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Ensar

„Das ist also Emirs Schwester", kommentierte Dardan und pickste mit seinem Finger in ihre Wange. „Lass das!", zog Enes ihn zurück und sie setzten sich jeweils auf einen Hocker. „Was will Berkan uns erzählen?", richtete sich Enes an mich, während Dardan immer noch Emirs Schwester beobachtete.

„Ich hab' keine Ahnung. Er meinte, wir sollen hier auf ihn warten", lehnte ich mich etwas zurück. „Eh Leute, ich glaube sie wacht gerade auf", kam es von Dardan, weswegen wir ebenfalls zu Emirs Schwester blickten, die sich leicht aufrichtete.

Sie blinzelte ein paar mal, um sich wahrscheinlich an die Helligkeit zu gewöhnen, bis ihr Blick auf uns fiel. Ihr Mund öffnete sich ein Stück, während sie uns verwirrt musterte. Ohne das wir es kommen sahen, fing sie plötzlich an zu kreischen. Als ob dies nicht ausreichen würde, fing auch Dardan an zu kreischen.
Ach du heilige Scheiße...

Ich hielt meine Ohren zu, da mir das Gekreische Kopfschmerzen breitete, doch Enes unterbrach es Gott sei Dank. „HALTET DIE FRESSEN!", brüllte er, sodass ich erleichtert ausatmete, als beide Schreie verstummten.
Seit wann konnte Enes so autoritär sein?!

„Babyboy mach was! Nur weil er Stress mit Nazli hat, lässt er seine Wut an mir raus!", petzte Dardan und klammerte sich an mein Oberarm, was ich sofort aus seinem Griff zog. „Du hast Stress mit Nazli?", drehte ich mich zu Enes, der sich frustriert durch die Haare fuhr.

„Das klärt sich schon. Ich-", er konnte nicht zu Ende sprechen, da Dardan ihn unterbrach.
„Wo ist das Mädchen?"
Gleichzeitig blickten wir alle auf das Bett, wo sich niemand mehr befand. Unsere Blicke schweiften zur Tür, welches offen stand.
Scheiße, sie ist abgehauen!

Wir erhoben uns von unseren Plätzen und stürmten aus dem Zimmer, bevor wir uns aufteilten. Sie müsste sich irgendwo im Haus herumtreiben, da draußen viele Wachen standen und sie nicht raus flüchten könnte.
Enes blieb im oberen Stockwerk, während Dardan und ich unten nachsahen.

„Es ist alles deine Schuld!", zischte ich ihm zu, der beleidigt seine Arme verschränkte. „Immer habe ich Schuld! Immer ich!", benahm er sich wieder wie ein Kleinkind, weswegen ich meine Augen verdrehte. Manchmal konnte dieser Junge einem echt auf die Nerven gehen.

„Emirs Schwester, wo bist du? Wenn du freiwillig hierhin kommst, bekommst du eine Flasche Kuhmilch von mir, versprochen. Ich teile sonst mit niemandem meine Milch", rief Dardan durch das Haus. Warum war dieser Junge eigentlich so dumm?
Ich würde wahrscheinlich niemals eine Antwort auf diese Frage finden.

„Bleibt da stehen!", hörten wir hinter uns eine weibliche Stimme, weswegen wir uns zu ihr drehten. Sie hielt einen Besen in der Hand, um sich anscheinend zu schützen. „Guck, sie möchte Kuhmilch", kommentierte Dardan flüsternd an mich gerichtet.

„Wir tun dir nichts. Berkan hat uns beauftragt hier zu bleiben, weil er kurz etwas zu erledigen hat", versuchte ich das Mädchen zu beruhigen. Erst jetzt fielen mir ihre strahlend grünen Augen richtig auf. Sie hatte dieselben Augen wie Emir.

„Ihr werdet mich jetzt gehen lassen!", befahl sie uns. Wollte sie uns ernsthaft mit einem Besen bedrohen? „Nein", antwortete ich stumm und ging immer ein Schritt näher auf sie zu, weswegen sie eingeschüchtert zurück ging.
Was sie jedoch nicht wusste war, dass Enes direkt hinter ihr stand.

Sie stoß gegen ihn und drehte sich erschrocken zu ihm.
„Hallo", lächelte Enes und nahm ihr das Besen ab, welches er dann in die Ecke warf. Sie wollte erneut wegrennen, doch ich half Enes dabei sie rechtzeitig festzuhalten.

Da wir uns im Wohnzimmer befanden, setzten wir sie gezwungenermaßen auf die Couch. Sie hätte so gut wie keine Chance gegen uns drei, was sie ganz genau wusste und deswegen auch still sitzenblieb.

Wir setzten uns ebenfalls auf die Couch und eine neutrale Stille kehrte ein. „Seid ihr Berkans Freunde?", fragte sie an uns gerichtet. Wir nickten alle gleichzeitig. „Warum tut ihr sowas?", stellte sie auch schon die nächste Frage.

„Was tun wir denn?", räusperte Enes und setzte sich auf.
„Emir hat euch nichts angetan. Warum wollt ihr ihm schaden?", sie spielte gedankenverloren mit ihren Fingern. Nichts? Gar nichts?

„Nichts?", las Dardan auch schon meine Gedanken und richtete sich ebenfalls auf. Seine kindische Art war wie verschwunden, stattdessen kam seine ernste Art wieder zum Vorschein.

„Ja. Rein gar nichts", sagte sie verspottend. Ich atmete tief ein und aus, bevor ich meinen Kopf in den Nacken lag. Beruhige dich Ensar, sie kann nichts dafür.
„Wir sind also die Bösen?", sah ich wieder zu ihr, weswegen sie etwas zögernd nickte.

„Wer sonst? Mein Bruder würde nicht mal einer Fliege schaden", antwortete sie festentschlossen. Eigentlich tat sie mir Leid, da sie nicht wusste, was für ein Bastard ihr Bruder eigentlich war. Allein weil sie mit ihm verwandt war, konnte ich sie aber jetzt schon nicht leiden.

„Keiner Fliege schaden?", fing Dardan an zu lachen, was eher wütend klang. Sie blickte verwirrt zu ihm, doch stand stets hinter ihrer Meinung. „Ja, mein Bruder ist ein Ehrenmann."
Ich knirschte unauffällig mit meinen Zähnen, was anscheinend Enes neben mir bemerkte.

„Dein Bruder ist nur ein Bastard. Du brauchst gar nicht versuchen ihn hier unschuldig zu reden. Wir drei wissen was für einer Emir ist", versuchte Enes die Lage etwas zu beruhigen. Ich wollte nichts dazu sagen, da ich meine Wut schwer kontrollieren konnte.
Dardan hingegen hatte sich zurückgelehnt und tötete das Mädchen mit seinen Blicken.

„Mein Bruder ist kein-", setzte sie an, doch wurde von Berkan unterbrochen, der ins Wohnzimmer gestürmt kam.
„Was ist hier los? Warum seid ihr nicht oben?", trat er näher an uns ran. Ich stand automatisch auf, doch konnte keine weitere Person mit ihm sehen. Wollte er nicht Emirs Verlobten zurückholen?

„Sie wollte abhauen", erklärte Dardan gelangweilt. Berkan funkelte sie wütend an, doch sagte nichts mehr dazu. „Wo ist das Mädchen?", fragte ich, weswegen er sich plötzlich anspannte und durch die Haare fuhr.

„Welches Mädchen?", fragte Enes interessiert, der sich nun ebenfalls erhob und neben mich stellte. Berkan presste seine Lippen zu einem geraden Strich und zögerte mit der Antwort. „Emirs Verlobte", beantwortete ich Enes Frage, der verständlich nickte.

„Ahsen?", kam es unerwartet von seiner Schwester, weswegen all unsere Köpfe in ihre Richtung schossen. Eine unangenehme Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper, während ich versuchte das Gesagte zu realisieren. Ahsen?

Ein Stechen in meinem Kopf machte sich erneut breit und sorgte für die quälenden Schmerzen. Dardan und Enes ging es anscheinend nicht anders, denn auch sie schauten verwundert das Mädchen auf der Couch an.

Hatte ich mich vielleicht verhört? Aber wieso sollte ich? Vielleicht war es wieder nur eine Einbildung genau wie meine Halluzinationen.
Aber dann würden doch Dardan und Enes nicht so reagieren oder?

„Was starrt ihr mich so an?! Wo ist Ahsen?!", wiederholte sie ihren Namen, während wir sie mit einem offenen Mund anstarrten. Was meinte sie damit?

„Jungs", zog Berkan die Aufmerksamkeit auf sich, weswegen wir unsere Köpfe in seine Richtung drehten.
Er sah zur Decke, bevor er tief ein- und ausatmete: „Ahsen lebt."

Ich glaube, wir haben alle auf diesen einen Augenblick gewartet ✌🏻
Wie werden sie reagieren?

Sein Herz - FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt