich zu mir, die seitdem wahrscheinlich schon so viel wie in meinen ganzen Leben zuvor nicht geweint hatte.
Aber ich merkte, dass vorallem Tysons Mutter Mitgefühl besaß und ihr noch etwas an ihren Sohn lag.
Ich konnte mir vorstellen, dass sollte Tyson wieder aufwachen, und das hoffe ich einfach, ihr Verhältnis davon deutlich profitieren könnte.
Und an genau die Hoffnung, dass er wieder aufwacht, klammerte ich mich jetzt.
Drake hatte mir Mut gemacht, Faye und am wichtigsten Tyson selbst.
„Die Zeit heilt alle Wunden“
Das hat er selbst noch zu mir gesagt und alleine, dass er überhaupt im Koma lag, bewieß doch, dass er noch nicht aufgegeben hatte.
Er brauchte nur Zeit. Und in der Zeit wurde ich auf die ultimative Probe gestellt nicht durchzudrehen.
Denn er brauchte mich.
Er kämpfte für mich.
Und ich für ihn.
Und das nicht alleine, sondern gemeinsam mit unseren Freunden und unserer Familie.
Gemeinsam, würden wir diesen Kampf meistern.

Roadtrip mit einem BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt