- 56 -

1.7K 106 198
                                    

Ahsen

Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum und sah aus dem Fenster, wo Berkan mit einem seiner Männer sprach. Sie standen vor einer Villa, in der sich Emir befand. Es war nicht irgendeine Villa, es war die Villa, in der ich mit manipulierenden Medikamenten umgebracht wurde. Vor wenigen Monaten hatte mein Herz genau hier aufgehört zu schlagen.

Ich hatte Berkan gezwungen uns mitzunehmen und er konnte mir diesen Wunsch nicht abschlagen, weil er mein Temperament nur zu gut kannte. Wie hatte sich Emir zurück nach Frankfurt getraut? War er überhaupt je weg? Was suchte er ausgerechnet in dieser Villa? Wieso war er alleine?

Ilayda war still und starrte auf ihre verschränkten Hände. Wahrscheinlich wollte sie ihren Bruder genauso wenig wie ich wieder in ihrem Leben haben.
Mein Handy fing an zu klingeln und ich starrte auf das Display, auf der Ensars Name aufblinkte. Ohne ranzugehen, schaltete ich mein Handy auf Flugmodus um. Ich war gerade ehrlich nicht in der Lage dazu richtig nachzudenken.

Berkan öffnete die Tür und setzte sich wieder ans Steuer. „W-Was macht er hier?", kam es nervös von mir. „Er wollte sich umbringen", antwortete Berkan direkt meine Frage, während sich mein Mund ein Stück öffnete. „Was?!", meldete sich Ilayda zu Wort. „Er war gerade dabei sich zu erschießen als meine Männer ihn gefunden haben."

Wow, Emir Sayer wollte Selbstmord begehen?
Wie krass muss er abgestürzt sein, dass er nun Selbstmord begehen wollte? Hatte er vielleicht Schuldgefühle? Besaß er überhaupt Gefühle? Er hatte aufgegeben? Er wollte sich das Leben nehmen?

Ilayda presste ihre Lippen fest aufeinander und lehnte sich zurück. Ich konnte sie ein wenig verstehen. Egal wie schlimm ihr Bruder auch war, er war der einzige Familienmitglied den sie noch hatte und er wollte sich jetzt selbst töten. War der Tod nicht ein Entkommen für ihn? Er müsste doch genauso leiden wie wir, um uns ein wenig zu verstehen. Er sollte doch an seinen Schuldgefühlen verrecken.
Der Tod wäre ein Geschenk.

„Darf ich ihn sehen?"
Die Idee kam mir ganz spontan in den Sinn. Ich wollte ihn sehen, mit ihm reden, ihm klarmachen was für ein Bastard er doch war. „Nein", sagte Berkan ohne zu zögern. Ich seufzte genervt. „Ich habe das Recht dazu mit ihm unter vier Augen zu reden, nach allem was er mir angetan hat!", ich stieg aus dem Auto und steuerte auf die Villa zu, die von Berkans Männern bewacht wurde.

Berkan kam mir hinterher und zog mich an meinem Arm zurück. Ilayda war wahrscheinlich noch im Auto. „Du bist so anstrengend."
Ich verdrehte genervt meine Augen. „Er hat mir meinen Bruder genommen, meine Erinnerungen, mein Leben... Ich möchte ihn nur zur Rede stellen, ich möchte ihm nur klarmachen, was er gemacht hat, mehr nicht. Er ist in einer Situation, wo er mir sowieso nicht schaden kann, da er erstens, geschwächt ist und zweitens, das ganze Haus von deinen Männern bewacht wird. Außerdem kann ich mit meinen Ängsten nur klarkommen, wenn ich mich gegen sie stelle. Also wo liegt das Problem, Cousin?", verschränkte ich meine Arme.

Er kniff seine Augen zu Schlitzen und schaute mich angriffslustig an. Ich hatte die Diskussion definitiv schon gewonnen, ohne dass sie begonnen hatte. „Na schön, das ist das letzte mal, dass ich mich von dir überreden lasse. Merk dir das, Kleines. Einer meiner Männer begleitet dich", gab er mir die Erlaubnis.

„Nein Berkan, ich gehe alleine rein", blieb ich hartnäckig, während er meinen Blick genauso stur erwiderte. „Entweder mit einem meiner Männer oder gar nicht."

„Du möchtest es nicht verstehen oder? Was soll er mir bitte schön noch antun? Er ist in einem Haus eingesperrt, was von 30 Männern-", setzte ich gerade an, doch er unterbrach mich.
„43 Männer, Kleines", grinste er stolz auf sein eigenes Werk.
Ich verdrehte meine Augen und fuhr fort: „Dann eben von 43 Männern. Es ist unmöglich, dass er entkommt. Außerdem meintest du, er war gerade dabei sich umzubringen als er gefunden wurde. Ich nehme an, dass er gerade nicht mal in der Lage dazu ist richtig zusprechen, also kann mir auch nichts passieren!"

Sein Herz - FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt