Kapitel 69

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Jakob POV

Als wir zurückfuhren, ich auf dem Beifahrersitz saß, starrte ich einfach nur nach vorn aus der Windschutzscheibe.

Harry hatte entschieden, dass er mein Auto zurückfahren würde, während die anderen Zwei Harrys Auto fahren würden.

"Alles in Ordnung?", Harry wollte seine Hand auf meinen Arm legen, als wir an einer Ampel hielten, doch ich zuckte weg. Sah ihn sofort entschuldigend an.

"Das wollte ich nicht. Entschuldige.", ich fuhr mir durch die Haare, spürte wie die Unsicherheit, die Ängste, die ich all die Jahre erfolgreich verdrängt hatte, nach vorn sprangen.

"Ich verstehe das. Wenn es einer versteht, dann ich!", er lächelte mich an, legte seine Hände wieder ans Lenkrad. "Mach dir bitte keine Sorgen. Es ist normal, dass du jetzt keine Berührungen zu lassen kannst."

"Aber vorhin...", wollte ich einwerfen, doch er schüttelte den Kopf.

"Das ist etwas anderes, Jakob. Bitte, glaube mir. Deine Seele setzt sich jetzt erstmals mit einer Situation auseinander, die du all die Zeit versucht hast wegzuschließen. All die Emotionen die damit verbunden waren, stürzen jetzt auf dich ein. Auch die Angst vor Berührungen. Es ist vollkommen normal, dass du erstmal Abstand körperlicher Art brauchst. Ich werde mit den anderen beiden nachher reden. Louis kennt es ja selbst, aber Luca könnte es falsch verstehen. Deshalb werde ich es ihm erklären.", die Stimme des Jüngeren klang warm, fest und gab mir in gewisser Form gerade Sicherheit.

"Das wäre vielleicht gut.", ich nickte leicht, dachte daran, wie Luca sich jetzt fühlen musste. Zum einen, weil ich ihm eine so wichtige Tatsache, die mich betraf, all die Jahre verschwiegen hatte und nun möglicherweise auch die körperliche Abweisung, die er unter Umständen erfahren würde.

"Auf alle Fälle. Wie gesagt, wir bekommen das hin und vielleicht wäre es gut, wenn du auch mal mit Nic...", sofort schüttelte ich meinen Kopf. Heftig.

"Nein!", es kam härter als ich es gewollt hatte, aber nein, ich wollte damals keine Therapie und auch heute würde ich niemanden in meiner Seele herumpfuschen lassen.

"Schon gut.", Harry seufzte, fuhr jetzt auf die Auffahrt, parkte neben Louis, der bereits die Haustür aufschloss.

"Danke.", als der Motor aus war, sah ich zu ihm rüber und sein Lächeln war so warm und liebevoll, dass mir die Tränen erneut in die Augen schossen.

"Ich bin da, die Jungs sind da. Du brauchst dich nicht zu bedanken, Jakob. Wir werden uns um dich kümmern, wir werden dir helfen, all das zu verarbeiten und irgendwann normal Berührungen zulassen zu können. Glaube mir."

Als ich ins Haus kam, fühlte ich mich unwohl. Luca und Louis schienen mich zu taxieren, wussten nicht recht, wie sie mit mir umgehen sollten, nur Harry schien stärker zu sein, als je zuvor.

"Ich denke wir gönnen Jakob heute Ruhe. Er muss das alles erstmal Revue passieren lassen. Mit sich selbst zurecht kommen. Möchtest du ins Gästezimmer, heute Nacht?", fragte er mich und ich sah zu Luca, der erschrocken den jüngeren Dom ansah.

Alles in mir schrie "ja" zu sagen, nur das schlechte Gewissen gegenüber Louis und Luca hielten mich ab.

"Aber...", der Blonde wollte gerade etwas sagen, doch erstickte seine Worte mit seiner Hand, die er hob.

"Ich erkläre dir gleich ein wenig was dazu, Luca. Geh ruhig hoch, Jakob. Und wenn was ist, weck uns, jederzeit, ja?", er sah mich noch einmal intensiv an, ehe ich nickte, Luca und Louis ein "Entschuldigt bitte", fast lautlos im Vorbeigehen zu warf und dann nach oben ins für mich in dem Moment sicherere Gästezimmer verschwand.

Extraordinary Ways - LS 5. Teil der HeptalogieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt