~Kapitel 119~

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Irgendwann waren Jace und ich dann mit unserem gemeinsamen Frühstück fertig, allerdings noch lange nicht mit Reden.
Ich könnte eigentlich nie wieder aufhören, so gut tat es, sich mit Jace zu unterhalten.
Also wanderten wir schließlich vom Küchentisch aufs Sofa, wo Jace und ich uns in die Sofadecke einmummelten.

Redend verflog die Zeit nur so.
Ich wusste gar nicht, wie lange wir uns schon unterhielten, aber es musste eine halbe Ewigkeit sein.
Jace positive Ausstrahlung heiterte mich sichtlich auf und in Erinnerungen vertieft, vergaß ich den Schmerz in meiner Brust.
Doch die Kombination vom vielen Reden und Zuhören mit der weichen Decke ließ mich gleichzeitig auch immer müder werden.
Ich wollte eigentlich gar nicht schlafen, aber irgendwann war ich dann doch so fertig, dass ich während Jaces beruhigenden Erzählungen eingeschlafen sein musste.

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In meinen Träumen tauchte ich in eine andere Welt ab – eine bessere, in der ich die Zeit zurückdrehen konnte.
Wie früher saß ich mit Francesco und Großvater im Garten und auch Jace war an meiner Seite.
Doch dann wurde mein Traum von lauten Stimmen gestört.
Noch im Halbschlaf vernahm ich, wie Jace leise fluchte, jedoch von lauten Schreien übertönt wurde, die von... Tyson kamen?!
Langsam erwachte ich aus meinem Schlaf, obwohl ich gerne weiter geträumt hätte, doch das Geschrei ließ nicht nach.
Müde rieb ich mir die Augen und stellte fest, dass ich in einem fremden Bett lag. Jace musste mich in sein Schlafzimmer getragen haben, nachdem ich eingeschlafen war.
Sein Bett war verlockend weich und warm, aber ich rappelte mich dennoch auf, um dem Lärm nachzugehen.
Ich öffnete die Schlafzimmertüre einen Spalt und erspähte durch den Türschlitz Jace, der zwar aufgebracht aussah, aber gerade von einem viel wütenderem Tyson angeschnauzt wurde.
Wahrscheinlich sollte ich das Ganze so schnell es ging beenden, aber für einen Moment siegte meine Neugierde und ich lauschte den beiden, um herauszufinden, was eigentlich los war.
Tyson: „...Du hast sie doch nicht mehr alle! Das war das letzte mal, dass du sie siehst! Halt dich fern von ihr!“
Jace: „Das kannst du sowas von vergessen! Wenn ich ihr einen Rat geben könnte, würde ich ihr sagen, dass sie sich lieber von DIR fernhalten sollte!"
Tyson: „Mach doch, dann verschwindet sie von selber von dir!"
Jace: „Du scheinst dich so sicher zu fühlen, doch ich weiß ganz genau, wie unsicher du in deinem Inneren bist. Warum solltest du ihr sonst verbieten wollen, mich zu sehen?!"
Wow... Ich hatte Jace noch nie so provokativ erlebt!
Anders als Tyson, schien er nach außen hin allerdings noch relativ beherrscht und punktete eher mit dem Inhalt seiner Worte als mit der Lautstärke.
Tyson: „Du hälst dich wohl für ganz schlau, aber soll ich dir mal den wahren Grund verraten, warum sie dich nicht mehr treffen sollte? Weil du ein durchtriebenes Arschloch bist! Und ich hab das lange genug geduldet! Deswegen wird Stella jetzt sofort mit nach Hause kommen und du wirst sie nie wiedersehen, kapiert?!"
Jace: „So wie du dich aufführst, ist es vielleicht das beste für sie, wenn sie hier bleibt! Ich sorge mich nämlich um sie, während du nur Angst hast, dass sie dir wegläuft!"
Tyson: „Was fällt dir ein!? Sag mir jetzt sofort wo Stella ist!"
Jace: „Nicht nötig, bei dem Lärm, den du machst, wird sie dich schneller finden als du sie!"
Mit letzterem lag er wohl richtig.
Ich hatte zwar immernoch keine Ahnung, warum Tyson eigentlich so extrem aufgebracht war, aber um ihn davon abzuhalten weiter rumzuschreien, räusperte ich mich, damit sie auf mich aufmerksam wurden.
Doch als Tyson mich erblickte, schien er keineswegs erleichtert. Ganz im Gegenteil, schien er noch wütender zu werden.
Tyson: „Wieso trägst du seine Sachen?!"
Jetzt schrie er auch noch mich an? Ich hatte doch gar nichts getan!
Ich: „Wieso führst du dich so auf?!"
Tyson: „Ich führe mich auf?! Du bist vielleicht witzig! Du bist ausgerechnet heute spurlos verschwunden und nicht erreichbar und dann finde ich dich bei diesem Penner! Und als wäre das nicht genug, trägst du auch noch seine Sachen und kommst aus seinem Schlafzimmer!"
Er schnaubte vor Wut und ich war ganz baff von ihm so angeflaumt so werden.
Weil Jace merkte, dass ich mit der ganzen Situation überfordert war, trat er zu mir und legte mir einen Arm um die Schulter, bevor er für mich antwortete.
Jace: „Du solltest dich schämen deine Freundin so anzuschreien. Natürlich ist sie gerade heute hier! Du warst ja schließlich nicht für sie da!"
Ich wusste echt zu schätzen, dass Jace sich für mich einsetzte und eigentlich hatte er ja auch Recht, aber es war nicht sonderlich hilfreich, dass er Tyson weiter beschuldigte.
Dieser schien inzwischen vor Wut fast zu platzen und hatte seine Hände zu Fäusten geballt.
Tyson: „Mir reicht es!"
Es würde mich nicht wundern, wenn er wie an Silvester mit Stan jetzt eine Schlägerei anfing, doch anstatt auf Jace einzuschlagen, stieß er ihn nur kräftig von mir weg und packte grob mein Handgelenk, um mich weiter von Jace wegzuziehen.
Zum Glück passierte Jace nichts und er stolperte nur ein paar Meter, allerdings schnaubte nun auch er wütend.
Tyson hielt noch immer mein Handgelenk und wollte mich schon aus der Wohnung ziehen, da riss ich mich los.
Entgeistert blickte er mich an und ich setze nun auch einen verärgerten Blick auf.
Auch wenn er wütend war, sollte er mich gefälligst nicht so anfassen und wie ein kleines Kind wegziehen.
Ich: „Du bist unmöglich! Ich bin echt enttäuscht von dir..."
Mit einem letzen Blick zu Jace, bei dem ich mir ein schwaches Lächeln aufzwang, ging ich erhobenen Hauptes vor Tyson aus der Wohnung.
Natürlich folgte er mir die Treppen nach unten, allerdings breitete sich ein ungutes Schweigen aus.
Er hatte mich vielleicht aus der Wohnung bekommen, allerdings gab ich ihm selten solch harsche Widerworte, auch wenn sie der Wahrheit entsprachen.

Draußen auf der Straße angekommen stellte ich fest, dass es bereits dunkel war und ein kurzer Blick auf mein Handy verriet mir, dass es kurz nach Neun war.
Also hatte ich anscheinenend nur den halben Tag bei Jace verschlafen und nicht die ganze Nacht bei ihm verbracht.
Ich wollte mir Tysons Reaktion bei letzterem gar nicht erst vorstellen!
Ohne etwas zu sagen die Nacht über zu verschwinden, wäre dann wohl wirklich etwas zu viel gewesen.

Ich erblickte unseren Mercedes am Straßenrand und überlegte einen Moment lang, aus Protest einfach zu Fuß nach Hause zu gehen, um Tyson so auch noch länger aus dem Weg gehen zu können.
Allerdings entschied ich mich dann doch dagegen, da wir früher oder später sowieso reden mussten und ich ehrlich gesagt weder die Lust noch die Kraft hatte, den ganzen Weg zu Fuß zurückzulegen.
Ich hatte ja nicht mal eine Ahnung, wo wir waren.
Aber Moment mal, wenn ich es schon nicht wusste, woher wusste dann Tyson eigentlich, wo ich war? Also wo Jace wohnte?
Während ich überlegt hatte, war Tyson bereits eingestiegen und wartete nun auf mich.
Doch statt zu ihm in den Wagen zu steigen, klopfte ich nur gegen sein Fenster, welches er daraufhin verwirrt herunterließ.
Ich: „Kannst du mir eigentlich mal sagen, woher du überhaupt wusstest, wo ich bin? Ich habe dir nie gesagt, wo Jace wohnt. Ich war ja selber das erste Mal heute dort"
Für einen winzigen Moment blitzte Schrecken in seinem Gesicht auf, doch er fing sich schnell und setzte einen finsteren Gesichtsausdruck auf.
Tyson: „Steig einfach ins Auto"
War das jetzt sein Ernst?!
Er wand seinen kalten Blick von mir ab, aber ich ließ nicht locker.
Ich: „Du kreuzt hier wie ein verrückter auf, machst eine riesen Szene, ziehst mich hier raus und willst mir noch nichtmal diese simple Frage beantworten?“
Er schnaubte verächtlich und warf mir einen bösen Blick zu.
Tyson: „Ich sagte, steig ins verdammte Auto! Können wir nicht erstmal nach Hause fahren?"
Ich: „Wieso kannst du mir denn nicht einfach antworten?!"
Tyson: „Man Stella, wenn du nicht sofort in diesen gottverdammten Wagen einsteigst, vergesse ich mich und schmeiß dich selber rein! Also steig endlich ein!"
Seine laute und aggressive Stimme ließ mich erschaudern – dabei schaute er mir noch nicht einmal in die Augen.
Verängstigt stieg ich lieber doch schnell ein und schaffte es gerade noch meinen Gurt anzulegen, bevor Tyson davon brauste.
Sein Blick war starr geradeaus gerichtet und er hielt es scheinbar nicht mal für nötig, in die Seitenspiegel zu sehen.
Er hatte sich am Lenkrad festgekrallt und man konnte sogar seine Adern pulsieren sehen.
In diesem Zustand sollte ich ihn vielleicht wirklich nicht weiter provozieren, zumindest nicht solange er noch am Steuer saß.
Sein Verhalten erinnerte mich unwillkürlich an früher, als er noch der gefürchtete Schul-Badboy war.
In seinem Inneren war er dies wohl immernoch, auch wenn ich diese Seite an ihm zuletzt selten zu Gesicht bekommen hatte.
Das besondere an der Situation war allerdings, dass er sonst immer nur wütend auf andere war, aber nie auf mich.
Er hatte mich schon ewig nicht mehr angeschrien... Nicht so... So hatte er mich eigentlich noch nie angegriffen.
Sein Verhalten verunsicherte mich, aber auf der anderen Seite war ich auch selber wütend auf ihn und enttäuscht, dass er sich so aufführte.
Ich wusste gar nicht, welcher Emotion ich zuerst nachgeben sollte!

Roadtrip mit einem BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt