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Ahsen

Müde schlug ich meine Augen auf und blinzelte ein paar mal um mich an das Licht zu gewöhnen.
Bin ich jetzt tot? Wo bin ich? Im Himmel? Wie eine Hölle sieht es nicht aus...

„B-Bin ich im Himmel?", redete ich eher mit mir selber, doch zuckte zusammen als ich eine Antwort von einer tiefen Stimme bekam.
„Wärst du im Himmel, würdest du dort ganz bestimmt nicht auf mich treffen Kleines", lachte er mit verschränkten Armen vor der Brust.

Ich drehte mein Kopf an die Seite und betrachtete Berkan, der es sich auf einem Sessel gemütlich gemacht hatte. Es war alles kein Traum? Es war Realität? Ich bin nicht tot? Warum lebe ich überhaupt? Berkans Lippen umschlich ein Lächeln, welches nicht wirklich erfreut wirkte. Im Gegenteil, es wirkte so... wütend.

„Du...!-", ich wollte mich aufsetzten, doch unterbrach mich selber mit einem schmerzerfüllten Stöhnen, da ein unerträglicher Schmerz mein Bauch durchzog.
„D-Du hast mich erstochen!", zischte ich wütend, während er sich amüsiert aufsetzte und mit den Schultern zuckte. „Du hast angefangen."

„Du kranker Psychopath, du hältst mich hier ohne mein Willen gefangen! Ich-", setzte ich an, doch wurde von einem Arzt unterbrochen, der ins Zimmer kam. „Sie sind ja schon wach", hörte man ihn erfreut sagen.

Ich versuchte mich leicht aufzusetzen, was besser klappte als ich dachte. „Sie hatten einen Messerstich in ihr Abdomen", erzählte der Arzt, während die ersten Fragezeichen schon in meinem Kopf auftauchten.

„Abdom- was?", kam es verwirrt von mir. „Dein Bauch", antwortete Berkan auf meine Frage, weswegen ich ihn böse anfunkelte. Mit ihm hatte keiner geredet!

„Fachlich gesehen ist es der Bereich zwischen Ihres Brustkorbes und Beckens. Man kann von Glück sprechen, dass keine Organe beschädigt wurden. Sie müssen sich etwas erholen und nicht zu sehr anstrengen, sodass sie in ein paar Tagen wieder fit auf den Beinen sind", lächelte mich der Arzt aufmunternd an.
So schlimm war es dann wohl wiederum auch nicht...

„Das gleiche gilt auch für Sie", richtete der Arzt sein Blick auf Berkan, der lässig nickte.
Ich hasse ihn!
Ich hasse Emir!
Ich hasse mein Leben!
Das Einzige was ich wollte war einfach von hier wegzugehen und alles hinter mir zulassen.
Ein neues Kapitel öffnen.

Der Arzt wollte gerade wieder gehen, doch ich hielt ihn auf. Ich wollte etwas fragen.
„Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte er höflich. Ich spürte Berkans Blicke auf mir, doch ignorierte sie gekonnt.

„Ich... Ich hatte vor ca. drei Monaten einen Unfall, weswegen ich mein... Gedächtnis verloren habe. Ich musste bestimmte Tabletten nehmen, um meine Erinnerungen zurückzubekommen. Jedoch habe ich seit einer Woche meine Tabletten vernachlässigt und halte diese Kopfschmerzen nicht mehr aus. Können Sie mir eventuell wieder Tabletten verschreiben?", strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Ja, natürlich. Wie heißen die Tabletten denn?", fragte er und kramte in seiner Tasche herum. Ich grübelte etwas, doch erinnerte mich schlussendlich an den Namen. „Pitman Tabletten", antwortete ich. Der Arzt stoppte in seiner Bewegung und sah mich irritiert an.

„Was?", fragte er ungläubig. „Was ist los Doc?", hörte man Berkan interessiert fragen. Was war los? Hatte ich etwas falsches gesagt? Meine Tabletten hießen Pitman, daran konnte ich mich gut erinnern.

„Nun ja... Das ist eine Vergessenspille. Es wurde speziell für Patienten erstellt, die einen Trauma vergessen wollen oder müssen", erklärte der Arzt.

Mein Mund öffnete sich ein Stück. Eine Vergessenspille? Aber warum hatte mir der Arzt sowas verschrieben? Er wollte doch, dass ich mich zurück erinnerte...
„Wer hat Ihnen diese Pillen verschrieben?", fragte er nun wieder an mich gerichtet.
„Emirs Privatarzt", antwortete ich perplex. Der Arzt, der sich um mich gekümmert hatte als ich im Koma lag. Aber warum sollte er sowas tun? Das ergab doch keinen Sinn.

„Du wurdest Hops genommen", lachte Berkan und lehnte sich zurück. Steckte Emir auch dahinter? Aber wozu sollte er sowas wollen? Meine Erinnerungen waren mein einziges Eigentum. Wieso sollte er sie auslöschen wollen?

„Ich verschreibe Ihnen neue Tabletten, welche den Erinnerngsvorgang beschleunigen. Keine Sorge, bald haben Sie Ihre Erinnerungen bestimmt zurück", verabschiedete sich der Arzt und verließ das Zimmer.

„Willst du mir jetzt sagen, dass du dem Bastard immer noch traust? Allein an der Tatsache, dass er nicht will, dass du dich erinnerst, merkt man doch, dass er was großes zu verheimlichen hat", redete Berkan auf mich ein.
Wo er recht hat, hat er recht.

Vielleicht hatte ich mich in Emir wirklich getäuscht und er war doch nicht so ein gutherziger Geschäftsmann wie ich dachte.
Ich antwortete auf Berkans Frage nicht, da ich mit meinen Gedanken beschäftigt war.
Würde Emir mir wirklich sowas antun?

„Wie auch immer, ich bekomme gleich Besuch. Du bleibst hier im Zimmer, kannst dich so oder so nicht viel bewegen", schmunzelte er belustigt. Warum konnte er sich eigentlich ohne Schmerzen bewegen? Mein Bauch schmerzte allein von der klitzekleinsten Bewegung. Vielleicht war er an Messerstiche gewohnt und es war nicht das Erste mal, dass er erstochen wurde.

„Weißt du Kleines, ich dachte ich kann dir vertrauen. Du hast mein Vertrauen aber ausgenutzt. Jetzt musst du mit den Konsequenzen leben", zuckte er mit seinen Schultern und ging Richtung Tür.
Er knallte die Tür laut zu und ließ mich mit meinen Gedanken alleine. Erst jetzt bemerkte ich, dass wir uns immer noch in seiner Villa befanden.

Warum konnte ich kein friedliches Leben führen? Ich hatte keine Lust mehr auf dieses ganze Drama. Ich wollte doch nur weit weg von hier ein neues Kapitel in meinem Leben aufschlagen. War das wirklich zu viel verlangt?

Emir...
Mein Gehirn wollte es nicht raffen, dass er dafür gesorgt hatte, dass ich meine Erinnerungen nicht bekam. Wieso sollte er es nicht wollen? Was verheimlichte er?
Mein Kopf fing an zu schmerzen, weswegen ich mich erschöpft zurück schmiss.

Vielleicht gab es einfach keinen Ausweg mehr aus dieser Scheiße. Manchmal wünschte ich, dass der Mörder meines Bruders mich damals umgebracht hätte.
Es wäre alles viel einfacher...

Ensar...
So hieß der Mörder meines Bruders und er war immer noch auf freiem Fuß. Vor Wut bohrte ich meine Nägel in die Decke. Wie konnte er nur friedlich weiterleben, während mein Bruder unter der Erde lag? Wo war sein Gewissen, sein Mitgefühl? Besaß er keine Schuldgefühle? Wieso stellte er sich nicht?

Berkan...
Mir war von Anfang an klar, dass er nicht mehr alle Schrauben locker hatte. Er hatte mich entführt, weil er eine Rechnung mit Emir offen hatte. Was hatte ich damit zu tun?! Wieso machte er mir mein Leben zu Hölle, wenn ich doch unschuldig war?

Ich wollte ihn nicht abstechen. Es waren meine Reflexe, die aus Wut gehandelt hatten. Es war ein Fehler ihn dort liegen zulassen, um die Flucht zu ergreifen. Woher sollte ich aber wissen, dass er mir hinterher kommen und mich ebenfalls erstechen würde? Ich wollte doch nur weg von hier und alle schlechten Erinnerungen hinter mir lassen.

Ich war nicht stolz drauf ihn erstochen zu haben, doch seitdem ich mein Gedächtnis verloren hatte, hatte ich komische Aggressionsausbrüche. Ich hatte meine Wut nicht unter Kontrolle und handelte ohne darüber nachzudenken.

War ich vor dem Unfall auch so?
Hatte ist solche Aggressionen?
Ich erinnerte mich an die Zeiten zurück, wo ich mit Dilara, Emine und Hilal gemeinsam mein Abitur gemacht hatte. Was ist wohl aus den dreien geworden? Wieso hatte ich mich eigentlich mit ihnen gestritten? Wir waren damals unzertrennliche Freundinnen gewesen, wie kam es zu so einem großen Streit?

Manipulierende Tabletten...
Berkan bekommt Besuch, könnt ihr euch vorstellen wer mit Besuch gemeint ist?

Einfach sechs Wochen Ferien.
So muss das sein.

Sein Herz - FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt