~Kapitel 86~

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Später am Abend musste Kathy in den Club arbeiten gehen und ich blieb somit alleine zurück.
Zwar versuchten Großvater und Francesco mich aufzuheitern, doch ich verschanzte mich in meinem Zimmer und kam nicht mal zum Essen heraus, da ich keinen Hunger hatte.
Mein Leben hatte einfach seinen Sinn verloren.
Die ganze letzte Zeit hatte ich mich an diese winzige Chance geklammert, Tyson würde wieder aufwachen.
Dabei hatten sich meine Hoffnungen mit Träumen und Wünschen vermischt und mich durch den Glauben, alles würde wieder gut werden, am Leben gehalten.
Jetzt, da klar war, mein Leben müsse ohne ihn weiter gehen, zog es mir den Boden unter den Füßen weg.
Wozu waren die letzten fünf Monate?
Wozu hatte ich alles für ihn gegeben, alles darauf gesetzt, dass er wieder aufwachen würde?
Wozu das alles, wenn es jetzt doch eh egal war?
Am liebsten würde ich zurück ins Krankenhaus, mich an Tyson schmiegen und mir einreden, es würde alles wieder gut werden, wie ich es so lange getan hatte.
Wieso konnte er auch nicht einfach wieder aufwachen?
Er war doch wieder gesund, schon längst, und außerdem hatte er immer gekämpft und alles gegeben.
Also warum wachte er nicht einfach wieder auf?
Mich plagten die Gedanken, es würde nicht mehr lange dauern, dann würde er doch noch aufwachen und ich würde ihn zu schnell aufgeben, doch diese Denkweise brachte mich nicht weiter.
Die Chance lag weit unter einem Prozent und es war wahrscheinlich doch zuviel geschehen, als das noch alles gut werden könnte.
Ich fragte mich, ob das mit Stan Schuld daran war und ob es anders gelaufen wäre, hätte ich nicht dieses Scheiße gebaut...
Vielleicht wäre er dann ja diese Nacht aufgewacht oder sogar schon viel eher...
Immer wieder blickte ich auf mein Handy, ob ich nicht doch einen Anruf vom Krankenhaus verpasst hatte.
Noch hatte ich immerhin kein Formular abgegeben.
Jedoch wusste ich, dass es morgen davor kein zurück mehr geben würde; Kathy und die anderen würden mich dazu zu sehr drängen; dafür hatte ich gesorgt; es war ja auch besser so.
Trotzdem konnte ich nicht glauben, dass ich Tyson wirklich verloren hatte.
Es schien mir so unreal, als könnte man uns beide gar nicht für immer trennen, als könnte das nur ein dummer Scherz sein.
Noch die ganze Nacht beschäftige mich das und ich wälzte mich mal wieder schlaflos im Bett umher, während ich so sehr wie nie zuvor -jedoch vergeblichst- auf einen Anruf vom Krankenhaus wartete.

Mitten in der Nacht schreckte ich auf einmal von einem Albtraum hoch.
Bei einem Blick auf die Uhr realisierte ich allerdings, dass es bereits der nächste Morgen war und ich einfach nur tot müde war, weil ich gefühlt nicht geschlafen hatte.
Wage erinnerte ich mich noch an den Traum, den ich hatte... ein Traum von Tyson.
Das war eigentlich nichts weiter besonders, da ich in letzter Zeit nur zu oft von ihm träumte.
Nur in meinen Träumen konnte er noch bei mir sein, doch selbst diese verblassten sobald ich aufwachte und ließen mich in der bitteren Realität zurück, was mir den Start in den Tag nicht gerade erleichterte.
Doch dieser Traum war anders.
Er endete nicht wie sonst im Guten, er endete damit, dass ich Tyson ein Messer in die Brust rammte; als wolle mir mein Unterbewusstsein sagen ich sei eine Mörderin, wenn ich die Geräte abstellen ließ.
War ich das wirklich?
In mir sträubte sich einfach alles dagegen, aber ich musste es tun; es war das Richtige. So ging es nun mal nicht mehr weiter.
Träge stieg ich aus dem Bett und verdrängte dabei den Schmerz in meiner Brust so gut es ging.
Genauso fertig aussehend wie ich mich fühlte, setzte ich mich zu den anderen mit einer Schüssel Müsli an den Tisch und löffelte den Inhalt trostlos in mich herein.
Großvater uns Francesco unterhielten sich wie schrecklich alles doch sei, aber ich beachtete sie weniger.
Vielmehr dachte ich -wie sollte es anders sein- an Tyson.
     Aber auf einmal ließ ich meinen Löffel fallen.
Mir war als hätte mein Herz plötzlich einen Sprung gemacht und ich hätte eine Eingebung bekommen ohne zu wissen, was diese mir sagen wollte.
Wie in Trance erhob ich mich vom Tisch und stieg ohne Umwege ins Auto.
Ich ließ die anderen einfach fragend zurück und brauste so schnell ich konnte ins Krankenhaus.
Mein Herz schlug wie wild und meine Atmung war schneller als normal, obwohl ich eigentlich keinen Grund hatte.
Aber vielleicht war das ja ein Zeichen!
Vielleicht hatte ich gespürt, dass etwas passiert war!
Vielleicht ist Tyson doch noch aufgewacht und ich habe es gespürt, weil wir noch immer seelisch verbunden sind!
Ich rannte förmlich zu Tysons Zimmer auf der Intensivstation und ohne mir Sicherheitskleidung anzuziehen, riss ich die Türe auf.
Doch es war nichts passiert.
Es war alles wie immer.
Tyson lag ganz normal, wie an jedem anderen Tag, schlafend in seinem Bett.
Dabei hatte ich wirklich gedacht, er wäre... aufgewacht.
Eigentlich wollte ich nie wieder her kommen, ihn nie wieder sehen müssen, dem Elend ein Ende setzen; doch jetzt hatte ich mich von irgendwelchen unbegründeten Gefühlen und Hoffnungen hierher treiben lassen.
Und jetzt?
Zerstreut setzte ich mich einfach an sein Bett und überlegte.
Hatte ich solche Angst ihn gehen zu lassen, dass ich mir sogar einbildete, er wäre vielleicht aufgewacht?
Das durfte doch nicht wahr sein...
Wobei es mich ja eigentlich fast nicht überraschen sollte.
Ich musste Tyson loslassen, aber das konnte ich einfach nicht.
Wie sollte ich das nur schaffen...?
Verzweiflung und zerstöre Hoffnung mischten sich in mir und brachten mich mal wieder zum Weinen.
In den letzten Monaten hatte ich deutlich zu viel geweint, aber es schien damit einfach kein Ende zu nehmen.
Früher war ich nicht im geringsten so emotional, aber ohne ihn... war ich nicht mehr dieselbe.
Ohne genau zu wissen weshalb, begann ich zu Tyson zu sprechen und redete einfach drauf los, was mir auf der Seele lag.
Ich: „Ach Tyson, ich kann das alles nicht...
Du hast gesagt, die Zeit würde alle Wunden heilen, aber das war gelogen. Vielleicht haben sich die Wunden deines Körpers geschlossen, aber nie wird mein Herz wieder so schlagen wie mit dir. Ich kann nicht ohne dich, ich gehe komplett zu Grunde...
Du meintest auch, ich solle glücklich werden, aber das kann ich so nicht. Nicht ohne dich. Das will ich gar nicht...
Ich kann dich aber nicht einfach zu mir zurückholen. Ich kann ja nichtmal die Maschinen länger bezahlen...
Hab ich all das verdient?
Weil ich Arschloch Stan ausgenutzt habe und auch noch voll auf ihn reingefallen bin?
Oder soll mein Leben einfach beschissen sein?
Sollte ich erst lernen wie schön das Leben sein kann -mit dir, auf dem Roadtrip, ohne Probleme, einfach nur glücklich zusammen mit dir- um mir dann wieder alles zu nehmen, damit ich unter dem Verlust noch mehr leide?
Soll das mein Leben sein?
Sieht wohl so aus...
Tyson... du bedeutest alles für mich und das wird auch immer so bleiben. Auch wenn ich mich nun endgültig von dir trennen muss. Ich liebe dich...für immer“
Mit ihm zu sprechen half mir auf der einen Seite damit klar zu kommen, aber auf der anderen Seite machte es mich nur noch mehr fertig, weil alles gleich viel realer schien, wenn ich hier war und alles aussprach.
Doch dieses Mal wird es wohl wirklich endgültig das letze Mal gewesen sein.
Ich konnte kein zweites Mal zurück kommen.
Ich hatte jetzt wirklich alles gesagt, was ich sagen konnte.
Ich werde ihn für immer lieben. Mit meinem in tausend Teile zersprungenem Herzen. Für immer.
„Stell“, der Klang seiner Stimme würde für immer in meinem Kopf hallen und ich würde nie vergessen wie seine wunderschöne Stimme meinen Namen gesagt hatte.
„Stella“
Bildete ich mir sein Stimme gerade ein? Nein!
Ich hatte gerade doch wirklich meinen Namen gehört!?
Ich: „Tyson?!?“
Und da passierte es. Ich sah wie seine Lippen meinen Namen formten und der wunderschöne Klang seiner Stimme ertönte in meinen Ohren.
Tyson: „Stella...“
Seine Augen waren geschlossen, doch er sprach zu mir! Er sagte meinen Namen!
Wie gebannt griff ich nach seiner Hand und drückte diese leicht, während mein Inneres einer Achterbahnfahrt glich.
Vorsichtig, ganz langsam, öffneten sich die Lieder seiner Augen und Gott, wie hatte ich diese Augen vermisst.
Ich brachte kein Wort heraus, außer ein unglaublich gerührtes und glückliches „Tyson...“.
Als würde ihn das helle Licht blenden, waren seine Augen verengt, doch sie kreisten dennoch umher und scannten den Raum ab, bis sie an mir hängen blieben.
Ich drückte seine Hand nur noch fester und Freudentränen überkamen mich, weil ich es einfach nicht fassen konnte ihm wieder in die Augen zu blicken.
Ich hatte ihn schon aufgegeben und wollte ursprünglich heute gar nicht mehr zu ihm, doch er war aufgewacht! In letzter Minute.
Tyson: „Hör au-...f...zu...wein-...nen...“
Das Sprechen fiel ihm merklich schwer und seine Stimme war ganz rauh und leise, doch das war vollkommen egal.
Er lag Monate im Koma und das Erste, was er sagte und worum er sich sorgte, war, dass ich nicht weinen solle?!
Wie unglaublich selbstlos und süß war er bitte. Und das trotz allem!?
Ich: „Das sind Freudentränen Tyson... Gott, du weißt gar nicht wie sehr ich mich gerade freue. Ich glaube ich war noch nie so glücklich...“
Tysons Gesichtszüge formten sich zu einem leichten Lächeln, doch wurde dieses durch ein plötzliches Husten unterbrochen und es schien als würde er gar nicht mehr aufhören können.
Panisch rannte ich in den Krankenhausflur und schrie nach Hilfe, woraufhin sogar direkt Doktor Williamson persönlich zu mir eilte.
Auch Faye hatte mich gehört und zu dritt wieder bei Tyson waren beide erstmal überrascht, dass dieser wach war, doch ließen sie sich dadurch nicht lange irritieren.
Doktor Williamson redete irgendetwas von Exturbieren und gebannt beobachtete ich, wie sie den Schlauch, mit dem Tyson bis eben noch künstlich beatmet wurde, einfach aus ihm herauszogen.
Dadurch wurde Tyson Husten schnell weniger und nach kurzer Zeit atmete er tatsächlich schon wieder von selber, ganz ohne Husten.
Dass das so schnell gehen konnte, hätte ich auch nicht gedacht.
Williamson: „So Mister Smith, mich freut es sie jetzt nochmal richtig kennenlernen zu dürfen. Mein Name ist Williamson und ich bin hier der Chefarzt, der sie betreut.
Als erstes müsste ich kurz ihren allgemeinen Zustand überprüfen“
Er stellte Tyson verschiedenen Fragen wie ob er alles sehen und hören könne oder ob er Schmerzen habe.
Tysons Stimme war nur schwach und er brachte nicht mehr als ein ja oder nein heraus, weshalb ich sanft seine Hand streichelte, um ihn so gut es ging Unterstützung zu spenden, während in mir noch immer riesige Freude und Erleichterung herrschte.
Als der Doktor seine Fragerunde beendet hatte, schien das Ergebnis relativ positiv und er lächelte mir kurz zuversichtlich zu.
Williamson: „Okay, das sieht doch schonmal sehr gut aus.
Ich kann sie übrigens beruhigen, das gerade war eine vollkommen normale Reaktion. Ihr Körper kam einfach in Konflikt mit der künstlichen Beatmung, weil sie wieder angefangen haben selbstständig zu atmen. Daher haben wir besagten Schlauch entfernt, da er nicht mehr von Nöten war.
Sie sind sicherlich noch sehr verwirrt und haben viele Fragen, die ihnen alle noch beantwortet werden, aber zunächst ist es für ihre Gesundheit wichtig, dass sie viel trinken, sich ausruhen und schonen.
Wir werden sie auch schon bald auf eine andere Stadtsion verlegen können, aber fürs erste kümmern wir uns hier um sie und stellen sicher, dass alles gut verläuft. Deswegen müssten wir auch direkt ein paar weitere Tests mit ihnen machen, zu denen ihre Freundin nicht mitkommen kann. Aber keine Angst, sie werden nicht lange getrennt“
Er bat Faye schonmal ein MRT sowie CT vorzubereiten und verabschiedete sich dann gemeinsam mit ihr erstmal von Tyson und mir.
Mir lagen tausende von Fragen auf dem Herzen -es gab einfach zu viel nach all den Monaten, über das ich mit Tyson sprechen wollte und musste- doch ich wusste auch, dass ich ihn nicht direkt mit allem überrumpeln konnte.
Tyson war schließlich gerade eben erst aus dem Koma erwacht und ich sollte mich einfach darüber glücklich schätzen anstatt ihn mit Fragen zu bombardieren.
Immerhin werden wir ja hoffentlich ab jetzt noch eine lange gemeinsame Zeit haben, in der ich meine Fragen stellen konnte.
Für den Moment brauchte Tyson einfach Ruhe und Kraft, für seine weitere Genesung und die anstehenden Behandlungen.
Ich: „Ich bin stolz auf dich, Tyson.
Jetzt wird alles gut werden. Ich bin wirklich überglücklich. Danke“
Vorsichtig beugte ich mich zu ihm vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange, woraufhin er mir ein schwaches, aber aufrichtiges, Lächeln schenkte.
Ich: „Ich habe dein Lächeln so vermisst. Ich habe einfach alles an dir so vermisst. Das kannst du dir gar nicht vorstellen“
Tyson: „...ich bin wieder da... für dich“
Wahrscheinlich strahlte ich über's ganze Gesicht, so glücklich war ich gerade.
Faye kam zurück zu uns ins Zimmer und erklärte, dass Tyson jetzt alleine zu einigen Untersuchung müsste.
Ich nickte nur und drückte nocheinmal Tysons Hand, die ich noch immer hielt, aber jetzt loslassen musste.
Ich: „Okay, wir reden später, Tyson. Wir haben ja noch genügend Zeit. Also bis dann. Ich liebe dich“
Er setzte dazu an etwas zu antworten, doch seine Stimme versagte und da wurde er auch schon aus dem Zimmer geschoben.
Noch immer lächelnd blieb ich alleine im Raum zurück.
Nie hätte ich damit gerechnet, dass er heute aufwachen würde.
Ich war außer mir vor Freude und konnte gar keinen klaren Gedanken fassen.
Das einzige, was sich in meinem Kopf drehte, war, dass Tyson aufgewacht war.
Tyson war wieder wach.
Alles wird wieder gut.
Nein, alles war wieder gut.

Roadtrip mit einem BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt