66. Farbe an der Wand

130 6 4
                                    

Früher als er kam ich außer Atem im Dojo an. Ich ließ mich erschöpft auf die Matten fallen, nachdem ich meine Schuhe ausgezogen hatte.
Auch Miguel war bereits eingetroffen, "Du bist verrückt, Enna.", außer Atem stand er an der Tür und stütze die Hände auf die Knie, "Du hättest überfahren werden können."

Belustigt setzte ich mich auf, um wieder aufzustehen, "Ach was, Autos können doch bremsen.", grinsend schlug ich ihm auf die Schulter, als er sich plötzlich gerade aufstellte.

"Was habt ihr zwei denn gemacht?", hörte ich die Stimme meines Vaters.
Er hatte vorher den Rest aufgefordert sich aufzustellen und stand nun selber abwartend vor uns.

"Wir waren spät dran und mussten herlaufen, Sensei.", sagte Miguel, der gerade stand und seine Hände hinter dem Rücken hatte.
Auffordernd sah nun mein Dad zu mir, "Wir haben nur ein kleines Wettrennen daraus gemacht, Sensei.", sagte ich schließlich und stellte mich auch gerade hin.

Nickend musterte er uns noch ein mal, "Umziehen und aufstellen."
"Jaa, Sensei.", antworteten wir zeitgleich.

Als wir so weit waren und unsere Plätze eingenommen hatten, begann mein Dad auch schon zu sprechen, "Heute lernen wir eine der wichtigsten Lektionen, die ein Cobra Kai kennen muss!"

"Wo ist Sensei Kreese?", fragte Hawk unsicher und sah sich um.
"Mr. Kreese gehört von nun an nicht mehr zu uns.", sagte mein Vater ernst.
Entsetzt sah ich von Miguel zu Hawk und von Hawk zu Aisha, die genau so guckten.

"Ich habe etwas versprochen, als ich euer Sensei wurde. Ich wollte immer in eurem Interesse handeln. So schwer es auch sein mag, er hat nicht das Beste für uns alle gewollt. Ja, er hat Cobra Kai gegründet, doch er ist nicht das, was Cobra Kai heute ist.", er ging vor uns auf und ab, "Sein Cobra Kai war veraltet und überholt. Er hat sich geweigert sich weiter zu entwickeln.", er sah zu mir auf und blieb vor mir stehen.

"Was passiert, wenn man sich nicht entwickelt, Mrs. Lawrence?", er sah mir ernst in die Augen.
"Man steckt fest und kommt nicht mehr weiter, Sensei.", ich versuchte nicht traurig zu wirken, doch mein Blick verriet mich wohl. Ich hatte mich so an den neuen Sensei und sein Training gewöhnt.

"Richtig. Man muss sich anpassen können.", er drehte sich zu den Sätzen an der Wand, "Wenn ihr diese Sätze streng befolgt, machen sie euch stark. Respekteinflößend. Aber auch zum Arschloch.", mein Vater klang, als hätte er dies jetzt erst begriffen.

"Es ist nur Farbe an einer Wand. Ihr solltet es nicht zu ernst nehmen. Ab jetzt zeigt mein Cobra Kai manchmal Gnade mit anderen.", es schien, als würde er jeden einzelnen mit seinem Blick durchbohren.

Doch wir sahen uns alle nur durcheinander an. Es schien, als würden sich alle nun so fühlen, wie ich mich schon lange fühlte. Was war nun richtig und was war falsch? Keiner wusste es so genau.

"Doch es heißt nicht, dass ihr nicht knallhart sein könnt. Das ist immer noch eine Voraussetzung. Aber ihr dürft eine Sache nicht mit mit den Fäusten klären.", er tippte sich mit dem Finger gegen den Kopf, "Benutzt auch immer den hier.", plötzlich schlich sich ein kleines Grinsen in sein Gesicht.

"Das bringt mich zur heutigen Lektion.", er holte ein Holzbrett, welches hinter ihm bereit lag und zerbrach es mit dem Kopf.
Begeistert sah ich ihn an.
"Sucht euch einen Partner.", mit den Worten verschwand er in seinem Büro.

Ich wollte ihm nachgehen, fragen wo Sensei Kreese nun war, doch Miguel kam mir zuvor und war bereits schon meinem Vater hinterher gelaufen, "Vollidiot...", murmelte ich, bevor ich Hawk packte, um die Kopfstöße zu üben.

Abwechselnd probierten wir es aus, bis Hawk mir einen Kopfstoß auf die Nase verpasste und diese zu bluten begann.
Sprachlos musterte er mich, bis er nach meinem Dad Ausschau hielt, "Ähm, Sensei?", rief er laut nach hinten.

Mein Dad kam mit Miguel im Schlepptau nach vorne.
Miguel ging sofort zu Tory und mein Vater kam zu uns herüber, "Steh auf.", sagte er ernst und ruhig zu mir, denn ich bin bei dem Stoß rückwärts gefallen.

Er half ein wenig nach und zog mich an meinem Gi auf die Beine.
Prüfend nahm er meinen Kopf und sah sich meine blutende Nase an.
"Hawk, such dir einen neuen Partner."

Mein Vater zog mich in sein Büro und setzte mich auf einen Stuhl, "Tut es weh?", fragte er mich nun, während er ein Tuch aus einem Schrank holte.
Ich gab nur ein Geräusch von mir und schüttelte mit dem Kopf.

"Da kann man wohl nur warten, bis es aufhört.", er hockte sich vor dem Stuhl, auf dem ich saß hin und untersuchte nun meine Nase.
"Alles gut.", sagte er schließlich, "Komm wieder nach vorne, wenn es aufgehört hat.", er ging wieder zu den anderen, um das Training fortzusetzen.

Ich hingegen sah mich in seinem Büro um. Alle Dinge, die Sensei Kreese angebracht hatte, hatte mein Vater wieder entfernt und in einen Karton gebracht.
Tief in mir hoffte ich, dass mein Vater und Sensei Kreese sich wieder verstehen würden und uns bald wieder gemeinsam trainieren.

Als das bluten einige Zeit später stoppte, ging ich ebenfalls zurück zu den anderen und setzte das Training mit ihnen fort.

"Willst du Pizza oder...", ich hörte ein lautes wühlen, als mein Vater am Abend nach dem Training, durch die Wohnung schrie, "Alten Joghurt...", murmelte er und ich hörte im nächsten Moment den Mülleimer zufallen, "Eier?"

"War das schön, als du die ersten Wochen, in denen ich bei dir gewohnt habe, dich bemüht hast gesunde und frische Sachen zu kaufen.", sagte ich belustigt, legte mein Handy weg und erhob mich, um selbst zu sehen, was wir noch Zuhause hatten.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt