18. Kapitel

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Ich durchsuchte meinen Kleiderschrank nach passenden Klamotten. Erzans Eltern wollten mich zum Essen einladen, da es Tradition sein sollte, die neuen Teammitglieder so bei seiner Familie willkommen zu heißen.
Es war etwas plötzlich und ich hatte keinen Plan was ich anziehen sollte. In meiner Verzweiflung bat ich Keira bei mir vorbeizuschauen und mich zu beraten.

"Du musst den Rock unbedingt anziehen! Darin siehst du umwerfend aus!", schwärmte Keira.
"Und welches Oberteil?", fragte ich.
Sie grübelte kurz.
"Das lange Hemd, dass du da hast", sagte sie.
Sie meinte das Hemd, mit dem ich hierher gekommen war.
"Dann probier ich's mal an", murmelte ich.
Der dunkelblaue Faltenrock passte zu dem hellblauen Hemd. Jetzt war die Frage: Welche Schuhe?
"Ich bin dafür, dass sie auch schwarz sein müssen. Und du brauchst eine weiße Strumpfhose!", sagte Keira entschlossen.
Sie hatte ein paar Schuhe und andere Sachen von ihr selbst mitgebracht, da ich noch nicht sehr viel besaß.
"Wichtig ist, dass du nicht nur anständig aussiehst, sondern auch dich selbst repräsentierst. Also denke ich, dass dir die schwarzen Stiefel passen werden!"
Ich probierte sie an und musterte mich im Spiegel.
Es sah gar nicht mal schlecht aus. Nach der langen Diskussion über mein Outfit, hatten wir doch was zustande bekommen.
"Was soll ich mit meinen Haaren machen?", fragte ich.
"Mh... Mach einen lockeren Zopf", sagte sie.
Ich nickte. Das würde reichen. Aber eine Sache fehlte noch.
"Keira, hast du noch ein paar Ohrringe, die ich mir noch leihen könnte?", fragte ich.
"Ja, soll ich welche holen gehen?"
"Bitte"

Sie kam mit einer Tüte voller Ohrringe an und schüttete sie über meinem Bett aus. Ich suchte mir fünf verschiedene Paare aus und setzte mich vor den Spiegel.
Da ich in jedem Ohr fünf Löcher hatte, konnte ich mir alle einstecken.
"Wow, so viele Ohrlöcher?", staunte Keira.
"Ja, ich find's cool", sagte ich, "So, fertig"

Keira wollte mich unbedingt schminken, also ließ ich sie das machen. Es war nur ein leichtes Make-up und ein bisschen Mascara. Mehr wollte ich nicht, da meine Haut nicht sehr viel verträgt.
"Du siehst sehr hübsch aus! Nur schade, dass du den Verband immernoch tragen musst. Wirst du eigentlich noch normal mit deinem linken Auge sehen?", fragte sie.
"Ja, alles wird wieder gut werden. Du musst dir keine Sorgen machen", sagte ich und lächelte sanft.
"Zum Glück!", rief sie erleichtert.
Ich hatte Keira nach kurzer Zeit schon richtig ins Herz geschlossen. Sie war so lieb und fürsorglich, dass ich nichts anderes konnte, als sie gern zu haben.
"Danke, Keira", murmelte ich.
"Ach, kein Ding! Es hat mir Spaß gemacht", entgegnete sie fröhlich, "Huch? Schon so spät! Du musst los!"
Sie hatte Recht.
Ich musste zu meiner Kutsche. Keira begleitete mich noch zur Kutschenhaltestelle und als ich einstieg rief sie: "Viel Glück!"
Ich hob die Hand zum abschied und sie winkte euphorisch mit beiden Armen.

Nach etwa 20 Minuten befanden ich mich im nord- westlichem Wohnbezirk, wo die meisten Familien aus Ignis-Patriae wohnten.
Ich stieg aus der Kutsche und sah mich um. Es waren überwiegend Häuser, die von außen nur ein Stockwerk besaßen. Keira hatte mir erzählt, dass die Häuser in Ignis-Patriae sehr viele Stockwerke unter der Erde besaßen und nur eins oder zwei über der Erde.
Ich ging durch die Straßen und suchte nach der Adresse, die mir Erzan gegeben hatte.
Ich stand vor einem Haus mit zwei Stockwerken. Es war relativ groß, hatte ein flaches Dach und einen großen Garten um das Haus.
Ich öffnete das kleine Tor und trat auf den kleinen Weg zur Haustür. Vor der Haustür angekommen laß ich auf den Namenschild: Theisc.
Das musste es sein. Ich klingelte und wartete.
Die Tür wurde geöffnet und vor mir stand eine hübsche Frau mit fließend langem, schwarzem Haar.
"Ah, du bist also Amber! Schön dich endlich kennenzulernen!", begrüßte sie mich erfreut.
"Komm doch rein", sagte sie und trat zur Seite.
"Vielen Dank", sagte ich und lächelte.
Ich trat in einen großen Raum, in dem sich die Küche, das Wohnzimmer und ein Esstisch befand. Es war alles offen und ich konnte das Essen schon riechen.
"Ich hoffe du hast ordentlich Hunger mitgebracht!", sagte sie und lächelte mich an.
"Oh ja, das hab ich", lachte ich.
"Achso, ich hab mich ja gar nicht richtig vorgestellt.
Ich bin Sira Theisc", stellte sich vor und gab mir die Hand.
"Amber Kingston", sagte ich darauf.
Wieder musste ich mit meiner linken Hand ihre schütteln.
Aus dem Wohnzimmer trat ein großer Mann hervor mit schulterlangen, dunkelbraunen Haaren.
"Guten Abend, ich bin Heizen Theisc, Erzans Vater", sagte er und gab mir die Hand. Ich stellte mich vor und bedankte mich für die Einladung.
"Da das jetzt geregelt ist, können wir uns ja schonmal an den Tisch setzen", sagte Sira und rief nach Erzan.
Ich setzte mich gegenüber von Herrn Theisc und sah zur Treppe im Eingangsbereich.
Erzan kam heruntergelaufen und hinter ihm ein kleiner Junge.
"Erza! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du beim Essen dein Piercing rausnehmen sollst!", beschimpfte sie Erzan.
"Lass ihn doch, Sira. Heute kann er es lassen", sagte Herr Theisc zu ihr.
Die Situation war mir ziemlich unangenehm, da ich mir vorkam, als würde ich bei wildfremden Leuten sitzen. Im Grunde tat ich das ja auch.
Ich lächelte ein wenig nervös, als Erzan auf mich zukam. Er hatte sich die Haare zu einem festen Zopf gebunden und hatte ein weißes Hemd an. Er setzte sich neber mich und schwieg.
"Mama! Wer ist das?", fragte der kleine Junge.
"Das ist Amber, das neue Teammitglied von Erza!", antwortete sie ihm lächelnd.
Der Junge war nicht älter als 8 und hatte kürzere schwarze Haare. Seine roten Augen beäugten mich verwundert.
Ich stand auf, als er auf mich zugelaufen kam.
"Ich bin Cecil", sagte er mit einem unschuldigem Blick zu mir. Er war zwei Köpfe kleiner als ich und sah unglaublich süß aus. Ich kniete mich zu ihm runter und sagte mit einem Lächeln: "Ich bin Amber, schön dich kennenzulernen"
"Warum ist dein Auge zugebunden?", fragte er mit großen Augen.
"Ich wurde am Auge verletzt und bis es zugeheilt ist, muss ich den Verband tragen", antwortete ich ihm.
"Tut es weh?", fragte er weiter.
"Nein, es tut nicht mehr weh", sagte ich und lächelte.
Seine kleine Hand berührte meine Verband und strich leicht darüber.
"Cecil, was machst du denn da?", fragte seine Mutter, "Du kannst doch nicht einfach ihre Verletzung anfassen!"
Er antwortete ihr nicht.
"Schon gut, es ist alles okay", sagte ich zu ihr.
Dann umarmte er mich plötzlich. Ich musste mich zurückhalten, um ihn nicht zu erdrücken. Zwar hatte ich schon viel mit Kindern unternommen, doch so ein putziges Ding hatte ich noch nie kennengelernt.
Ich löste mich aus seiner Umarmung und stand auf.
"Wir sollten jetzt am Besten was essen", sagte ich zu ihm lächelnd. Er nickte und ging zu seiner Mutter.
Ich setzte mich wieder neber Erzan hin und Frau Theisc verschwand in die Küche. Mit fünf Tellern auf zwei Tabletts kam sie zurück zum Esstisch und stellte sie ab.
Dann setzte sie sich und das Abendessen begann.
Was vor mir auf dem Teller lag war eine Art Salat. Salat mochte ich nicht besonders, aber da ich es hasste bei Leuten unhöflich oder unsymphatisch rüberzukommen, sagte ich nichts. Statdessen sagte ich, dass das Essen sehr gut schmeckte.
"Ich hätte ein paar Fragen an dich, Amber", sagte Herr Theisc zu mir.
"Nur zu", antwortete ich.
"Wie findest du es denn hier so? Muss doch schwer für dich sein, noch nicht mal in der eigenen Welt mehr zu leben", fragte er.
"Allerdings, es ist eine groß Umstellung für mich. Aber ich hab's bis jetzt einigermaßen hingekriegt", antwortete ich.
"Und wie ist es denn in deiner Welt so? Gibt es denn große Unterschiede?", fragte Frau Theisc interessiert.
"Ganz viele. In meiner Welt kann man sich zum Beispiel gar nicht mit Elementen verbinden oder so. Es gibt Autos und Busse und ganz viele andere Sachen", sagte ich.
"Und was ist mit eurer Kultur? Habt ihr denn auch bestimmte Traditionen?", fragte Herr Theisc.
"Nun, da wo ich herkomme, gibt es nicht sehr viele Traditionen. In anderen Ländern eher. Im gegensatz zu hier, ist es aber wirklich beschränkt"

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