69. Kapitel

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Ich klopfte ein paar Male an die Tür und öffnete sie dann. Mit verschlafenem Gesicht saß die Oberste in ihrem Sessel und hatte die Füße auf ihren Schreibtisch gelegt.
"Morgen", gähnte sie.
"Morgen", erwiderte ich und verbeugte mich leicht.
"Und? Bist du bereit für dein Spezialtraining?", fragte sie mich grinsend.
"Ich denke schon", murmelte ich.
"Dann viel Spaß im Keller. Sie wartet dort schon auf dich"
"Im Keller?!", rief ich, "Ich bin doch erst die ganzen Treppen hier hochgegangen!"
"Ein bisschen Sport am Morgen schadet nie", sagte sie grinsend.
Leise vor mich hin fluchend trat ich aus ihrem Büro und nahm die Treppen nach unten in Angriff. Ich konnte mein Bein nun wieder schmerzfrei bewegen, da Lady Aquaren sich darum gekümmert hatte.
So ging ich die 500 Treppen, die in den Keller des Schlosses führten in Angriff und erreichte nach ein paar Minuten den Keller.
Da ich nur einmal dort gewesen war, hatte ich Angst mich in den vielen Gängen zu verlaufen, da sie alle gleich aussahen.
Schließlich entschloss ich mich einfach an eine Wand gelehnt zu warten.

Nach ein paar Minuten konnte ich Schritte hören, die auf mich zukamen. Eine ältere Frau kam um die Ecke, dessen kristallblaue Augen aufleuchteten, als sie mich sah. Sie hatte ihre langen schneeweißen Haare zu einem Zopf gebunden, der ihr bis zu den Kien hing.
Ein langes hellblaues Gewand, das mit weißen Verziehrungen bestickt war, betonte ihre Taille.
"Du bist Amber, oder?", fragte sie mich lächelnd.
Ich nickte und lächelte sie an.
"Isana, die Zweite im Bunde", stellte sie sich vor und reichte mir die Hand.
"Dann folge mir mal", sagte sie und ging vor.

Sie führte mich in einen dunklem Raum, der nur von Kerzen schwach beleuchtet wurde. Er war vollkommen leer und nur ein hoher, rechteckiger Gegenstand wurde von einem Vorhang vedeckt.
"Mir wurde gesagt, dass du jemanden da drin versteckt hälst, nicht wahr?", fragte sie und zeigte auf meinen Kopf.
"Ja...?", antwortete ich etwas verwirrt.
"Nun Amber, kannst du mir sagen wer das ist?"
Nach kurzem Überlegen antwortete ich ihr: "Sie hat mir gesagt, dass ich sie bin und sie ich ist"
"Genau, das bist du", kicherte sie, "Das ist nämlich die Ansammlung aller deiner Gefühle, die du nie zeigen wolltest. Schmerz, Hass, Lust, Leidenschaft, Verlangen und viele weitere. Als Sturmesmeister musste ich ähnliches durchmachen"
"Sie sind Sturmesmeister?", fragte ich positiv überrascht.
"Ja, die Zweite von den fünf, die es auf unserer Welt gibt"
Langsam begann ich zu verstehen.
"Und ich bin dann die Fünfte?"
Sie nickte und grinste.
"Und bei dem was ich sehe bei Weitem die Gefährlichste!"
Ich wusste nicht, ob ich das als Kompliment sehen sollte.
"Aber, du kannst von dem Gefährlichem ins Starke übergehen, wenn du lernst deine Gefühle zu kontrollieren. Und der erste Schritt dahin ist...", sie zog den Umhang fort, "deinen Gefühlen freien Lauf zu lassen!"
Ich stand vor einem Spiegel und beobachtete, wie Isana hinter mich trat. Sie legte mir ihre Hände auf die Schultern und flüsterte mir ins Ohr: "Was du da in dir trägst ist nichts Schlechtes. Du denkst nur, dass es schlecht ist, weil du es nicht kontrollieren kannst. Sie ist deine Kraft, dein sechster Sinn, dein sechstes Element"
Sie trat ein paar Schritte zurück. "Jetzt lass deinen Gefühlen freien Lauf!", lachte sie.
Ratlos stand ich vor dem Spiegel. Und wie genau sollte ich das anstellen?
Ich trat an den Spiegel und legte meine Handfläche auf die Scheibe, um dann die Augen zu schließen. Irgendwie versuchte ich eine Verbindung zwischen mir und meinem Spiegelbild zu erlangen, doch es klappte nicht.

Nach ein paar Minuten gab ich auf und drehte mich zu Isana um.
"Ich hab keine Ahnung, wie ich das machen soll!", klagte ich. Sie jedoch lächelte nur und zeigte auf den Spiegel.
Als ich in den Spiegel schaute, sah mich mein normales und mein schwarzes Auge an. Meine Haut war etwas blasser und die Narbe über meinem Auge war deutlich zu erkennen.
"Du hast eine gesunde Verbindung erlangt. Solange deine eine Seite nicht Überhand gewinnt, ist alles in Ordnung", erklärte sie mir und öffnete dann die Tür.
"Jetzt geh und tu, was du nicht lassen kannst"
Ein paar Sekunden starrte ich sie nur verwirrt an.
"Aber ich fühle mich ga...", ich brach mitten im Satz ab, da ich ein unglaublich starkes Verlangen spürte, sodass es in meinem ganzen Körper kribbelte.
Ich sprintete aus der Tür und rannte die Treppen zum Erdgeschoss hoch. Auf dem Schlossplatz angekommen sprang ich in großen Sätzen auf das Schulgebäude zu und ließ mich durch eines der Fenster krachen.

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