'09. Kapitel

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Die Ebene war überflutet. Ich watete schweren Schrittes durch das Wasser. Meine Klamotten waren bereits komplett nass, da an manchen Stellen der Boden fiel tiefer war und ich unkontrolliert hineingefallen war. Der Himmel war dunkel und die Sterne spiegelten sich im Wasser. Von Weitem hätte es ausgesehen, als würde ich im Himmel laufen.
Nicht wissend, wen ich antreffen würde, ging ich weiter. Die Stille, die sich über diese endlos scheinende Ebene ausbreitete, war zweifellos die Ruhe vor dem Sturm.
Nur das Plätschern des Wassers, das durch mein Gehen erzeugt wurde, erfüllte die Stille.
Ich sah zur Seite, als ich zusätzliches Plätschern hörte.
"Ich habe schon gewartet, Ray", murmelte ich und blickte zum Himmel.
"Du hast am längsten gebraucht", erwiderte er monoton.
Es war merkwürdig ihn so kalt zu sehen. Sonst war er immer Feuer und Flamme, wenn ich ihm etwas vorwarf, doch jetzt schien er nur emotionslos zu sein.

Ich blieb stehen und blickte in das Wasser. Der Boden war nicht zu erkennen und ich konnte nur den weichen Sand unter meinen Fußsohlen spüren.
Dies war zwar eine Prüfung und mein Team wahrscheinlich nur eine Art Illusion, doch ich wollte sehen, wie Ray auf mein Handeln reagieren würde. Immerhin hatte das letzte Mal, dass wir uns begegnet sind, einige Fragen für mich offen gelassen.
Hier hatte ich doch nichts zu verlieren, oder? Ich konnte etwas versuchen, zudem ich mich normalerweise nie von allein getraut hätte.
"Ray?"
Er sah zu mir hinunter.
Seine smaragdgrünen Augen funkelten im schwachen Licht der Sterne und ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus.
Ich ging auf die Zehenspitzen und drückte ihn an den Schultern zu mir runter, sodass meine Lippen auf seinen ruhen konnten.
Ray reagierte nicht, sondern blieb einfach in dieser Position stehen.
Doch ich konnte deutlich seine Energie spüren, die mir mangelte.
Ich brauchte sie, um weiterzukommen.
Ich legte beide Hände auf seine Wangen und beklaute ihn sozusagen von seiner Energie.
Sie erfüllte mich mit purer Kraft und ich konnte nicht anders, als nach mehr verlangen.

Doch wie aus dem nichts versank Ray blitzschnell im Wasser. Etwas hatte ihn runtergezogen, denn jetzt spürte ich auch die Hand um meinen Knöchel, die mich runterzuzerren versuchte.
Jedoch musste ich nur den Fuß aus dem Wasser heben und die Hand zu packen, um die schwarze Gestalt aus dem Wasser reißen.
Das Wasser umgab ihren Körper wie eine Schlange, die mich bedrohlich anfauchte. Das Problem beseitigte ich, indem ich meine Hand auf den Kopf der Gestalt legte und meine frisch gewonnene Erdenergie durch ihren Körper jagte. Sie zerfiel zu Wasser und wurde eins mit dem endlosen See, in welchem ich stand.

Kurz darauf tastete ich den Boden ab, und konnte meinen Arm in ein tiefes Loch stecken, in das Ray vermutlich hineingezogen wurde. Ich konnte ihm aber nicht nachtauchen, da ich weder meine Windenergie als Sauerstoffversorgung, noch mein Licht als Orientierung benutzen konnte. Mir blieb nur zu hoffen, dass Ray es schaffte meine Hand zu greifen.
Mein Gesicht berührte den Wasserspiegel und ich hatte mich ins Wasser gekniet, um tiefer in das Loch reichen zu können.
Angst und Erleichterung überkam mich zugleich, als ich Fingerspitzen spürte, die meine Hand streiften. Ich reckte meinen Arm tiefer in das Loch und konnte endlich seine Hand ergreifen, als mein Kopf plötzlich unter Wasser gedrückt wurde.

Mit meinem anderen Arm versuchte ich die Gestalt, die mich unterwasser drückte, runterzuschubsen. Mithilfe der Erdenergie, ließ ich zwei Erdbrocken aus dem Wasser steigen, die die Gestalt von mir hinunterstießen. Mit einem kräftigen Hieb zog ich Ray aus dem Wasser, der mir in die Arme fiel.
Die Hand streckte ich zur Gestalt aus und ließ die Erdbrocken auf ihren Kopf fallen, um ihn zu zerschmettern, woraufhin sich ihr Körper zu Wasser auflöste.
Tief durcharmend schaute ich zu Ray hinunter.
Ich spürte keinen Atem.

Das Wasser begann in den Boden zu sickern und der Himmel hellte sich auf.
Ich rüttelte ihn an den Schultern.
Das Gras begann unter mir zu wachsen.
"Ray! Raaay!"
Die Bäume schossen wie Raketen aus der Erde, bis wir uns in einem Wald befanden.
Er reagierte nicht.
Büsche und Blumen sprossen hervor.
Heiße Tränen liefen mir die Wangen hinunter, doch bevor ich irgendetwas anderes hätte tun können, wurde alles wieder schwarz.


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