27. Kapitel

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"Wurdest du schon entlassen?", fragte ich Zen. Er nickte.
Wir standen vor meinem Haus und ich wollte reingehen, wusste aber nicht genau, ob es das Beste sei ihn auch reinzulassen.
Aber was sollte großes passieren?
"Willst du reinkommen?", fragte ich ihn.
Er nickte wieder.
Ich schloss auf und ging hinein von Zen gefolgt.
Es war ein wenig merkwürdig, wie er mir wie ein Schoßhündchen hinterherdackelte und schwieg.
Als er sich dann endlich hingesetzt hatte, redete er.
"Willst du nicht deine Jacke ausziehen?", fragte ich skeptisch.
Er schüttelte den Kopf.
Ich setzte mich zu ihm und seufzte.
"Und was willst du jetzt von mir?", wollte ich wissen.
"Du wohnst allein?", sagte er endlich.
"Ja, ganz allein", murmelte ich.
"Warum?", fragte er und sah mir in die Augen.
Es war mir ziemlich unangenehm und ich sah weg.
"Ich bin von den Kijoja-Inseln hergekommen und musste alleine herreisen, da meine Eltern nicht mitkommen konnten", antwortete ich.
"Du lügst", sagte er kühl.
"Warum sollte ich lügen?
Und warum willst du das wissen?", entgegnete ich.
"Weil du mich gerettet hast", sagte er.
Ich hob die Augenbraue.
"Das hat nichts damit zu tun", sagte ich mit verwirrtem Blick.
"Reden wir doch mal über dich. Warum bist du hier?", fragte ich ihn.
"Ich musste weg von meinem zu Hause und bin dann hier gelandet", sagte er monoton.
"Und warum warst du verletzt?"
"Ich wurde auf dem Weg angegriffen"
Ich seufzte.
"Ich nehme an, dass du jetzt auch alleine wohnst?"
Er nickte.
Aus ihn wurde ich nicht wirklich schlau.
"Brauchst du was? Soll ich dir bei irgendwas helfen?", versuchte ich es erneut.
Er schüttelte den Kopf.
"Und was willst du jetzt von mir?", fragte ich.
Er stand auf und sah bedrohlich auf mich herab. Ich hatte ein wenig Angst, dass er irgendwas versuchen würde. Er kam auf mich zu und blieb vor mir stehen.
"Äh...W-was...?", stotterte ich.
"Ich wollte mich bedanken", murmelte er.
Ich stand auf und trat zurück.
Er kramte in seiner Jackentasche herum und holte eine kleine Schachtel raus.
"Das ist für dich...", murmelte er und streckte mir die Schachtel entgegen. Ich ergriff die Schachtel und schaute zu ihm hoch.
"Danke, das wäre nicht nötig gewesen...", murmelte ich und wollte die Schachtel öffnen.
"Ich gehe", sagte er und lief an mir vorbei.
"Warte!", rief ich und drehte mich zu ihm.
Doch er war bereits verschwunden.
Verwirrt setzte ich mich wieder und betrachtete die kleine Schachtel.
Ich nahm die Schachtel in die Hand und nahm den Deckel ab.
Den Inhalt ließ ich in meine Hand fallen.
In meiner Hand lag eine silberne Kette mit einem Anhäger. Der Anhänger stellte einen Drachen dar, der sich so zusammenrollte, dass er kreisförmig war.
Es war sehr kunstvoll gearbeitet und schien ziemlich wertvoll zu sein.
Ich legte mir die Kette um den Hals und machte sie zu.
Den Anhänger steckte ich unter mein T-Shirt, sodass man ihn nicht sehen konnte.
Die Kette gefiel mir, also beschloss ich sie nicht wieder abzunehmen.
Dann schoss mir ein Gedanke durch den Kopf.
Ich konnte endlich schlafen!
Ich rannte nach oben, zog mich um, verdunkelte mein Zimmer und ließ mich ins Bett fallen.
Ich war wieder ganz allein. Vielleicht sollte ich mir ein Haustier anschaffen? Aber wer sollte darauf aufpassen wenn ich nicht da war?
Ich hatte noch nie ein richtiges Haustier und wusste nicht wie ich damit allein hätte umgehen sollen.
Für den Moment musste Horst reichen.
Ich kuschelte mich an ihn und schloss mein Auge.
Da ich total müde war, schlief ich sofort ein.

Ich rannte.
Ich wusste nicht wieso, musste aber weiterrennen.
Etwas verfolgte mich.
Die Straßen waren voller Menschen, als ich durch meinen alten Heimatort rannte. Angsterfüllt sah ich hinter mich.
Dort war nichts.
Nur der Schatten, der die Häuser auf den Boden warfen.
Ich blieb stehen und starrte auf diesen Schatten.
Langsam näherte er sich mir und wurde immer dunkler. Die Leute, die in den Schatten liefen, verschwanden sofort in der Dunkelheit.
Und sie kam immer näher.
Panisch rannte ich weiter und wich den Leuten aus, die auf mich zukamen.
Die Tränen liefen mir die Wangen runter und die Angst, die ich spürte, war wie ein riesiges schwarzes Loch in meinem Bauch, das sich immer weiter ausbreitete.
Die Dunkelheit kam immer näher und ich wurde immer langsamer.
Ich konnte nicht mehr und desto näher die Dunkelheit mir entgegenkam, desto dunkler wurde meine ganze Umgebung.
Ich spürte wie etwas meinen Fuß ergriff und mich nach hinten zog.
Panisch sah ich nach hinten und musste mit ansehen, wie diese Dunkelheit mich in sich hineinzog. Tausende Augen konnte ich in dieser Dunkelheit aufblitzen sehen und ich schrie, je tiefer ich hineingezogen wurde.
Die Dunkelheit hatte mich vollkommen verschlungen und alles um mich herum war schwarz.
Ich konnte Schritte hören, die auf mich zukamen. Sie wurden immer lauter, bis plötzlich eine Person vor mir auftauchte.
Diese Person war meine Mutter.
Sie lächelte mich sanft an und breitete die Arme aus. Ich sprang auf und stürmte in ihre Arme.
"Was hast du denn, Schatz?", fragte sie leise, als ich mich an sie drückte.
"Mama...", schluchzte ich und krallte meine Hände in ihre Klamotten.
"Du brauchst keine Angst haben", sagte sie und tätschelte mir den Kopf.
Dann löste sie sich von mir und legte mir ihre Hände auf meine Schultern. Sie sah mir in die Augen und lächelte mich an.
"Du hast schon alles verloren, was hast du jetzt noch zu verlieren?", sagte sie gutmütig.
"Mama...?", flüsterte ich.
"Du hast nichts mehr, oder? Wofür fürchtest du dich? Du willst wieder bei uns sein, aber das kannst du nicht. Du hast unser Leben zerstört", sagte sie und starrte mich mit wahnsinnigen Augen an.
"Du bist ein Monster", sagte sie, während ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen.
"Mama!", rief ich und wischte mir die Tränen weg.
"Was sagst du denn da...?", murmelte ich.
Sie ließ meine Schultern los und starrte mich mit eiskalten Augen an.
"Monster...", murmelte sie.
"Büße für was du getan hast...", sprach sie, als ihr Körper sich langsam auflöste. Ein nicht existierender Wind wehte ihren Körper in tausende Staubkörner, die wegflogen.
"Mama!", schrie ich und griff nach ihr.
Meine Hand fasst durch ihren Körper und die Stelle, die ich berührt hatte, löste sich sofort auf.
"Du Monster...", murmelte sie und war dann komplett verschwunden.
Ich fiel auf die Knie.
Die brennenden Tränen liefen mir die Wangen hinunter, als ich in das Nichts vor mir starrte.
"Du Monster...", flüsterte es in meinem Kopf.
Immer und immer wieder hörte ich sie.
Ich schrie in dieses Nichts und hörte den Schall meiner Schreie.
Ich konnte nicht aufhören, denn es war das Einzige, dass dieses Geflüster übertönte.
Dann öffnete sich ein Loch vor mir, dass hell erleuchtete. Das Licht wurde schwächer und das Loch gab Blick auf den Friedhof. Auf das Grab meiner Familie.
Ich stürmte auf das Loch zu, doch etwas stieß mich zurück.
In diesem Loch spiegelten sich diese Szenen aus meinem wieder. Der Unfall, die Beerdigung und meine Familie. Ich schluchzte und weinte.
Ich konnte nicht aufhören, denn der Schmerz und die Verzweiflung war noch schlimmer, als zuvor.
In diesem Nichts lag ich zusammengekauert vor diesem Loch, das sich egal wo ich hinsah, vor mir befand. Ich kniff meine Augen zusammen und schrie weiter.
"Hör auf!", schrie ich.
"Lass mich in Ruhe!", schrie ich noch lauter.
Ich spürte eine Hand auf meinem Kopf und alles wurde still. Ich öffnete mein Auge und sah zu der Person auf, dessen Hand auf meinem Kopf lag. Eine leuchtende Gestalt, die ich nicht ausmachen konnte, kniete vor mir.
Es hatte kein Gesicht, sondern strahlte einfach nur. Es streckte mir die Hand entgegen. Zögerlich ergriff ich sie.
Dann hörte die Gestalt auf zu leuchten und wurde augenblicklich pechschwarz. Ich zog die Hand zurück und kroch von dieser Gestalt weg.
Sie bäumte sich auf und zuckte immer wieder zusammen, während sie auf mich zuging.
Langsam verschwand das Pechschwarze dieser Gestalt und löste sich wie Rauch von dem Körper darunter. Eine Wand bildete sich aus dem schwarzen Rauch vor dem Körper. Langsam stand ich auf und starrte auf diese Wand. Der Körper befand sich immernoch dahinter.
Langsam wurde diese Wand klar und ich konnte direkt sehen was dahinter stand.
Hinter der Wand stand ich.
Es war ein Spiegel.
Ich bewegte mich synchron mit der Abbildung im Spiegel.
Doch ich sah nicht normal aus.
Mein Auge war komplett schwarz, mein Körper mit Wunden übersäht und die Hände trieften vor Blut.
Ich blickte mir in die schwarzen Augen und hörte das Flüstern.
"Du Monster..."
Das gab mir den Rest.
Ich knallte den Kopf gegen den Spiegel.
Immer und immer wieder, bis mein Blut den Rissen entlangfloss und ich zu Boden fiel.
Ich lag auf dem Rücken und starrte in dieses Nichts über mir.
Das Geflüster wurde immer lauter und entwickelte sich zu einem Schreien.
Das Schreien in meinem Kopf vermischte sich mit meinem und raubte mir den Verstand. Ich presste die Hände auf die Ohren und wünschte mir einfach nur noch aus dieser Tortur zu entfliehen.

Ich schreckte auf.
Ein Albtraum.
Es war nur ein Albtraum...
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und schaute auf die Uhr.
Es war bereits Nacht und dunkel draußen. Ich hätte aber nicht weiterschlafen können.
Ich stand auf und suchte nach meinem Handy.
Schnell zog ich mir eine andere Hose an und rannte die Treppen runter. Dann steckte ich mir die Kopfhörer in die Ohren und lief auf die Straße.
Wieder rannte ich. Ich rannte um mir den Kopf freizukriegen. Mit meiner Musik so laut wie möglich aufgedreht rannte ich durch die Straßen und Gassen.

So saß ich auf einem der Dächer und blickte auf die Hauptstraße. Die Leute, die unterwegs waren machten ziemlich viel Krach. Ich griff in meinen Ausschnitt und zog die Kette hervor, die ich von Zen bekommen hatte. Sie hatte etwas Tröstendes an sich, wie sie so im Mondlicht funkelte. Ich stand auf und machte mich auf den Weg nach Hause.

In der ferne saß eine schwarze Gestalt und beobachtete mich.

New Life of MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt