38. Kapitel

82 6 0
                                    

Ich hatte mir bereits zum 20-Mal den Brief meiner Oma durchgelesen. Es hatte mich ganz schön verwirrt, dass wie aus heiterem Himmel ein Brief von ihr ankam. Von dem was ich bis jetzt verstanden hatte war, dass sie, nachdem sie ihre Heimat verlassen musste, auch hierherkam und ausgebildet wurde. Sie hatte sich sogar erfolgreich wieder zurückgebracht, aber warum hat sie mir nie davon erzählt? Doch es tröstete mich ein wenig, dass ich nicht die Einzige war, die sowas durchgemacht hatte.
Diese Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum, während ich mit Zen übte. Wir hatten uns in eine der Trainigshallen begeben, um dort ein bisschen zu trainieren.

Zen war feuerorientiert und unglaublich schnell. Seine zwei riesigen rechteckigen Schwerter, die aus schwarzem Metall angefertigt worden waren, hielt er mit festem Griff in beiden Händen. Ich hatte große Mühe ihm überhaupt zu treffen. Egal wie oft ich ihn angriff, wich er in unmenschlicher Geschwindigkeit aus, sodass ich nur noch die Spitzen seiner pechschwarzen Haare sah.

Ich steckte meine Waffen zurück und konzentrierte meine Energie in meine Hände. Augenblicklich zuckten wilde Blitze um sie rum und ich rannte auf Zen zu. Mit Höchstleistung ließ ich meine Blitze auf ihn niederfahren. Doch er wich mit Eleganz aus. Während er mir auswich, kam es mir so vor, als hätte er jede einzelne Bewegung jahrelang mit Perfektion einstudiert. Nach einer Weile stand ich Zen gegenüber und musste meinen Atem erstmal unter Kontrolle bringen.
"Greif... Greif mich auch mal an!", keuchte ich und sah zu ihm auf. Er schloss die Augen und steckte seine zwei Schwerter zurück. Augenblicklich war er verschwunden und ich spürte seine Präsenz, wie sie hinter mur stand. Ich drehte mich um und musste seiner Hand ausweichen, die wie sein Schwert mit einem seitlichem Schwung auf mich zugeschossen kam. Schwarze Flammen umgaben seine Hand, die kein bisschen Licht ausstrahlten. War das eine Art Technik?
Ich konnte mir darüber keine Gedanken machen, da ich zu beschäftigt war, seinen Angriffen auszuweichen und zu parieren. Als seine Fingerspitzen meine Wange streiften und einen roten Strich formten, hielt er kurz Inne. Ich nutzte die Chance, um mein Knie in seinen Bauch zu schwingen. Dann ergriff ich seinen Hinterkopf, um seine Energie mit meiner zu umzingeln, wie ich es mit Erzan geübt hatte. Doch er ergriff meine Hände, warf sich auf mich und drückte mich runter, sodass ich mich nicht mehr bewegen konnte.
Sein blasses Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und schien mir immer näher zu kommen.
"Schon gut, du hast gewonnen!", sagte ich und versuchte mich seinem Griff zu entziehen. Er verharrte eine Weile so und setzte sich dann schließlich auf. Mein Bauch wurde von seinem Gewicht erdrückt und ich konnte mein Mittagessen spüren.
"Gehst du bitte von mir runter?", fragte ich, immernoch am Boden liegend.
"Du wärst jetzt bereits tot", murmelte er, als er aufstand.
"Zum Glück willst du mich nicht umbringen...", sagte ich und bäumte mich auf. Mit kühlem Blick stand er vor mir und sah mich an. In diesen Momenten fragte ich mich immer, was genau er dachte. Dann hob er die Hand und legte sie auf meine Wange. Mit dem Daumen wischte er das Blut weg, dass aus meiner kleinen Wunde floss.

"Das reicht", sagte eine dunkle Stimme. Vor der Tür stand mein Meister mit einem eiskalten Blick. Zen schaute ihn genauso finster an und ging auf ihn zu. Ohne Worte verließ er das Zimmer und war verschwunden. "Amber, komm mit", sagte mein Meister und wandte sich zur Tür.

Ich saß meinem Meister in seinem Büro gegenüber und knabberte an einem Keks.
"In welcher Verbindung stehst du zu diesem Jungen?", fragte mein Meister mit kühlem Blick.
"Wir sind Freunde...?", murmelte ich eingeschüchtert. Mein Meister betrachtete mich mit einem bedrohlichem Blick.
"Hast du schonmal was von der Saiken-Familie gehört?", fragte mein Meister, worauf ich den Kopf schüttelte.
"Die Saiken ist eine bekannte Familie aus dem westlichem Ignis-Patriae. Sie hat eine lange Geschichte und ist ganz besonders für ihre Kaltblütigkeit und ihre Fähigkeiten bekannt. Sie hat sich schon immer mit der Kriminalität beschäftigt und war auch sehr aktiv. Besonders das Morden lag ihnen am Herzen. Doch sie sind auch für ihr besonderes Feuer bekannt. Das schwarze Feuer strahlt kein Licht aus und hört nicht auf zu brennen, bis das Ziel vollkommen verbrannt ist. Diese Fähigkeit konnten sie sich nur aneignen, weil sie anderen Menschen ihre Energie gestohlen haben und sie dann umbrachten"
"Warum erzählt ihr mir das?", murmelte ich.
"Weil dein Freund auch ein Saiken ist", sagte er kühl.
Ich schwieg und umfasste die Kette, die Zen mir geschenkt hatte mit der Hand.
"Letztens war die Saiken-Familie nicht mehr aktiv, was sehr vorteilhaft für das Militär ist. Aber ich habe den Verdacht, dass dein 'Freund' nicht umsonst hier ist. Denn nur den Menschen mit besonderer Energie, wie deiner, wird sie gestohlen, um die einzelne Person stärker zu machen. Was ich vermute kannst du dir wohl denken. Natürlich kann ich nichts nachweisen, aber das ist für mich die einzige Erklärung für sein Dasein", sprach er weiter.
Schweigend starrte ich auf meine Hand, die den Anhänger fest umschloss.
"Vertraue niemandem außer dir selbst und halte dich von ihm fern, verstanden?", sagte mein Meister kühl.
Ich nickte geknickt.
"Du darfst gehen", sagte er und drehte sich in seinem Sessel um, um in seinem Dokumenten weiterzuschreiben. Ich erhob mich und verließ das Büro.

New Life of MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt