12. Der Nachbarjunge

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Ich sah ihm im Türrahmen der Wohnung stehend hinterher.
Schließlich erweckte der Junge, der gegenüber wohnte meine Aufmerksamkeit.
"Hey.", er sprang von einem Stein auf, auf dem er saß.
Es war der einzige Platz an dem die Sonne noch schien.

Er kam zu mir herüber, "Wo will der denn so schnell hin?", er sah den Weg hinab, den mein Vater herunter gestürmt war.
"Er braucht einen neuen Job.", zögernd sah ich den Jungen an, der mir zu aufdringlich schien.

"Er sagte vorhin zu mir, dass er ein eigenes Dojo auf machen wird und mich trainieren will. Aber ich wusste nicht, dass er es so ernst meinte.", auch er sah meinem Vater hinterher.

Ich wusste nicht ein mal, dass mein Vater mit den Nachbarn hier überhaupt ein Wort wechselt.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich den Jungen an, sagte aber nichts dazu.

"Und? Was machst du so in deiner Freizeit? Kannst du auch Karate wie dein Dad?", fragte er mich aufdringlich, als er sich zu mir auf den Boden vor der Haustür setzte.

Ich kramte meine Zigaretten heraus und zündete mir eine an. Miguel sah mich verdutzt an, "Wie alt bist du?", fragte er daraufhin auch noch.

"15.", sagte ich und atmete den Rauch aus.
Er sagte nichts weiter dazu.
"Ich kann kein Karate. Und seitdem ich hier wohne mache ich auch nichts mehr in meiner Freizeit. Meine PlayStation geht nicht an den alten Fernseher von meinem Dad. Meine Freunde soll ich nicht mehr sehen, gehe auf eine neue Schule.", ich regte mich leicht über mein neues Leben auf.

"Gehst du auch auf die West Valley High? Ich habe dort am Montag meinen ersten Schultag.", sprach er aufgeregt und drehte sich zu mir.
Ich nickte kurz, "Und wie alt bist du?", ich versuchte Interesse zu zeigen, doch es fiel mir schwer.

"Ich bin 16. Vielleicht sollten wir gemeinsam zur Schule gehen? Wir sind immer hin die Neuen. Wir sollten uns zusammentun.", schlug er mir vor und warf einen abwertenden Blick auf meine Zigarette, die ich ausdrückte und wegwarf.

"Können wir.", murmelte ich und lehnte mich gegen die Wand hinter mir.
"Weiß dein Vater das? Sagt er da nichts zu?", er nickte in Richtung der Zigarette, die ich weggeschmissen hatte.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich Miguel an und zuckte mit den Schultern, "Keine Ahnung.", ich musterte den Jungen, "Nervst du eigentlich jeden so sehr?"

Verlegen sah er mich plötzlich an, "Na ja, also...ähm, ich...", er wusste nicht genau, was er sagen sollte. Doch das musste er auch nicht, denn seine Großmutter öffnete in dem Moment die Tür und rief ihm etwas Spanisches zu.

"Ich muss essen, wir sehen uns.", er sprang auf und verschwand in der Wohnung.
Also erhob ich mich auch wieder und tat es ihm gleich.
Ich versteckte meine Zigaretten wieder unter dem Bett. Anschließend ging ich in das Zimmer meines Vaters und wühlte das alte Bild mit dem Pokal von ihm aus dem Karton, der noch vor seinem Bett stand.

Mein Vater wollte also plötzlich wieder mit Karate anfangen. Hatte das vielleicht etwas damit zutun, weil ich ihn auf das Bild angesprochen hatte?
Ich war gespannt, wann er mir erzählen würde, was er vorhatte, doch erst ein Mal wollte ich wissen, wie das Gespräch mit dem Jugendamt lief.

Wie jeden Tag in der Wohnung meines Vaters ging ich gelangweilt herum, blätterte in Büchern, las eine oder zwei Zeilen, durchsuchte die Filme, die mein Vater dahatte und machte mir am Nachmittag etwas zum Essen.

Ich wusste mein Vater hatte es mir verboten, doch ich hatte noch gutes Gras da und baute mir nach dem ich meine Pizza gegessen hatte einen.

Ich öffnete das Fenster meines Zimmers und zündete ihn an.
Es entspannte mich und ich fühlte mich ein wenig sorgloser und glücklicher, als die letzten Tage.
Träumend starrte ich Minuten lang aus dem Fenster und verlor mich immer weiter in Gedanken.

Es fühlte sich nur an, wie einige Minuten, doch anscheinend, waren es mehr, denn ich hörte, wie die Haustür geöffnet wurde.
So schnell wie es ging sprang ich auf und versteckte alles, was mein Dad nicht sehen sollte und schmiss mich auf mein Bett.

Schon öffnete mein Vater die Tür. Er schien zufrieden zu sein, doch plötzlich verging ihm seine Zufriedenheit. Er kam in mein Zimmer und schaute suchend durch die Gegend, bevor sein Blick an mir hängen blieb.

"Wo ist es?", fragte er laut und öffnete ruckartig meinen Kleiderschrank.
"Dad!", sagte ich entsetzt und sprang auf, um ihn wieder zu schließen.
Er drehte sich zu mir um und nahm meinen Kopf zwischen seine Hände, "Du hast Gras geraucht. Das sehe ich und außerdem rieche ich es!", sagte er gereizt.

"Ich kenne alle Verstecke.", entschlossen suchte er weiter, bis er das Versteck unter meinem Bett gefunden hatte.
Er nahm alles heraus, auch meine Zigaretten waren dabei.

"Schluss damit.", er hielt das Tütchen hoch, "Spül es die Toilette runter.", er hielt mir das Tütchen entgegen, doch ich rührte mich nicht.
"Du kannst mir nicht alles wegnehmen!"

"Ich kann dir noch viel mehr wegnehmen. Das Jugendamt hat mir nun endgültig das Sorgerecht zugeschrieben. Ich kümmere mich um dich und werde dir helfen zurück auf den richtigen Weg zu kommen!", wartend hielt er mir immer noch das Tütchen entgegen, "Du spülst es runter. Komm danach in die Küche."

Schließlich gab ich nach und spülte es nach kurzem zögern herunter.
Als ich in die Küche kam, hatte mein Dad sich bereits ein Bier geöffnet. Er warf mir noch einen kurzen, aber vielsagenden Blick zu, bevor er anfing zu erzählen.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt