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Ahsen

Ich spielte mit dem Anhänger der Kette, welches vor Jahren einmal mir gehörte. Meine Mutter hatte es mir an meinem 5. Geburtstag geschenkt, kurz bevor sie gestorben war. Wie konnte ich eigentlich eine Kette mit so viel Bedeutung einem Fremden überlassen? Hätte Emir mir diese Kette nicht gezeigt, würde ich mich niemals mehr dran erinnern.

„Nach dem Tod meiner Mutter hat mein Stiefvater uns großgezogen. Er wollte einen richtigen Mann aus mir machen", er lachte ironisch auf und fuhr sich durch die Haare. Wie wäre ich drauf, wenn ein Psychopath mich großgezogen hätte?

„Ilayda hielt es nicht lange aus und ist abgehauen. Das war ehrlich die beste Entscheidung, was sie damals treffen konnte. Dann war ich alleine mit... mit dem Mörder meiner Mutter", er spannte sich augenblicklich an, bevor er tief ausatmete.

Ich wollte mir gar nicht vorstellen wie schwer es ihm fiel mir all dies zu erzählen. Ich hörte ihm aufmerksam und schweigend zu. Emir wurde seit seiner Kindheit mit Lügen und Manipulationen großgezogen. Wahrscheinlich war seine Psyche nicht mehr labil.

„Vielleicht habe ich es getan, um mich abzulenken, um nicht an die qualvollen Schreie... meiner Mutter zu denken, aber ich habe angefangen...", er sah in meine Richtung. „... Informationen über dich zu sammeln. Ich wollte wissen, wer das mysteriöse Mädchen war, welches mir ihre Kette geliehen hatte. Es hatte mich abgelenkt... Du hattest mich abgelenkt." Er hatte mich schon als Kind angefangen zu stalken? Wow...

„Kurze Zeit darauf habe ich Erkan und Ensar kennengelernt", er wendete seine Blicke ab und schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Ich wusste bereits, dass die drei sich schon seit ihrer Kindheit kannten, aber wie genau sie sich kennengelernt hatten und was für eine Bindung sie hatten, das wusste ich nicht.

„Vielleicht wird es dich jetzt wundern, aber die beiden waren mir wirklich wichtig", verträumt blickte er die Wand vor uns an.
Wichtig? Ich wollte ihn nicht mit meinen Fragen unterbrechen und ließ ihn weitererzählen.

„Natürlich hatte mein Stiefvater etwas dagegen. Er hat... Er hat Erkan manipuliert", er schüttelte seinen Kopf, während ich meine Augen aufriss. „W-Wie meinst du das?", stotterte ich nervös. Ich war mir nicht sicher, ob ich es wissen wollte.

„Als dein Bruder 18 war, durftet ihr zusammenziehen, da er dein Erziehungsberechtigter wurde. Erkan brauchte Geld und als Azubi hat er nicht wirklich viel verdient. Er wusste nicht was für ein Psychopath mein ach so toller Stiefvater eigentlich war. Er hat...", Emir verstummte und zögerte. „Er hat w-was?", half ich ihm auf die Sprünge. „Er hat Drogen für Eray Kozan transportiert."

Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich Emir an. Er hatte was? Drogen transportiert? Drogen?!
„Er hat im Voraus schon sehr viel Geld bekommen. Später konnte ich ihn dazu überreden aufzuhören, sodass er Schulden hatte. Er zögerte es immer weiter aus, aber Eray Kozan besaß ehrlich keine Geduld", lag Emir sein Kopf in den Nacken.

Die Schulden... Er war gestorben, weil er aufgrund des Drogentransports Schulden hatte.
Wieso hatte er so etwas getan? Wenn ich wüsste, dass er in Schwierigkeiten steckte, würde ich niemals mein Abitur machen, sondern so schnell wie möglich einen Job finden. Ich könnte ihm helfen, wieso hatte er mir nie etwas erzählt?

„Sei aber nicht sauer auf ihn. Er war wirklich ein guter Bruder. Es hat mich immer fasziniert, wie besorgt er um dich war. Er wollte dir immer nur das Beste bieten. Er hat dich wirklich geliebt, Ahsen", erzählte er mir mit einem sanften Lächeln.

Sein Herz - FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt